Befehle von oben. Franz Taut

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Befehle von oben - Franz Taut Zeitzeugen

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lag, jenseits des Don, den wir preisgegeben hatten. Schon zu diesem Zeitpunkt stand für mich fest, dass der Russe die Initiative ergriffen hatte, wenn er zunächst auch seine Trümpfe nur zögernd ausspielte, vielleicht weil er es noch nicht gewohnt war, zu siegen.

      Wir marschierten, ohne anzuhalten, den ganzen Tag. Unser kleiner Tross, dem sich Unteroffizier Kurz mit seinem Panzer angeschlossen hatte, befand sich mit einigem Vorsprung voraus. Erst am Abend, als wir das von Oberst Kern befohlene Ziel erreichten, einen Kolchos, der bei den Kämpfen im Frühherbst halb zerstört worden war, trafen wir mit ihnen zusammen. Sie hatten unterwegs alles Mögliche aufgeladen, was andere als überflüssigen Ballast weggeworfen hatten.

      Unser Melder, der beim Stab des Obersten geblieben war, holte mich zur Offiziersbesprechung, die im längst verlassenen Wohnhaus des Kolchosverwalters anberaumt war.

      Die Stube, in der sich ein Dutzend Offiziere, darunter Rittmeister Graf Lerchenau, Hauptmann Spengler und Leutnant Göbel, um Oberst Kern drängte, war geheizt. Ich legte den Mantel und den Kopfschützer ab und rieb mir beim Ofen die frostklammen Hände, nachdem ich mich gemeldet hatte.

      Der Oberst verteilte mehrere Packungen Zigaretten und forderte jeden von uns auf, sich zu bedienen. »Meine Herren«, begann er mit seiner tiefen, rauen Stimme, die buschigen grauen Augenbrauen finster zusammengezogen, »was heute am Don geschehen ist, war durchaus programmwidrig, aber unvermeidlich. Wir hätten mit dem, was uns zur Verfügung stand, den Donübergang nicht halten können. Wichtiger erscheint es mir zur Stunde, der Armee für die bevorstehende Aufgabe möglichst viel Kampfkraft zuzuführen. Mit Lumpenzeug lässt sich kein Durchbruch erzwingen. Und um einen Durchbruch wird es sich handeln, meine Herren, da der Russe seinen Riegel zweifellos mit allem, was er heranschaffen kann, verstärken wird. Der Gedanke der Armeeführung, alles auf engem Raum zusammenzuziehen, anstatt ihre Schlagkraft in Einzelaktionen zu verzetteln, war wohl bei Betrachtung der Gesamtlage die einzig richtige Folgerung. Einige von Ihnen, meine Herren, sind bei mir vorstellig geworden, und ich kann Ihren Wunsch begreifen, sich Ihren Verbänden wieder einzugliedern. Aber zu meinem Bedauern kann ich solchen Wünschen nicht stattgeben. Aufgrund der Vollmachten, die mir die Armee erteilt hat, habe ich die Befugnis, alle geeigneten Einheiten zu einer Kampfgruppe zusammenzufassen, die in nächster Zeit ihre Befehle direkt vom Armeeoberkommando empfangen wird. Die Lage ist außergewöhnlich und erfordert besondere Maßnahmen. Ich denke, wir verstehen uns.«

      »Nicht ganz, Herr Oberst«, warf Rittmeister von Lerchenau ein. »Ich habe mit meiner Abteilung Befehle auszuführen, die ich von meiner Division erhalten habe. Ich bin von Herrn Oberst angehalten worden und muss jetzt nach dem Zeitverlust, der mir bereits entstanden ist, darauf bestehen, unverzüglich mit meiner Division Verbindung aufzunehmen.«

      »Wissen Sie, wo Ihre Division steht?«, fragte Oberst Kern.

      »Nein, aber das lässt sich in Erfahrung bringen«, versetzte der Rittmeister und klemmte ein Monokel vors rechte Auge.

      Der Oberst lachte trocken auf.

      »Sie verkennen die Lage, mein Bester.«

      »Absolut nicht, Herr Oberst«, entgegnete der Rittmeister in gereiztem Ton. »Die Führung hat das, was jetzt eingetreten ist, selbst verschuldet. Ich weigere mich, meine Abteilung, die im Divisionsverband wichtige Aufgaben zu erfüllen hat, in einer willkürlich zusammengewürfelten so genannten Kampfgruppe verheizen zu lassen.«

      Das vom Frost gerötete, zerfurchte Gesicht des Obersten blieb unbewegt. Nur in den schmal gekniffenen hellen Augen glimmte ein Ausdruck zorniger Entrüstung auf. Ich erwartete, dass sich ein Donnerwetter über dem Haupt des Rittmeisters entladen würde. Doch völlig ruhig sagte Oberst Kern: »Sie kennen meine Befehle, Rittmeister Graf Lerchenau. Ich erwarte, dass sie ausgeführt werden. Kritik ist unangebracht und würdelos. Wir haben uns mit dem abzufinden, was über die Armee hereingebrochen ist. Auch Sie, Herr Rittmeister. Unsere Aufgabe ist es nicht, Schuldige zu suchen! Ich hoffe, Sie haben mich jetzt verstanden.«

