Das Wechselspiel von Köln. Franziska Franke
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»Auch Mörder haben Freunde, Mütter, Tanten und Nachbarn!«
»Der Lagerkommandant würde uns wohl kaum bei Junius Petronius übernachten lassen, wenn er ihn für einen Mörder halten würde! Und vergiss nicht, wir sind schließlich zu zweit!«
Das war genau das, was mich beunruhigte!
»Du hast wohl noch nie etwas von vergifteter Rehpastete gehört oder von kerngesunden Menschen, die im Schlaf einen Herzschlag erleiden?«
»Ich hörte eher von Legionären, die von den Barbaren erschlagen werden.« Lucius warf mir einen belustigten Blick zu. »Wo würdest du denn lieber schlafen. In einer übel beleumundeten Taverne oder unter einer Brücke?«
»Im Legionslager, dort sind wir sicher.«
»Ich bin froh, endlich aus dem Lager herauszukommen. Falls er ein Mörder ist, was ich bezweifle, kann Junius Petronius keinen weiteren Todesfall in seinem Haus gebrauchen!«
Der Vorsteher der Schreibstuben – ein vertrocknetes, dünnes Männlein mit langem Hals und sich lichtendem Haar – trat ein und ich verabschiedete mich von Lucius. Erstens wollte ich ihm keine Schwierigkeiten bereiten und zweitens ließ der Blick des Offiziers keinen Zweifel daran, dass er niemanden in den Amtsräumen anzutreffen wünschte, den er nicht herumkommandieren durfte.
Kapitel 2: Die Bankierswitwe
Reglos wie eine Statue stand Cicero neben dem Eingang der Principia. Bei seinem Anblick realisierte ich erschrocken, dass ich meinen Leibsklaven vor Aufregung völlig vergessen hatte.
»Ich fahre für ein paar Tage nach CACA. Während dieser Zeit musst du im Haus nach dem Rechten sehen«, informierte ich ihn und bedeutete ihm, mir zu folgen.
»Nach Colonia Claudia Ara Agrippinensium?«, fragte er mich korrigierend zurück und ich nickte.
Manchmal erinnerte mich Cicero an die Sklaven in den Komödien, die intelligenter als ihre Herren waren. Deshalb hatte ich ihn auf den Namen des großen Rhetorikers getauft. »Ich lasse mir vorher noch schnell von Tiberius die Haare schneiden. Falls dort die Dienstboten der anderen Kunden herumlungern sollten, versuch doch bitte, sie in ein Gespräch über den verstorbenen Bankier Probus Marcellus und seine Witwe zu verwickeln.«
Cicero fragte sich nun sicherlich, ob ich einen Kredit benötigte, der reichen Witwe den Hof machen wollte oder ob beides zutraf. Aber ich tat dem neugierigen Burschen nicht den Gefallen, meinen Auftrag zu erklären.
Nachdem wir das Haupttor des Lagers durchschritten hatten, kam uns ein Bauer entgegen, der einen mit zwei Körben beladenen Esel vor sich hertrieb. Offenbar war sein Ziel das Legionslager und ich ärgerte mich, dass mein Landgut der Armee zwar Getreide und Gemüse lieferte, aber man meinen Wein verschmähte. Dabei war er mein ganzer Stolz. Immerhin war ich früher Weinhändler gewesen und verstand etwas von der Materie. Wahrscheinlich war er den knauserigen Militärbeamten schlicht zu teuer.
Verstimmt wie ich war, gelang es mir nicht einmal, die wärmenden Strahlen der Sonne zu genießen, die sich durch die Wolkendecke gekämpft hatten. Auch für die grandiose Aussicht auf Mogontiacum und den Rhein, der als breites, silbrig glänzendes Band die Siedlung begrenzte, war ich unempfänglich. Auf dem anderen Ufer zogen dichte Wälder die Hänge hoch, hinter denen die Barbaren wohnten.
