Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule. Группа авторов

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Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule - Группа авторов

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Job in der Schweiz suchte ich nicht. Zu diesem Zeitpunkt lief der Film Dancing with Wolves. Dadurch erfuhr der Tourismus in den Indianergebieten South Dakotas einen enormen Aufschwung: plus 70 Prozent! Damit stieg auch die Nachfrage nach indianischem Kunsthandwerk. Viele Indianer sind künstlerisch sehr begabt, und ich kannte mehrere persönlich. So beschloss ich, gutes und authentisches Kunsthandwerk zu fairen Preisen zu kaufen und in der Schweiz an Ausstellungen anzubieten.

       Wie hat sich deine Beziehung zu den Indianern entwickelt?

      Durch diese Geschäftstätigkeit lernte ich weitere Lakota kennen. Die bereits seit Jahren bestehenden Beziehungen vertieften sich. Die Lakota spürten, dass ich mich ernsthaft darum bemühte, mich ihrer Kultur mit Respekt zu nähern – und ich denke, das war entscheidend. Ich wurde in Grossfamilien integriert. Und vor zehn Jahren adoptierte mich die Familie Bluelightning als Lakota-Mitglied.

       Wie muss man sich das vorstellen?

      Die Lakota befolgen sieben Riten, einer davon ist der Hunka-Ritus: Diese Regel verlangt, dass es in der Lakota-Gesellschaft keine Waisenkinder, alleinstehende Kranke oder Alte geben soll, auch keine verwaisten Nicht-Lakota im nächsten Umfeld. Durch die Adoption erhielt ich einen neuen Namen und auch eine neue Heimat. Es bedeutet, dass ich immer ein Dach über dem Kopf und zu essen habe. Natürlich bin ich verpflichtet, dies auch anderen anzubieten.

      Die Adoption darf nicht als romantische Angelegenheit verstanden werden, sondern ist ein traditionelles, in der Vorzeit begründetes Konzept des Überlebens und der gesellschaftlichen Integration. Früher ging das so weit, dass man sogar seinen Feind adoptierte, um die Chance zu erhalten, eigene Emotionen – Hass! – in Anteilnahme zu verwandeln.

       Was bedeutet dir die indianische Kultur?

      Die Lakota sind ein indigenes Volk, dessen Lebensweise, Kultur und Wissen bedroht sind. Das ist ja bei den meisten Indigenen der Fall. Obschon die Lakota ihre alte Lebensweise weitgehend verloren haben, besitzen doch rund 10 Prozent ein enormes Wissen über unterschiedlichste Aspekte des Lebens, über die Flora und Fauna und Heilmedizin. Und das ist nicht nur für mich von Bedeutung, es kann für uns alle wertvoll sein. Sie entdeckten beispielsweise Echinacea …

       … das bei uns unter anderem als Produkt - Echinaforce bekannt ist?

      Genau. Dr. Vogel brachte es in den 1950er-Jahren in die Schweiz. Oder: Die Lakota wissen, wie man ein soziales System organisiert, um friedlich zusammenzuleben. Dabei wird die Eigenverantwortung stark betont. Aber nicht zum Eigennutz, sondern um selbstständig Gutes für andere zu tun, damit die Gesellschaft insgesamt harmonisch lebt. Das finde ich faszinierend. Es ist der Schlüssel zu einer Tür, die in eine andere Welt führt. Andere Indianer, die Irokesen etwa, haben unsere heutige Welt auch beeinflusst, nämlich durch ihre demokratische Verfassung, die unter anderem gleiche Rechte für Mann und Frau festschrieb und der späteren US-Verfassung teilweise als Vorlage diente, die wiederum die Schweizer Bundesverfassung von 1848 beeinflusste.

       10 Prozent der Lakota besitzen wertvolles Wissen, sagst du. Wie viele Lakota gibt es?

      Im Pine-Ridge-Reservat leben 20000 Menschen. Davon leben etwa 20 Prozent traditionell unter Einbezug der Moderne, weiteren 20 Prozent bedeutet die Tradition wenig. 60 Prozent sind leider Alkoholiker und arbeitslos. Das ist jedoch kein typisch indianisches Problem. Bei vielen Indigenen, die unter kulturellem Anpassungsdruck stehen, ist das so – etwa bei den Aborigines in Australien.

       Sich mit Indianern zu beschäftigen, in Schwitzhütten zu sitzen, jährlich einmal im Tipi zu übernachten und einen Traumfänger neben das Bett zu hängen, gilt vielen als - trendy – was hältst du davon?

