Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Aber nicht so, wäre es dem Onkel beinahe entschlüpft. Denn nach den Erzählungen des Neffen hatte er sich dessen Frau ganz anders vorgestellt – etwa wie ein sanftgurrendes Täubchen – aber keineswegs wie einen prächtigen Goldfasan.
Nun, er hütete sich, seine Überraschung laut werden zu lassen. Wollte es erst dann tun, wenn er sich mit Trutz unter vier Augen befand.
Die fünfzehnjährige Elvira hingegen, die als verzogenes Nesthäkchen nicht daran gewöhnt war, mit ihrer Meinung zurückzuhalten, platzte auch jetzt damit heraus, nachdem sie Ragnilt ungeniert gemustert hatte.
»Du, Trutz, deine Frau hab’ ich mir aber ganz anders vorgestellt – die ist ja direkt schön.«
Fast mißbilligend klang es und löste bei den anderen amüsiertes Lachen aus.
»So – nun mal Ruhe nach dem Sturm!« gebot Hermine energisch. »Nehmen wir Platz und beenden wir endlich unser Frühstück, bei dem ihr beiden Nachzügler hoffentlich mithalten werdet.«
Das taten sie denn auch mit Vergnügen, nachdem der Diener noch zwei Gedecke aufgelegt und für Nachschub gesorgt hatte. Hauptsächlich Arnold ließ es sich gut schmecken.
»Wundert euch nicht über meinen Appetit«, sagte er vergnügt. »Ich habe nämlich einen Mordshunger, weil das vor Aufregung zappelnde Gör mir zum ausgiebigen Frühstück keine Zeit ließ.«
»Als ob du weniger aufgeregt warst als ich«, schnitt Elvira eine niedliche Grimasse. »In der Beziehung haben wir uns wohl nichts vorzuwerfen, geliebter Paps.«
»So – und wer wollte noch gestern spät am Abend hier einbrechen?« zwinkerte der Vater dem Töchterlein zu. »Nur mit Mühe konnte ich dich von dem Überfall zurückhalten.
Wir haben nämlich in der naheliegenden Stadt übernachtet«, erklärte er den anderen. »Aber von schlafen kann kaum die Rede sein, weil die kleine Plaudertasche mir dazu keine Ruhe ließ. Wie ein aufgeregtes Äffchen hockte sie auf meinem Bett und fragte mir die Seele aus dem Leib. Mit Gewalt mußte ich sie in ihr Zimmer zerren, und kaum, daß ich eingeschlafen war, stand sie schon wieder vor mir und hetzte zum Aufbruch. Am liebsten hätte ich dem niedlichen Störenfried das rosige Fellchen versohlt.«
»Na, Paps, du übertreibst aber!« bemerkte die allerliebste Kleine in einem tadellosen Deutsch, das jedoch die Ausländerin nicht ganz verleugnen konnte. Es verlieh dem Persönchen noch einen ganz besonderen Reiz, das ohnehin schon apart wirkte.
»Warum soll ich da wohl übertrieben haben, du Fratz«, verwahrte sich der Vater gegen die Beschuldigung. »Hab’ ich nun in der Nacht kaum geschlafen oder nicht?«
»Das ›kaum‹ waren immerhin gute acht Stunden, geliebtes Papsileinchen.«
»Mußt du aber eine komische Uhr haben. Na, kurz die Rede, lang der Sinn, ich freue mich doch mächtig, hier zu sein, was eigentlich erst im Herbst geschehen sollte. Aber das kleine Balg da hat mich so getriezt, daß ich es über bekam und mich mittriezen ließ.«
»Das Vernünftigste, was du tun konntest«, bemerkte Trutz, dem man es direkt ansah, wie sehr ihn der Besuch freute. »Wie geht’s zu Hause, wann heiratet Richard?«
»Ist bereits geschehen, mein Sohn«, kam die Antwort schmunzelnd. »Sonst hätte ich mich trotz Elvis Triezo dennoch nicht entschlossen, die lange Reise anzutreten, ohne vorher mein Haus bestellt zu haben. Nun, das ist jetzt geschehen. Die Jungen sind in ihren Ehen und auf ihrem Besitz gut untergebracht, und die Kleine, für die ich ja noch geradestehen muß, hab’ ich bei mir. Hoffentlich wird sie euch nicht auf die Nerven fallen.«
»Wieso das?« fragte Hermine verständnislos.