Als wir den Hauptplatz der Zivilsiedlung erreichten, blieb ich verblüfft stehen: Zwei der Händler verjagten schimpfend einen Straßenköter, der versucht hatte, eine der im Eingang eines Metzgergeschäftes hängenden geräucherten Würste zu ergattern, nebenan gackerten mindestens zehn Hühner in geflochtenen Transportkörben und gegenüber pries ein Bäcker seine Ware an. Aber diese Geräusche wurden noch übertönt vom ohrenbetäubenden Hämmern eines Kupferschmieds, der wegen des schönen Wetters sein Gewerbe im Freien ausübte. In der ländlichen Abgeschiedenheit war mir schon fast entfallen, wie viel Trubel an einem ganz gewöhnlichen Tag auf dem Forum herrschte.
»Sei gegrüßt, Marcus! Dich habe ich ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen!«, begrüßte mich der Barbier, als ich dessen Laden unter den Kolonnaden des Forums betrat. Seit unserer letzten Begegnung war Tiberius noch fetter geworden. »Kein Wunder, dass dein Haar so ungepflegt ist! Du brauchst dringend einen neuen Haarschnitt!«
Das war eine unverfrorene Lüge, denn ich besaß einen als Barbier ausgebildeten Sklaven, der sich meiner Frisur annahm. Leider würde Cicero seinen Auftrag nicht ausführen können, da ich der einzige Kunde war. Enttäuscht ließ ich mich auf den Barbierstuhl fallen. Der Lärm des Forums drang durch die offene Tür. Topfgeklapper und Gelächter mischten sich mit dem Jauchzen spielender Kinder, aber glücklicherweise hatte der Kupferschmied eine Pause eingelegt.
»Nur Haare schneiden, bitte!«, instruierte ich Tiberius, denn bei meiner letzten Rasur hatte er mich in die Wange geschnitten.
»Wie geht es eigentlich deinem Bruder?«
Die massige Gestalt des Barbiers schob sich mit der Grazie eines tänzelnden Nilpferds durch den engen Raum. Dabei bedachte er Cicero, dessen Haar kurzgeschoren war, mit einem finsteren Seitenblick.
»Schlechten Leuten geht es immer gut«, brummte ich, noch immer über den Schuldschein erbost, mit dem der Legat mich erpresst hatte. »Er hat sich mit Cornelia, einer Freigelassenen seines ehemaligen Patrons, verlobt.«
»Wenn das mal gut geht«, meinte der Barbier, während er seine Schere zückte. Dann begann er, meine ohnehin schon recht kurzen Haare noch kürzer zu stutzen. »Schließlich war Cornelia früher die Braut des Jucundus und zu allem Überfluss ist Lucius bei der Armee. Kann er denn überhaupt eine Frau ernähren?«
»Wem sagst du das!«, seufzte ich und unterbrach damit Tiberius, der noch immer über die Verbindung zwischen meinem Bruder und Cornelia sinnierte. »Hast du schon gehört, dass der Bankier Probus Marcellus gestorben ist?«
»Nein! Das ist ja schrecklich!«
Fast hätte der Barbier mich vor Überraschung ins Ohr geschnitten.
»Damit musste man rechnen. Er war schließlich nicht mehr der Jüngste«, erklärte ich aufs Geratewohl.
Der Barbier starrte mich entgeistert an, fuchtelte aber weiterhin mit der Schere vor meiner Nase herum.
»Ich glaube, du verwechselst ihn mit jemand anderem«, meinte Tiberius dann in besserwisserischem Tonfall. »Probus Marcellus war höchstens Mitte dreißig.«
Ich hatte auf ein höheres Lebensalter gehofft. Nun konnte ich unmöglich dem Lagerkommandanten gegenüber behaupten, der Bankier sei an Altersschwäche gestorben!
»War es ein Unfall?«, fragte Tiberius mit unverhohlener Sensationsgier.
»Nein, es war ein heftiges Fieber. Selbst der Arzt wusste nicht, wie die Krankheit hieß.«
Der Barbier trat einen Schritt zurück und begutachtete meine Frisur mit kritischer Miene.
»Ich habe den Eindruck, du ziehst das Unglück geradezu an. Jedes Mal, wenn ich mit dir rede, gab es einen Todesfall in deiner näheren Umgebung.«
Fast wäre ich aufgesprungen und hätte den Barbier in seine Schranken gewiesen, aber ich beherrschte mich, denn ich würde ihn sicherlich auch in Zukunft als Informationsquelle benötigen. Also atmete ich tief durch,