Grünröcke erzählen .... Группа авторов

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im Erwachsenenalter, änderte sich meine Vorliebe für die Inhalte von Geschichten ganz erheblich. Aus Gründen, die nur das Schicksal vorgeben kann, musste ich mir aus beruflichem Anlass tagtäglich Geschichten anhören. Dabei kam es aber nicht so sehr darauf an, ob ich die Erzählungen spannend fand, sondern darauf, ob ich sie glaubte oder nicht. Dies führte auf Dauer zu einer gewissen Abstumpfung meiner mir ursprünglich angeborenen kindgerechten Gutgläubigkeit. Um ehrlich zu sein, führte die Art und Weise der erzählten Geschichten sogar zu einer periodischen Abneigung gegenüber Geschichten insgesamt. Im Nachhinein betrachtet, war diese Abneigung jedoch völlig unberechtigt, denn kein Mensch hatte mich schließlich gezwungen, Jurist zu werden.

      Dennoch blieb die ständige Überfütterung meiner Person mit Geschichten nicht ohne Folgen. Aus Gründen der Fürsorge gegenüber meiner Gesundheit entzog ich mich dem ständigen Beschuss durch weitere Geschichten, zog mich ins Privatleben zurück und widmete mich künftig der Jagd und Fischerei. Einige Zeit gelang es mir so, mich dem Einfluss fremder Geschichten zu entziehen. Dies sollte sich jedoch ändern, als ich eines traurigen Tages das Erbe meiner verstorbenen Mutter antreten musste. In ihrem Nachlass befand sich nämlich eine umfangreiche Sammlung von Jagdzeitschriften, die mein Großvater, ein Revierförster, in den Jahren von 1902 bis 1928 gesammelt hatte. Ich fing an zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. Eine neue, längst vergangene Zeit tat sich vor mir auf. Mein Interesse für Geschichten erwachte in mir von Neuem. Manche gefielen mir so gut, dass ich beschloss, sie in einer Zusammenfassung Ihnen, lieber Leser, weiter zu erzählen. Es würde mich freuen, wenn sie Ihren Gefallen ebenso finden würden wie dies bei mir der Fall war.

München, Februar 2011 Hubert Molitor

       Jagdlicher Ehrgeiz schlägt zuweilen sonderbare Blüten. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu, wie eine Erzählung des Herrn Camillo Morgan im Folgenden beweist. Aufgeschrieben wurde sie im Jahre 1902 unter dem Titel:

       Der erste heurige Hase

       Eine heitere, buchstäblich wahre Geschichte

      Mein Freund Constantin gewann heuer auf höchst originelle Art eine Wette.

      In Gemeinschaft mit sieben Herren hat er die Gemeindejagd des Ortes gepachtet, wo er domiziliert, und rennt in diesem Revier zu allen Stunden des Tages und der Nacht mit der Flinte herum, verpufft jedoch nur zur Zeit, wenn die Hasenjagd aufgeht, eine größere Anzahl Patronen, weil eben nur noch Lepus timidus in der traurigen Gegend vorkommt. Die letzten Hühner wurden vor drei Jahren geschossen, der letzte Bock, der vor sechs Jahren aus einem Nachbarrevier durchwechselte, fand seither keinen Nachfolger mehr, und sonstiges Wild ist überhaupt nicht vorhanden. Dass sich mein Freund Constantin infolgedessen zu einem ausschließlichen Hasenjäger ausbildete und alljährlich den ersten September kaum zu erwarten vermag, mit welchem in seinem Kronlande (Anmerkung: gemeint ist hier Niederösterreich) die Schusszeit der Hasen beginnt, ist unter solchen Umständen leicht zu begreifen. Auch heuer inspizierte er schon im August allabendlich sämtliche Waldlisieren (Anmerkung: alter Ausdruck für Lichtungen) des Gesellschaftsreviers, um sich zu orientieren, wo die meisten Hasen mit Sonnenuntergang ihren Tummelplatz und wo somit der beste Ansitzplatz wäre. Seine Mühe war auch keine vergebliche. Am 30. August hatte er eine Stelle entdeckt, wo er im Verlaufe von kaum einer Stunde nicht weniger als elf Hasen aus einem dichten Jungmaisbestand in einen Kleeacker hoppeln sah.

      „Elf Hasen! Denke dir nur, elf Hasen“, sagte er aufgeregt zu seiner Gattin, als er heimkam und den Schießprügel auf den Gewehrhaken hängte.

      Am Abendessen nahmen noch einige der Mitpächter teil, und das ganze Tischgespräch drehte sich um die elf Hasen.

      „Wer wohl den ersten Hasen erlegen wird?“ meinte Constantins Gattin.

