Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises. Frank Berger
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Mit einer heftigen Entzündung an beiden Augen musste sich Payer hier erst einmal ausruhen. Eine Besteigung des Carè Alto am 18. September fiel krankheitshalber aus. Am 20. September verabschiedete sich Payer von dem am Ende doch zuverlässigen und redlichen Botteri und seiner Familie, schenkte dem „Bären“ seine defekte Hose und stieg hinab nach Pinzolo. Am nächsten Tag besuchte er noch den Nardis-Fall und Carisolo. Am 25. September trat Payer wieder den Dienst in seinem – wie er sich ausdrückte – „Steppen-Fort“ an der Brenta-Mündung an, dessen Räume ihm jetzt weniger gefielen als die kalten Steine am Mandronferner.
Im Heeresdienst im Lagunenfort von Choggia hatte Payer die Muße, seine Messungen und Zeichnungen auszuwerten. Sofort machte er sich an die Arbeit. Die Ergebnisse der 1864 erfolgten Aufnahmen der Adamello- und Presanellagruppe mit einer Karte im Maßstab 1:56.000 erschienen bereits 1865 im Ergänzungsheft 17 der „Geographischen Mittheilungen“ zu Gotha. Die großen Erfolge in der Adamellogruppe regten Payers Tatkraft mächtig an. Fortan richtete er seine Schwungkraft und Energie auf den Ortler. Eisern sparte er, um mit geringen Mitteln und knapp bemessener Zeit möglichst umfassend und präzise dieses Gebiet zu erschließen. Die Sommer der folgenden vier Jahre 1865 bis 1868 verbrachte er am Ortler, der Payers zweite Heimat werden sollte.
FORTSETZUNG DER ERSCHLIESSUNGSFAHRTEN 1868
Nach vierjährigen Kartierungsarbeiten im Ortlergebiet kam Payer zurück nach Welschtirol. Er plante die Fortsetzung und Ergänzung seiner Erschließungsfahrten des Jahres 1864 in der Adamello- und Presanellagruppe. Während der ganzen Unternehmung des Jahres 1868 konnte er auf die Mitwirkung von drei erfahrenen Bergsteigern aus dem Kaiserjägerregiment zurückgreifen, auf Haller, Coronna und Griesmayer. Mit diesen drei bewährten Helfern begab sich Payer vom Ortler in das Val di Genova. In Bedole nahm er zusätzlich den einheimischen Jäger Luigi Fantoma (1819–1896) aus Strembo in Dienst. Fantoma, genannt „Der König des Genovatals“ („Re di Genova“) war eine schwarze, wilde, räuberhafte Gestalt, in Gemsenfelle gehüllt. Ohne Verlegenheit kannte er jeden Berg beim Namen und behauptete, schon 23 Bären und 176 Gemsen geschossen zu haben, obwohl er bei gemeinsamen Schießübungen immer als Schlechtester abschnitt.
Es regnete im August tagelang, nur am 24. August konnte, begleitet vom ständigen Jammern des Führers Fantoma, die Besteigung des Monte Menicigolo (2685 m) in Angriff genommen werden. Als weiteren Begleiter auf den Bergtouren hatte Payer einen Hund angeschafft. Dieses Tier trug sechs paar Steigeisen auf dem Rücken, was ihm das Aussehen eines überdimensionierten Igels gab. Gegen Mittag standen sie auf dem Menicigolo. Der Ausblick vom Gipfel beeindruckt Payer sehr. Seine auch hier sehr bildhafte Schilderung zeigt die Begeisterung: „Nicht leicht kann es Örtlichkeiten geben wie im Adamellogebirge, die den dämonischen Ernst erkennen lassen, welcher in grauenhaften Wänden und plötzlichen, ungeheuren Abstürzen liegt, die Seele mächtig erfasst und den Willen stählt. Hier sucht das Auge vergeblich nach jenen sanften Hängen, hoch hinauf beweidet, und den verfallenen Felsstufen, wie sie die Schieferzone kennzeichnen. Alles rings ist starr, die Linie plötzlich gebrochen, jeder Bach ein Wasserfall; der Presanellazug bildet ein Felsmassiv von den Gipfeln bis zur Talsohle Genovas, in welches der Menicigolo in einem unübersehbaren Gewirre hinabfällt. Seine fast ununterbrochene Nordwand bildet eine 3600 Fuß hohe Felswand. Gegenüber der ungeheure, dem Madatschberg Trafois ähnliche Felsblock der Lobbia bassa, welch ein Anblick!“ Der Abstieg wurde schwieriger als der Aufstieg und gegen 17 Uhr erreichte die Gruppe die Malga Stablel. Wieder folgten drei Tage Regen und das in der kostbarsten Zeit des Jahres.