      Der Rittmeister verneigte sich stumm, nahm sein Einglas ab und zündete sich eine Zigarette an. Im Stillen musste ich ihm Recht geben. Die in Notzeiten aufgestellten Kampfgruppen hatten häufig einen recht zweifelhaften Wert und wurden nicht selten schon beim ersten Einsatz aufgerieben. Aber Oberst Kern wusste sicherlich mehr als wir und machte im Übrigen nicht den Eindruck eines sturen Befehlsempfängers. Ich bedauerte ihn, ohne mir recht darüber klar zu sein, weshalb.

      Wir kehrten zu unseren Einheiten zurück, die sich in den noch stehenden Gebäuden des Kolchos für die Nacht eingerichtet hatten.

      Feldwebel Stamm reichte mir ein Kochgeschirr mit einer dünnen Suppe, die er bei der Feldküche für mich gefasst hatte.

      Die Männer schliefen schon, in Mäntel und Decken gewickelt, auf dem zerlegenen Stroh, das in dünner Schicht auf dem Betonfußboden des lang gestreckten zweistöckigen Kornspeichers ausgebreitet war. Staubfeiner Schnee wehte durch die Fensterhöhlen in den Raum. Die erschöpften Soldaten schienen jedoch die Kälte nicht zu spüren.

      Beim matten Schein eines Hindenburglichtes löffelte ich meine wässrige Suppe.

      »Wie sieht’s aus, Herr Leutnant?«, fragte Feldwebel Stamm, nachdem er mich eine Weile schweigend betrachtet hatte.

      »Bestens«, sagte ich. »Wir gehen zurück, damit wir dann zum Vorgehen mehr Platz haben.«

      »Meinen Sie wirklich, dass es so ist?«, fragte Stamm. Ich suchte eine glaubhaft klingende Antwort. Plötzlich gaben die draußen postierten Wachen Alarm, und Sekunden später setzte ein wilder Feuerzauber ein.

      Ich schickte zwei Mann zur Erkundung hinaus. Es konnte auch blinder Alarm sein. Wie oft wurde die Front durch einen unter seiner Schneelast brechenden Ast, einen schleichenden Fuchs oder den Hufschlag eines im Niemandsland geisternden Pferdes geweckt. Aber diesmal hatten die Posten sich nicht getäuscht. Das Mahlen von Panzerketten und Motorengeheul übertönte den Lärm der Infanteriewaffen. Schon krachten die Abschüsse von Panzerkanonen, eine Vierlingsflak hämmerte, Granaten schlugen donnernd ein, und dazwischen gellten Schreie von Getroffenen.

      Die Kompanie war schon gefechtsbereit. Die beiden Soldaten kamen zurück und meldeten, Russenpanzer mit aufgesessener Infanterie stünden vor dem Kolchos.

      Ich führte die Kompanie durch den rückwärtigen Ausgang des Speichers ins Freie. Im Schneetreiben hasteten Gestalten vorbei.

      Jemand blieb vor mir stehen und sagte gelassen: »Ach, Sie sind’s, Herr Lemke. Wissen Sie schon, dass es den Oberst erwischt hat?«

      Es war der Ritterkreuzträger Lerchenau. Ehe ich das Wort an ihn richten konnte, war er verschwunden, untergetaucht in Dunkelheit und stiebendem Schnee.

      Leuchtspurgeschosse woben ihre glühenden Stränge durch die Nacht. Kommandorufe wurden laut, dann das mehrstimmige »Zugleich« von Kanonieren. Es waren Flakartilleristen, die ihre 8,8 feuerbereit machten. Das schwere Flakgeschütz war mit seiner Bedienung aufgelesen worden. Die Zugmaschine und der Munitions-LKW hatten mit leeren Benzintanks festgelegen, und Rittmeister Graf Lerchenau hatte die zur Panzerabwehr hochwillkommene Waffe mit seinem Spritvorrat flottgemacht und kurzerhand für seine Abteilung vereinnahmt. Das war überhaupt das Kuriosum jener ereignisreichen Tage: Die einen türmten Hals über Kopf und ließen alles liegen, und andere verstärkten ihre Kampfkraft mit dem Strandgut des nach Osten brandenden Rückzuges.

      Ich hielt meine Kompanie in der Deckung des massiven Kornspeichers und wartete auf den Einsatzbefehl, der von Rittmeister Graf Lerchenau kommen musste, dem ranghöchsten Offizier nach Oberst Kern. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, und da nun die schwere Flak in das nächtliche Gefecht eingriff, erschien mir die Lage nicht mehr allzu bedrohlich. Die russischen

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