Das Wechselspiel von Köln. Franziska Franke
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Wollte er meinen Bruder endgültig auf die schiefe Bahn bringen? Hatte der Decurio den Geldverleih seines Mordopfers übernommen? Jedenfalls bewies sein Ablenkungsmanöver, dass ich mit meiner letzten Frage einen wunden Punkt berührt hatte.
»Ich wüsste nicht, was ich lieber täte!«, entfuhr es meinem Bruder begeistert.
»Nimm dir ein Beispiel an Probus Marcellus. Ihm wäre niemals in den Sinn gekommen, den Circus zu besuchen«, behauptete ich, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
Das Gesicht des Decurio verzog sich zu einem ungläubigen Lächeln.
»Da hast du ihn aber schlecht gekannt. Er war Stammgast im Circus.« Er senkte seine Stimme wie ein Verschwörer, der ein Staatsgeheimnis verrät. »Ganz im Vertrauen gesagt, hatte ich manchmal den Eindruck, dass er mich nur wegen der Pferderennen besuchte. Ich habe das vorhin verschwiegen, weil man über Tote nichts Schlechtes sagen soll.«
»Aber nicht zum Vergnügen«, erklärte ich. »Er hat zugesehen, wie sich die Wettsüchtigen ruiniert haben und ihnen dann Kredite angedreht.«
Bald würden mir die Argumente ausgehen.
»Ich kann nur wiederholen, dass du ihn schlecht gekannt hast! Er hat leidenschaftlich gern auf die Pferde gewettet«, verkündete der Hausherr aufgeräumt. »Doch er war in guter Gesellschaft! Unser vergöttlichter Kaiser Augustus war so versessen auf das Würfelspiel, dass er seinen Gästen Geld zum Spielen zur Verfügung gestellt hat.«
»Schade, dass er schon seit Jahrzehnten tot ist«, entfuhr es Lucius.
»Unsereins hätte er sowieso nicht eingeladen«, wies ich ihn zurecht, aber niemand achtete auf mich.
»Ihr habt Glück! Morgen findet ein Rennen statt.« Die bloße Vorstellung schien den Decurio in Euphorie zu versetzen. War sein Haushalt so wenig standesgemäß, weil er sein Geld verspielte?
»Da ihr nur zwei Tage in Agrippina bleibt, solltet ihr lieber den Marstempel besuchen. Dort wird das Schwert Caesars aufbewahrt«, wandte die Hausherrin ein.
Junius Petronius ging nicht auf diesen Vorschlag ein, sondern vereinbarte über meinen Kopf hinweg mit Lucius einen Besuch der Arena.
Verblüffend schnell trugen die Diener die noch reichlich gefüllten Platten ab und bestreuten den Boden mit Sägemehl. Die Speisen mussten wohl noch für die Dienerschaft reichen. Hätte ich das geahnt, so hätte ich kräftiger zugelangt. Wie es dem Brauch entsprach, opferte der Decurio nach dem Ende des Hauptgangs den Laren Wein und mit Safran gefärbten Kuchen, der köstlicher roch als das Backwerk, das man uns danach als Dessert auftischte.
Die Hausherrin, deren sehnsüchtige Blicke auf die Wasseruhr keinen Zweifel daran ließen, wie lästig wir ihr waren, stand auf, kaum dass die Nachspeise vertilgt war.
»Zu Ehren der Gäste werde ich ein Trinkgelage veranstalten!«, gab unser Gastgeber bekannt.
Seine Gattin, die schon in der Tür stand, drehte sich nochmals um und warf ihm einen giftigen Blick zu.
Auch ich war alles andere als begeistert. Normalerweise musste man mich nicht zweimal zu einem Becher Wein einladen. Doch an diesem Abend hatte ich vorgehabt, möglichst unauffällig mit den Dienstboten zu sprechen. Hatte der Hausherr vor, mich davon abzuhalten? Wollte er uns betrunken machen, damit wir wehrlos waren? Oder wollte er uns aushorchen?
Der Decurio klatschte in die Hände und ein Diener trug einen schweren Weinkrug herein, aus dem er unsere Becher bis zum Rand füllte. Dann tranken wir auf den Kaiser, auf sämtliche Götter und die Lokalgrößen von Agrippina. Der restliche Abend verging mit oberflächlicher Konversation, dem Leeren zahlreicher Weinschalen und immer absurderen Trinksprüchen. Vielleicht hätte ich mich zurückhalten sollen, aber ich hatte schließlich, was den Weinkonsum betraf, einen gewissen Ruf zu verteidigen. Dann kam endlich der langersehnte Augenblick, an dem die Tafel aufgehoben wurde.