      Diese Popkultur scheint auf der zeitlosen Faszination für die Lebensweise der Prärie-Indianer zu beruhen. Ich frage mich oft, woher das kommt. Vielleicht ist es die Vorstellung von Freiheit. Der Freiheit, sich selber zu sein. Schwitzhütten, Tipi und Traumfänger sind für einige «poppig», für andere sind sie verwirklichte Emotionen. Wie der Knabe im Mann, der gerne in der Natur ist und ein Feuer macht. Das auszuleben, finde ich in Ordnung. Aber manchmal wird «Indianisches» aus einem kulturellen Rahmen herausgebrochen, für den hier das Verständnis fehlt. Denn es geht doch darum, Spiritualität zu leben! Das ist eine Praxis – Beispiel Schwitzhütte –, die den Indianern ein Jahrhundert lang verboten war! Also fand es im Geheimen statt. Erst 1978, unter Präsident Jimmy Carter, wurde die indianische spirituelle Praxis gesetzlich erlaubt. Und jetzt kommen wir: Hey! Das machen wir auch! Da fehlt es oft an Respekt und Hintergrundwissen.

       Welche Bedeutung haben die Indianer für uns?

      Für einige keine, weil sie nicht wissen, dass Indianer nicht mehr im Tipi schlafen oder tagelang über die Prärie reiten. Leute, die das glauben, traf ich mehrmals. Andere sind von der Schönheit der komplexen Kunst begeistert, die auch ins Alltagsleben, etwa in Form wunderschöner Haushaltsutensilien, integriert ist. Einige berührt die indianische Philosophie, die uns auffordert zu erkennen, dass wir ein Teil von allem sind. Dieses zirkulare Denken schliesst mit ein, dass wenn du recht hast, ich nicht zwangsläufig unrecht habe. Das Gegenteil, das lineare Denken, erleben wir hier doch täglich!

       Wie sieht die heutige Situation der Indianer im Vergleich zu vor 20 Jahren aus?

      Obschon der Arbeitsplatzmangel in den Reservaten ein echtes Problem ist, sehe ich auch grosse Verbesserungen. Ein Beispiel: Heute kauft ein Lakota-Künstler ein Bisonfell als Rohmaterial zum Bemalen für 400 Dollar, vorher für 2500. Der tiefere Preis ist möglich, weil es wieder Bisons gibt! Die Wirtschaft lebt davon: Fleisch, Wolle, Häute. Die eigenen Kulturprodukte sind für die Indianer wieder erschwinglich geworden und das fördert die eigene Identität. Auch der wachsende Tourismus kann dazu etwas beitragen.

       Was könnten wir hier für die Indianer tun?

      Simple Dinge: Wir sollten uns über sie – und generell indigene Völker – zuerst einmal informieren. Und beim Kauf eines Traumfängers fragen, wohin das Geld fliesst. Prüfen, ob er nicht «made in Taiwan» ist. Den Glauben, dass es arme Indianer und böse Weisse gibt, können wir loslassen. Er hilft niemandem. Und es ist vorbei. Längst haben Indianer und Weisse gelernt, zusammenzuarbeiten.

       Manchmal geistern düstere Indianer-Prophezeiungen – Endzeitszenarien der Hopi – durch die Medien. Was soll man davon halten?

      Ich habe aus mehreren Gründen etwas Mühe damit: weil die Aussagen von den Hopi stammen, die sich, wie mir scheint, manchmal etwas elitär gebärden und sich als die Auserwählten im Indianerreich zu fühlen scheinen. Bei diesen Weissagungen geht es letztlich um Macht, Angst und um Kontrolle. In vielen Gesellschaften, auch nicht indianischen, gelang es der Priesterschaft, mit Hilfe bedrohlicher Endzeitszenarien die Menschen in Schach zu halten, um bestimmte Regeln durchzusetzen. Und was bedeutet schon Endzeit? Und für wen? Wirbelsturm Katrina löste in New Orleans eine Art Endzeit aus, aber nicht in Zürich.

       Also, trotz Prophezeiung: «Don’t worry – be Hopi?»

      (lacht …) Mir gefällt «Be happy and responsible!» besser.

       Etwas anderes: Seit zehn Jahren organisierst du Kleingruppenreisen zu den Indianern in den Black Hills. Worum geht es dir dabei?

      Ich möchte ernsthaft Interessierten ermöglichen, die jahrtausendealte Kultur der Prärie-Indianer – so alt ist sie wirklich! – zu erfühlen, zu erleben und zu sehen, wie sie heute ist.

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