      Sofort wurde gewettet und für den ersten Hasen ein Zwanzig-Kronen-Preis ausgesetzt, der nachher natürlich „flüssig“ gemacht, d. h. in „Bier“ oder „Wein“ „umgesetzt“ werden sollte, selbstverständlich unter Zuspruch der ganzen Corona. Zur Vorfeier wurde auch schon am 30. August ziemlich tief in die Krügel geguckt, und um Mitternacht legte sich Freund Constantin mit schwerem Schädel zu Bette.

      Gott Morpheus gaukelte ihm Legionen von Hasen vor, unter welchen er wahre Massenmorde vollbrachte, und um 4 Uhr Morgens erwachte er aus seinem von so holden Traumgebilden durchwobenen Schlummer. Schlaftrunken richtete er sich aus seinen Polstern empor, warf einen Blick auf die an der Wand gegenüber hängende Kuckucksuhr und sprang dann mit beiden Füßen zugleich aus dem Bett.

      „Höchste Zeit“, brummte er in den Bart, schlüpfte eilig in seine Kleider und verließ geräuschlos das Zimmer, um seine noch schlafende Frau nicht zu wecken. Im Nebenzimmer hing er sich den Schießprügel um, schlich sich auf den Zehen hinaus in den Hof, wo er Waldmann von der Kette losmachte, und im nächsten Augenblick trotteten Herr und Hund den ortsumfriedenden Wäldern entgegen. Ihr Ziel war „der Platz der elf Hasen“.

      Richtig! Fast alle hockten sie noch beisammen im Klee!

      Jetzt galts, auf einem kleinen Umwege, damit sie ihren zweibeinigen und vierbeinigen Todfeind nicht windeten, den Wald zu erreichen und dort, gut gedeckt, Posto zu fassen (Anmerkung: einen Ansitzplatz zu finden). Es gelang; Constantin und Waldmann lagen im dichten Ginsterbusch und harrten der „kommenden Dinge“, in diesem Falle der „kommenden Hasen“.

      Ein um 5 Uhr zur Feldarbeit ausziehendes Bäuerlein mit knarrendem Leiterwagen bereitete der Reunion der frühstückenden Hasengruppe ein Ende; Rammler, Satzhäsinnen und Dreiläufer, alles kunterbunt durcheinander, rückte dem schirmenden Waldesgrün zu.

      Da – ein Blitz, ein Knall – und ein kräftig entwickelter Junghase, dem man gute vier Kilo ansah, machte seinen letzten Salto mortale. Schon ist Waldmann zur Stelle, der ihn, stolz wedelnd, seinem Herrn apportiert, und nun blickt Constantin geraume Zeit in stiller Verzückung auf die zu seinen Füßen liegende Beute – auf den „ERSTEN“ in der Saison, auf den Zwanzig-Kronen-Preis-Hasen, denn nirgends im ganzen Revier war sonst noch ein Schuss gefallen.

      In gehobenster Stimmung machten sich Constantin und sein getreuer Brauntiger auf den Heimweg. Bei ihrer Ankunft zu Hause ist die fürsorglich waltende Hausfrau soeben mit der Zurichtung des Frühstückstisches beschäftigt. Ohne ein Wort zu sprechen, aber mit leuchtenden Augen hebt Freund Constantin den Hasen empor und schwenkt ihn, wie ein Indianer den Skalp eines getöteten Bleichgesichtes, triumphierend ein paar mal ums Haupt.

      „Um Himmels Willen, was hast du gemacht?“ schreit Constantins Gattin.

      „Welche müßige und überflüssige Frage!“ entgegnete ihr Eheherr. „Du siehst es ja doch! Ich habe die Zwanzig-Kronen-Wette gewonnen, indem ich den ersten heurigen Hasen erlegte!“

      „Aber Mann! Konfusionsrat! Pechvogel! Unglücksmensch! Heute ist doch erst der 31. August, aber noch nicht der 1. September!“ schrillt es ihm aus dem Munde seiner Ehehälfte entgegen.

      Wie Keulenschläge trafen diese Worte Constantins Haupt; er wankte und taumelte, trat dabei seinem Waldmann auf eine Pfote, dass derselbe laut aufheulend und mit eingezogenem Schwanze in den Hofraum entwich, und sank dann, ein klägliches Bild des Jammers, zusammengeknickt wie ein Taschenfeitel, auf eine Chaiselongue.

      „Erst der 31. August, aber noch nicht der 1. September!“ summte es ihm immer noch in den Ohren. Der Zwanzig-Kronen-Gewinn versank vor seinen Augen wie in einer Theater-Versenkung, und an seiner Stelle tauchte das drohende Gespenst einer Geldstrafe auf, die ihm sicher bevorstand, wenn das

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