Das Wechselspiel von Köln. Franziska Franke
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Meine Schuhe versanken im Gras, meine Füße waren schon ganz nass und ich bewunderte den Kapuzenmantel des neben mir schreitenden Mädchens. Wenn sie wüsste, wie ich sie in diesem Moment um das barbarische Kleidungsstück beneidete! Leider hatte ich es versäumt, mir einen Mantel überzuwerfen, und meine durchweichte Tunika klebte mir längst am Körper.
Ganz plötzlich erinnerte ich mich, wieso mir der Name des Bankiers bekannt vorgekommen war: Ich hatte neulich an einer Hauswand folgende Inschrift gelesen: Am 2. Januar einen Kapuzenmantel bei Probus Marcellus hinterlegt. Für 1 Denar und 2 As nahm er 1 As Zinsen. Hoffentlich hatte der arme Schuldner sein Kleidungsstück inzwischen auslösen können!
»Schön, dass du gekommen bist …« Ich stockte kurz. »Leider hat man mir deinen vollständigen Namen nicht mitgeteilt, daher ...«
»Nenn mich einfach Pina, das genügt«, unterbrach sie mein Gestammel. Ihr ruhiger Blick begegnete dem meinen, ohne auszuweichen. Ob Julia Marcella mit dieser privaten Anrede einverstanden wäre? Wusste sie überhaupt, dass Pina sich mit einem fremden Mann am Stadtrand herumtrieb? Sicherlich würde sie sich später über den Zustand des Mantels und der feinen Wildlederschuhe ihrer kleinen Schwester wundern! Wieder bedauerte ich, einer spontanen Eingebung folgend, diesen abwegigen Treffpunkt gewählt zu haben.
»Schön, dass du trotz des Nebels gekommen bist, Pina«, machte ich einen neuen Anlauf. »Ich hatte gestern den Eindruck, dass deine Schwester etwas vor mir zu verbergen suchte …«
»Ach, deshalb wolltest du mit mir reden. Ich dachte …«
Das Mädchen biss sich auf die Lippen und schaute dann auf den Boden, wo vor ihren Füßen ein Regenwurm durch den Matsch glitt. Ich weigerte mich innerlich, den Satz im Geiste zu ergänzen, sondern versuchte stur meine Untersuchung voranzutreiben.
»Niemand beschuldigt euch, etwas Unrechtes getan zu haben. Schließlich ist Probus Marcellus nicht in Mogontiacum gestorben«, beteuerte ich, mehr um das peinliche Schweigen zu beenden, als dass ich vom Wahrheitsgehalt meiner Worte überzeugt gewesen wäre.
»Das hat sich gestern aber ganz anders angehört.«
Ich atmete beruhigt auf, weil Pina sich auf das Thema einließ.
»Um ehrlich zu sein, interessieren mich eure Familienangelegenheiten nicht im Mindesten, aber der Legat hat mir die Sache aufgenötigt. Er hat mich mit den Schulden erpresst, die mein Bruder bei deinem Stiefvater …«
»Meinem Schwager«, verbesserte sie.
Dieses Wort erschien mir angesichts des großen Altersunterschieds zwischen den beiden Schwestern unpassend.
»Wie dem auch sei! Ich soll den Tod des Probus Marcellus aufklären. Und das auch noch so diskret wie möglich!«, fügte ich erbost hinzu. »Was ist während der letzten Tage seines Lebens vorgefallen? Jede Einzelheit kann wichtig sein. Auch wenn du ihr keine Bedeutung beigemessen hast.«
»Das Einzige, was ich weiß, ist, dass Probus tot ist«, erklärte das Mädchen mit trotzig angehobenem Kinn. »Nachdem uns die schreckliche Nachricht erreichte, haben alle im Haus he-rumgetuschelt. Wenn ich nachgefragt habe, hieß es, ich sei noch zu jung, um es zu verstehen.« In diesem Augenblick wirkte sie tatsächlich sehr kindlich. »Eine Woche nach dem Tod meines Schwagers wurde seine Urne nach Mogontiacum überführt und an der Gräberstraße beigesetzt. Danach hat niemand mehr über Probus gesprochen.«
»Du mochtest ihn nicht?«
»Meine Schwester hat ihn geheiratet, nicht ich.«
»Du hast in einem Haus mit ihm zusammengelebt! Also wirst du dir eine Meinung über deinen Schwager gebildet haben. Fang am besten mit seinem Äußeren an!«
Pina zuckte mit den Schultern. Dann warf sie mir einen kämpferischen Blick zu.
