Ardistan und Dschinnistan. Karl May
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Читать онлайн книгу Ardistan und Dschinnistan - Karl May страница 56
»Oho!« rief da der kleine Hadschi aus.
»Was?« fragte sie ihn. »Wozu dieser Ruf?«
»Ich glaube nicht, daß es keine Hilfe gibt.«
»Wer sollte da helfen?«
»Mein Effendi! Es gibt weder einen Blut-noch einen Bärenhund, vor dem er sich fürchten würde. Wenn er den Dschirbani aus dem Stachelzwinger heraus haben will, so holt er ihn heraus; darauf kannst Du Dich verlassen!«
»Wirklich?« fragte sie.
»Ja, wirklich!« nickte er. »Auch ist mein Sihdi doch nicht allein da, sondern ich stehe an seiner Seite und helfe ihm. Du willst mich zwar verachten, aber wenn es darauf ankommt, diesem armen Enkel eines rachsüchtigen Zauberers Hilfe zu bringen, so glaube ich, wohl imstande zu sein, mir Achtung zu verschaffen.«
Inzwischen war der Sahahr in seinem Zorne weit vorausgeritten. Als Taldscha jetzt ihr Pferd anhielt, um mir die Hand zu geben, hielt auch ich und Halef an; der Scheik aber ritt in dem bisherigen Schritte weiter. So befanden wir uns für diese kurze Zeit mit seiner Frau allein, und so kam es, daß wir mit ihr jetzt einige Worte wechseln konnten, die er nicht hörte.
Taldscha warf zuerst einen forschenden Blick auf Halef, dann sagte sie in ihrer aufrichtigen, fast möchte ich sagen, hochherzigen Weise: »Es war falsch von mir, Dich verachten zu wollen. Ich will Euch nicht verhehlen, daß ich auch heute noch auf der Seite des Dschirbani stehe, doch hat der Sahahr in diesem Falle die größere Macht in den Händen, weil er so klug gewesen ist, diese Angelegenheit auf das religiöse Gebiet hinüberzuspielen, wo es nicht geraten ist, sich ihn zum Feinde zu machen. Wie dankbar würde ich Euch sein, wenn Ihr mir helfen könntet, mir und ihm!«
»Wir wollen!« versprach Halef. »Ich bin während Eurer ganzen Unterredung still gewesen; aber es ist mir kein Wort davon entgangen. Ich bin weder ein Arzt, noch ein Priester, noch ein Zauberer, aber Allah hat mir gewiß nicht weniger Verstand in den Kopf gelegt als Euerm Sahahr. Und dieser Verstand sagt mir, daß dem Dschirbani großes Unrecht geschehen ist und heute noch geschieht. Ich bin bereit, alles für ihn zu tun, was mir möglich ist, und wenn es so ist, wie ich mir es denke, so brauche ich gar keinen anderen Menschen dazu, sondern mache es ganz allein!«
Er sagte das in seinem überzeugungsvollsten Tone. Sie schaute ungläubig auf den kleinen Kerl hernieder und fragte:
»Du ganz allein! Gegen die Stachelwände? Gegen die Bärenhunde? Gegen den Willen des Scheiks? Gegen die Macht des Sahahr? Und gegen die vielen Menschen alle, die an ihn glauben und auf ihn schwören? Du, der Fremde, der heute erst zu uns gekommen ist und uns also noch gar nicht kennt! Ja, der sich eigentlich als unsern Gefangenen zu betrachten hat! Und Du sprichst davon, ehe Du unsere Stadt auch nur gesehen hast, einen Gefangenen von dort zu befreien!«
Da lachte Halef fröhlich und sagte:
»Wir Eure Gefangenen? Es ist gewiß nicht höflich, eine Frau Deines Ranges auszulachen, aber wenn Du diese Worte wiederholtest, würdest Du mich zwingen, diese Unhöflichkeit dennoch zu begehen. Ich habe es weder mit den Stacheln und Bluthunden noch mit dem Scheik und den Ussul, die an ihren Zauberer glauben, zu tun, sondern ganz allein nur mit diesem Zauberer selbst. Sage mir, Herrin der Ussul, ob der Sahahr den Tod verachtet?«
»Das tut er keineswegs; er liebt im Gegenteil das Leben sehr,« antwortete sie.