Die Lobbia Bassa zwischen Lobbiagletscher (links) und Mandrongletscher, rechts Corno Bianco und Adamello, aquarellierte Zeichnung 1864 (PGM Ergänzungsheft 17)
Nach einer Übernachtung unterhalb des Gipfels am 29. August stand Payer schon um 5.30 Uhr früh auf der Cima del Tamalé (2578 m) und bestieg tags darauf die Cima delle Rocchette (3235 m). Danach übernachteten sie in der Malga Muta und gingen am Morgen hinauf zur Malga Stablel. Ziel des Tages war der Monte Stablel, wohin der Weg nur durch mühsames Steigen über klippige Grate und über schiefe, von Abgründen scharf begrenzte Platten möglich war. Jenseits des Canalone di Matterot schien ein Weiterkommen unmöglich. In dieser Situation stieg Johann Haller mit größter Verwegenheit eine Wand empor, ließ sein Gepäck oben und half jedem Einzelnen beim Aufstieg. Haller erwies sich hier als der beste Bergsteiger der Gruppe. Um 8.30 Uhr morgens des 1. September standen sie auf dem Monte Stablel (2864 m), einem Felszahn von nur einem Quadratklafter (knapp 4 qm) Fläche. Auf diesem winzigen Plateau musste Payer mehrstündige Messungen vornehmen. Am 3. September bestieg die Gruppe morgens über die bequem zu gehende Vedretta di Lares den Crozzon di Lares (3351 m), am Nachmittag das Corno di Cavento (3401 m) und am frühen Abend um 19 Uhr den Carè Alto (3462 m). Hier fand sich ein Steinmann mit Notiz, den der englische Bergpionier John Tyndall errichtet hatte. Nach einem unerquicklichen Marsch in der Dunkelheit, vorbei an Eisspalten und Geröllhängen, konnten Payers Männer endlich kurz vor Mitternacht das Nachtmahl in der unteren Malga des Val Lares einnehmen.
Am 4. September stieg die Gruppe hinab in das Genovatal. Payer schlug hier zur Erholung im Gebüsch ein Lager auf und schickte die Jäger zur Ergänzung der Lebensmittel nach Pinzolo. Plötzlich stand der bekannte Alpinist Dr. Anton von Ruthner (1817–1897) vor ihm, begleitet von seinem alten Führer und Freund Johann Pinggera. Sie kehrten umgehend in der Malga Muta der Familie Botteri ein, wo sie zu „Rigipreisen“ bewirtet wurden. Ruthner bestieg im Anschluss daran mit Haller und Pinggera die Presanella.
Julius Payer litt unter einem Magenkatarrh, wozu nun auch noch eine Durchfallerkrankung kam, die ihn sehr schwächte. Je zwei Jäger schleppten ihn am 7. September zum Passo Lago Scuro, seilten ihn an und zogen ihn über Trümmer und Felsen, „wie man ein Schiff stromaufwärts schafft“ (Payer), auf den spitzen Gipfel des Corno Lago Scuro (3140 m). Auf gleiche Weise „schleifte man mich auf den Monte Pisgana (Rohrspitze)“ (3154 m). Auf diesem Grat, den Payer halb ohnmächtig und unter Schmerzen passierte, sollte sein Name in die alpinistische Namengebung eingehen. Südwestlich des Passo di Lago Scuro befindet sich, verbunden durch einen Grat von 300 Metern Länge, die Cima Payer (3056 m), von der aus es zum Passo Payer (2978 m) hinabgeht. Östlich unterhalb des Passo Payer liegt der Lago Scuro und südlich dieses Sees, unweit der Rifugio Mandron, das „Centro Studi Glaciologico Julius Payer“. Auf diese Weise ist das Andenken Payers noch heute im obersten Val Genova lebendig. Payers Weg führte am Abend nach Ponte di Legno, wo ein einfaches Mittel, Opium, Payers Gesundheit wiederherstellte.
Der Anmarsch für die nächste Unternehmung ging von Ponte di Legno über Prevale in das Val d`Avio. Payer und seine Begleiter übernachteten in der vorletzten Hütte des Avio, oberhalb des Lago d`Avio. Am 9. September wurde bei klarem Wetter der Monte Veneroccolo (3315 m) bestiegen. Nach 21/2-stündiger Arbeit auf der platten Kuppe ging Payer nur mit Haller und Coronna über die Vedretta Venezia zum Monte Mandron (3285 m). Um die Aufnahme des obersten Mandrongebietes abzuschließen, ging Payer in großer Eile quer über den Mandrongletscher und stand um 5 Uhr nachmittags auf dem spitzen Gipfel der Lobbia Alta (3191 m). Steil hinab über den Mandrongletscher kamen sie in Finsternis um 21 Uhr an die Mandronhütte, wo Griesmayer schon das Nachtlager und ein gebratenes Schneehuhn vorbereitet hatte.
Am 10. September stiegen Payer, Haller und Coronna