»Weil sie sich nicht zu benehmen versteht. Wenigstens nicht so, wie es in euerm wohlgesitteten Kreis üblich ist.«
»Na hör mal, Onkel Arnold, jetzt übertreibst du aber wirklich«, nahm Trutz die kleine Base in Schutz. »Du tust ja so, als ob Elvi sich wie eine Wilde gebärdet.«
»Ist aber auch wirklich wahr«, schmollte die Kleine. »Wenn dir mein Benehmen auf die Nerven fällt, Paps, nun, es war ja in deine Hand gegeben, mich besser zu erziehen.«
»Siehst du, da hast’s«, lachte Hermine gleich den anderen. »Ja, ja, mein lieber Arnold, es wird einem oft ein Spiegel vorgehalten, in den man verblüfft schaut – wie es augenblicklich bei dir der Fall ist.«
»Na, so ein patziges Gör!« brummte er halb lachend, halb ärgerlich. »Das ist nun der Dank für all die Liebe, in die man es förmlich einhüllte.«
Weiter kam er nicht, weil eine kleine Hand nach der seinen griff und die weiche Wange daran schmiegte. Daran schon allein konnte man ersehen, daß Elvira zwar ein verzogenes, aber liebenswertes Menschenkind war, das ihnen gewiß nicht auf die Nerven fallen würde.
*
Arnold von Reichwart hatte es in seinem Leben zu etwas gebracht, wie man so sagt. Denn er besaß riesige Ländereien in Kanada, wohin er in jungen Jahren auswanderte. Aber nicht etwa, weil er etwas auf dem Kerbholz hatte und von der Sippe abgeschoben wurde, wie es in damaliger Zeit nicht selten geschah, sondern weil ein Onkel ihn zu seinem Universalerben eingesetzt hatte.
Diese Erbschaft konnte Arnold nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Einem lachenden, weil sie dem nicht sehr bemittelten Offizier zu eigenem Besitz verhalf, einem weinenden, weil er nicht nur den geliebten bunten Rock ausziehen, sondern sogar noch außer Landes gehen sollte. Als die Braut sich jedoch sofort dazu bereit erklärte, mit ihm zu gehen, da fiel der Entschluß schon bedeutend leichter, den er dann aber bereute, als er sein Besitztum in Augenschein nahm, das für die dortigen Verhältnisse nur klein und außerdem verwahrlost war. Er würde Jahrzehnte nötig haben, um alles in Schwung zu bringen. Und zwar mit beschränkten Mitteln; denn Geld hatte der Onkel nur wenig hinterlassen.
Wenn es nach Arnold gegangen, hätte er alles in Bausch und Bogen verkauft, das Geld dafür eingesteckt und wäre in die Heimat zurückgekehrt. Aber da hatte der Erblasser, der das wohl geahnt, einen festen Riegel vorgeschoben, nämlich: Entweder bewirtschaftete der Erbe den Besitz wenigstens zehn Jahre lang, oder er ging des Erbes verlustig, und das wollte Arnold wiederum auch nicht. Also hieß es für ihn: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Außer diesem gab es auch einen Menschen, der dem Neuling mit Rat und Tat zur Seite stand. Und zwar sein Nachbar, sofern man in dem weiten Land überhaupt von Nachbarschaft sprechen konnte. Doch seitdem es Kraftfahrzeuge gibt, ist die Entfernung ja kein Problem mehr.
Arnold lernte diesen Nachbarn im Klub kennen, wohin er sich wandte, um Fühlung zu gewinnen – und die gewann er mit Scharflehner sofort. Er war als junger Bursche ausgewandert und hatte sich im Laufe der Jahrzehnte durch eisernen Fleiß so emporgearbeitet, daß er zu einer der reichsten und angesehensten Persönlichkeiten weit und breit gehörte.
»Sehen Sie, mein junger Freund, man kann hier schon einen Blumentopf gewinnen, wie es so schön heißt«, sprach er dem um zwanzig Jahre jüngeren Mut zu. »Natürlich darf man sich da nicht auf die faule Haut legen, sondern muß arbeiten. Sie finden hier wenigstens etwas vor, aber ich mußte mir selbst das Etwas erst schaffen. Also müßte es mit dem Deubel zugehen, wenn Sie sich nicht früher hochrappeln sollten, als es bei mir der Fall war. Was an mir liegt, Ihnen da beizustehen, das soll geschehen.«
Daß es keine bloße Phrase war, sollte die Erfahrung lehren; denn der erfahrene Scharflehner wurde dem Neuling