»Wenn du es unbedingt wissen willst: Ich konnte ihn nicht ausstehen. Er war ein gutaussehender Mann mit kastanienbraunem Haar und treuen blauen Augen, der aussah, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Trotzdem hat er allen Frauen nachgestellt. Nur mich hat er nicht beachtet.«
Fast hätte ich über den eingeschnappten Tonfall gelacht. Leider brachte jedoch die Charakteresierung meine ganzen Theorien durcheinander. Bisher hatte ich mir den Bankier als hässlichen Fettwanst mit Halbglatze vorgestellt, den Julia Marcella seines Geldes wegen geheiratet hatte.
»Das wäre auch noch schöner gewesen«, stellte ich belustigt fest, bevor ich die gesamte Tragweite von Pinas Worten begriff. »Deine Schwester hat ihn geliebt?«, entfuhr es mir überrascht.
»Am Anfang schon, aber die Enttäuschung ist schnell gekommen. Allein diese ständigen Reisen, bei denen er sie nicht mitgenommen hat! Vermutlich hatte er es nur auf ihr Geld abgesehen. Wir sind nämlich die Töchter eines reichen Bauunternehmers.«
Vielleicht ist es gut, dass er tot ist, dachte ich und erschrak im gleichen Augenblick über diesen ketzerischen Gedanken. Langsam bekam das unscharfe Bild des Verstorbenen Konturen, aber es fehlte noch ein Detail.
»War Probus Marcellus Gallier wie deine Schwester und du?«
Pina sah mich verblüfft an.
»Nein, seine Familie kam aus Sirmium.«
Ausgerechnet aus dem Geburtsort des für seine erotischen Gedichte bekannten Catullus! Was um der Götter Willen sollte ich daraus folgern? Ich verschob diese Überlegung auf den nächsten Tag, da mir noch eine Frage am Herzen lag.
»Wahrscheinlich hältst du es für unverschämt, wenn ich dich nach dem Aufbewahrungsort der Schuldscheine frage.«
»In der Tat!« Trotz dieser harschen Worte klang Pinas Stimme inzwischen sanfter. »Es waren manchmal riesige Stöße. Gibt es eigentlich einen Römer, der keine Schulden hat?«
Ich kannte jedenfalls keinen, außer mir selbst natürlich. Aber als Schwägerin eines Geldverleihers sollte sie sich eigentlich darüber freuen.
»Mein Bruder bildet jedenfalls keine Ausnahme«, seufzte ich. »Daher konnte der Legat mich erpressen.«
»Vielleicht hat er das nur behauptet. Schließlich hat dein Bruder einen ziemlich schlechten Ruf.«
Sie kannte Lucius? Oder hatte sie nur Schreckliches über ihn gehört? Jedenfalls war es bedauerlich, dass sie in einem derart abfälligen Tonfall von ihm sprach, denn Pina wäre mir als Schwägerin lieber gewesen als die kapriziöse Cornelia.
»Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!«, protestierte ich lautstark. »Ein lügender römischer Offizier ist einfach undenkbar!«
Ein ungläubiges Lächeln huschte über Pinas sommersprossiges Gesicht.
»Was machst du eigentlich, wenn du nicht gerade Frauen indiskrete Fragen stellst?« Sie musterte mich von meinem nassen Haar bis zu den schmutzigen Schuhen. »Du siehst jedenfalls nicht wie ein Soldat aus.«
»Nein, ich bin Gutsbesitzer.«
Mit großem Gepolter kam hinter uns ein Fuhrwerk zum Stehen. Trotz der Umsicht des Maultiertreibers spritzte es uns nass. Pina machte einen Ausfallschritt, ich fuhr zurück und wäre dabei fast im Straßengraben gelandet.
»Habt