»Mein Kammerdiener wird euch die Gästezimmer zeigen«, lallte der Hausherr, nachdem ich mich schwankend und vom Alkohol benebelt von meiner Liege erhoben hatte. Lucius hielt sich etwas aufrechter als ich. Das lag an seinem regelmäßigen Training. Noch immer beunruhigte mich die Aussicht, im Haus eines potentiellen Mörders zu übernachten. Wenn wir zusammenblieben, waren wir bestimmt sicherer.
»Wir möchten keine unnötige Mühe machen. Ein Zimmer für uns beide genügt«, erklärte ich daher.
»Das kommt gar nicht in Frage!«, widersprach der Decurio entschieden und wünschte uns dann etwas pompös eine gute Nacht.
»Wenn die Herrschaften mir folgen wollen!«
Der Sklave, der uns empfangen hatte, machte eine einladende Handbewegung. Ich schrak zusammen, denn ich hatte ihn nicht kommen sehen, was wohl am übermäßigen Weingenuss lag.
Die Füße des Dieners bewegten sich lautlos über den Boden, als er durch einen engen Korridor schritt und endlich vor zwei winzigen fensterlosen Kammern stehen blieb, deren Türen er aufriss. Die ockergelben Wände der Räume waren mit kleinen, schwarz umrahmten ländlichen Darstellungen geschmückt, die man aber im flackernden Schein des Öllämpchens kaum erkennen konnte. Die meisten Schlafzimmer besaßen keine Fenster, um die Schlummernden vor dem Straßenlärm zu schützen. Doch in diesem Augenblick kamen mir die Räume wie tödliche Fallen vor.
Mir blieb keine Zeit, den Diener nach den jüngsten Vorfällen im Haus zu fragen, denn er huschte sofort wieder davon. Während ich ihm noch nachschaute, hatte mein Bruder bereits den ersten Raum betreten.
»Das war ein jämmerliches Bankett!«, erklärte er und warf sein Bündel auf das Bett, das in einer Nische stand. Dann ließ er sich selbst auf das Lager fallen. »Keine Musikanten, keine Sängerinnen, noch nicht einmal eine Tänzerin.«
»Du kennst dich ja gut aus«, bemerkte ich und lehnte mich an den Türrahmen, da der Boden schwankte. »Auf künstlerische Darbietungen konnte ich gut verzichten, aber diesen zähen Vogel hätte ich keinem Gast vorzusetzen gewagt. Eigentlich war es auch kein richtiges Bankett, denn ein solches besteht aus mindestens sieben Gängen.«
»Dein Geschmack ist wohl doch nicht völlig romanisiert!«, entgegnete Lucius amüsiert. »Kranich und Pfau gelten bei den Männern vom Tiber als Delikatesse.«
»Und ich dachte, der Decurio hätte den Vogel am sumpfigen Rheinufer gefangen«, brummte ich. »Schade, dass wir keinen eigenen Sklaven mitgebracht haben. Wir hätten ihn vor der Tür schlafen lassen können.«
»Ich für meinen Teil besitze keinen Sklaven.«
Ich verbiss mir die Erwiderung, dass niemand Lucius geheißen hatte, zur Armee zu gehen, und begann, mein Bettgestell aus der zweiten Kammer in den Raum zu schleifen, den Lucius in Beschlag genommen hatte.
Zum Glück handelte es sich nicht um ein repräsentatives Bett mit drei Lehnen, sondern um ein niedriges, liegenartiges Möbel. Sonst hätte ich es weder wegzerren noch in der engen Kammer unterbringen können.
»Das Hauspersonal wird sich wundern«, bemerkte mein Bruder, der mich auf der Bettkante sitzend beobachtete und keine Anstalten machte, mir zu helfen.
Ohne seine lästerliche Bemerkung zu kommentieren, verrammelte ich nach vollbrachter Tat die Tür mit einer Truhe, was leider nicht ganz geräuschlos vonstatten ging. Trotz der kühlen Nachtluft geriet ich dabei ins Schwitzen. Mit dem Ärmel meiner Tunika wischte ich