»Ah! Hast Du gesehen, was für einen Eindruck es auf ihn machte, als ich ihm sagte, daß ich mit keinem anderen kämpfen wolle, als nur mit ihm?«
»Ich habe es gesehen.«
»Es schien ihm gar nicht angenehm zu sein.«
»Gewiß nicht. Er ist überhaupt niemals ein Held im Kampf gewesen, und seit er trotz seiner überlegenen Körperstärke damals von dem Dschinnistani besiegt worden ist, hat sich seine Vorsicht gesteigert. Er hat die Wirkung Eurer Waffen kennen gelernt, und es konnte ihm nicht entgehen, daß Ihr alles anders, besser und erfolgreicher als wir, in die Hand zu nehmen wißt. Ich zweifle gar nicht daran, daß er sich vor einem Kampfe mit Dir fürchtet.«
»Und dieser Kampf ist unvermeidlich?«
»Eigentlich, ja. Aber es wurde schon davon gesprochen, ihn Euch zu erlassen, da Ihr ja genügsam bewiesen habt, daß Ihr würdig seid, Freunde und Verbündete der Ussul zu sein.«
»Wie gütig! Wie freundlich!« scherzte Halef. »Aber die Sache liegt für uns ganz anders, als für Euch. Wir beanspruchen dieselben Rechte wie Ihr. Das heißt, daß der Sahahr zu beweisen hat, daß er würdig ist, unser Freund und Verbündeter zu sein. Wenn er so furchtsam ist, uns den Kampf schenken zu wollen, so sind dagegen wir mutig genug, ihn zu bestehen!«
»Welch ein Gedanke!« wunderte sie sich. »Aber Du hast ganz recht.«
»Und höre mich weiter! Es ist Allahs Gebot, daß der Mensch in genau derselben Weise bestraft wird, in der er gesündigt hat. Als der Sahahr damals mit dem Dschinnistani kämpfte, wagte er es, den Kampf bis auf Leben und Tod zu treiben. Er wußte, daß seine Körperkräfte größer waren, als die des anderen, und war so töricht, die Kräfte der Seele und des Geistes nicht in Berechnung zu ziehen. Darum wurde er besiegt. Das war die einfache Folge, aber noch nicht Strafe. Diese eigentliche Strafe kommt erst jetzt, wo er einen ganz ähnlichen Kampf bestehen soll. Ich verlange nämlich genau so wie damals er, daß es um Tod oder Leben gehe. Was daraus folgt, kannst Du Dir denken!«
»Was?« fragte sie, in hohem Grade gespannt.
Halef antwortete:
»Entweder bittet mich der Sahahr, von diesem Verlangen abzustehen, dann werde ich es nur unter der einen Bedingung tun, daß er dem Dschirbani die Freiheit gibt. Oder er schämt sich, so feig zu sein, und geht dann auf meine Forderung ein. Nun, so kommt es eben zu einer Entscheidung auf Leben und Tod, und mein Effendi wird mir gern bezeugen, daß da nur ein einziger Ausgang möglich ist, nämlich der, daß der Sahahr stirbt. Ist der aber tot, dann wird wohl niemand den Dschirbani länger quälen wollen.«
»Diese Deine Gedanken sind nicht übel,« erklärte sie; »aber der letzte ist falsch. Nämlich der Dschirbani würde auch nach dem Tode des Sahahr für ansteckend räudig gelten. Man glaubt daran, und was sich im Kopfe solcher Menschen festgesetzt hat, das ist nur schwer zu beseitigen. Ich spreche mit Euch noch weiter über diese Sache. Jetzt müssen wir dem Scheik nacheilen, er wartet.«
»Noch eines möchte ich gern wissen,« bat Halef.
»Und das ist?«
»Was ist aus dem Dschinnistani, dem Vater des Dschirbani, geworden?«
Im Weiterritte antwortete