Roger Federer. Simon Graf

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Roger Federer - Simon Graf Porträt

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Federer öfter zu verlieren beginnt, wird kritisiert, er sei zu ruhig, stemme sich gar nicht richtig gegen die Niederlagen. Kommentatoren fordern, er solle öfter seine Faust ballen oder «Come on!» rufen. Mats Wilander sagt sogar, er habe den Eindruck, Federer wolle einfach nur spielen und gar nicht unbedingt gewinnen. Der Schwede, mit seinen überraschenden Analysen immer wieder eine Bereicherung, liegt mit dieser Einschätzung für einmal komplett daneben. Im Frühling 2009 geschieht dann das Unfassbare: In Miami zerschmettert Federer im Halbfinale gegen Novak Djoković nach einer verschlagenen Vorhand seinen Schläger! Das Publikum pfeift, als er zur Bank läuft, um ein neues Arbeitsgerät zu holen. «Darf sich ein Vorbild für die Jugend so benehmen?», fragt die Zürcher Boulevardzeitung «Blick» entrüstet. «Ein sehr schlechtes Bild von Roger Federer», rügt die vornehme «Neue Zürcher Zeitung». Es ist sein erster Materialschaden in der Öffentlichkeit seit fünf Jahren. Jener Zwischenfall markiert aber nicht seine Wandlung zurück vom Paulus zum Saulus – er zeigt einfach, wie sehr es in Federer immer noch brodelt. Und wie bemerkenswert es ist, dass dies so selten an die Oberfläche kommt.

      Interessant ist die Parallele zu Björn Borg, den er bewundert und der beim Laver Cup ab 2017 sein Kapitän im Team Europe ist. Auch Borg, der den Spitznamen «Iceborg» bekam, weil er auf dem Court keine Miene verzog, war in jungen Jahren ein Hitzkopf gewesen. Er fluchte, schmiss Schläger, mogelte. Borg führte sich so unflätig auf, dass er mit zwölf Jahren vom schwedischen Verband für sechs Monate gesperrt wurde. Auch in seinem lokalen Tennisclub in Södertälje durfte er nicht mehr trainieren – eine prägende Erfahrung, die ihm eine Lehre war. Danach verstaute er seine Emotionen in einer Kiste, schloss sie ab und warf den Schlüssel weg. Selbst positive Gefühlsregungen ließ Borg kaum mehr zu. «Wenn er vom Platz in die Garderobe kam, konnte man nie erkennen, ob er gewonnen oder verloren hatte», sagte sein früherer Rivale Ilie Năstase. «Er kam rein, streifte sein FILA-Outfit ab, legte es ordentlich zusammen und ging ruhig zur Dusche.»

      Während Borg jegliche Emotionen unterdrückte, kanalisiert Federer die seinen. Nach großen Siegen und bitteren Niederlagen dringen sie an die Oberfläche, oft in Form von Tränen. Er hat das Weinen im Männertennis salonfähig gemacht. So sagt Andy Murray, nachdem er das Finale der Australian Open 2010 gegen ihn verloren hat, in seiner ehrlichen und bewegenden Rede auf dem Platz: «Ich kann weinen wie Roger. Leider kann ich nicht spielen wie er.»

      5. «So ist die Welt richtig. Nicht nur die Tenniswelt!»

      Eine Sportlerkarriere war Hans Ulrich Gumbrecht, genannt «Sepp», nicht vergönnt. Dafür trieb der Universalintellektuelle seine akademische Laufbahn mit sportlichem Ehrgeiz voran. 1948 in Würzburg geboren, wurde er bereits mit 26 Jahren Professor in Bochum. Von 1989 bis 2018 lehrte er Vergleichende Literaturwissenschaft an der Stanford University. Er befasst sich aber nicht nur mit Literatur, sondern schaltet sich häufig in gesellschaftliche Debatten ein. Und, was bei Intellektuellen eher verpönt ist: Er ist begeisterter Sportfan. 2006 publizierte er das Buch «Lob des Sports» (Original: «In Praise of Athletic Beauty»), eine Hommage, die in zwölf Sprachen übersetzt wurde. In seinem jüngsten Buch «Crowds – Das Stadion als Ritual von Intensität» besingt er das orgiastische Gefühl beim Stadionbesuch. Gumbrecht ist involviert beim College-Footballteam von Stanford, Fan von Borussia Dortmund, besitzt seit 1991 eine Saisonkarte im Eishockey bei den San Jose Sharks und ist entzückt von der Anmut Roger Federers. Seit 2000 US-Bürger, lebt er in Palo Alto im Silicon Valley, ist in zweiter Ehe «sehr glücklich» verheiratet und hat vier Kinder und zwei Enkel. Alle viel bessere Sportler als er selbst, wie er sagt. Obschon er, das darf nicht verschwiegen werden, jeden Morgen 19 Minuten den Unterarmstütz hält, bis alles schmerzt. Im Interview spricht er über seine Bewunderung für Roger Federer, dessen globale Ausstrahlung und Stellung in der Sportwelt.

      Sie verfassten mit Ihrem Werk «Lob des Sports» eine Hymne auf die Schönheit und Faszination des Sports. Schon 2006 erwähnten Sie da Roger Federer, hoben Sie seine Eleganz und Mühelosigkeit hervor. Wodurch fasziniert er Sie?

      Eine der durchaus vielfältigen Faszinationen des Sports für seine Zuschauer liegt darin, dass manche Athleten dem Tod ins Auge blicken. Im übertragenen Sinne natürlich. Diese besondere Faszination ist in konfrontativen Sportarten wie dem Boxen, aber auch im Tennis am deutlichsten ausgeprägt. Wenn man beispielsweise die Nahaufnahme eines Aufschlags sieht, wie der Schläger da nach unten saust, dann sieht es oft so aus, als wollte der Aufschläger jemanden umbringen. In diesem Sinne finde ich auch, dass der Handshake übers Netz am Ende fast immer etwas Erzwungenes hat. Tennis ist also ganz klar ein konfrontativer Sport, mit anderen physischen Konsequenzen als das Boxen, aber psychisch dem Boxen sehr ähnlich. Man will den anderen schlecht aussehen lassen, lässt nie von ihm ab. Natürlich beherrscht Roger Federer die Konfrontation, sonst wäre er nicht so erfolgreich geworden. Aber bei ihm – und vielleicht nur bei ihm – ist eine andere Komponente und mögliche Faszination des Sports, die ich Schönheit und Anmut nenne, ebenso ausgeprägt. Diese andere Komponente nimmt dann sozusagen der konfrontativen Grundlage des Tennis den Wind aus den Segeln. Man hat bei ihm fast den Eindruck, sie spiele gar keine Rolle. Diese spezielle, ja einzigartige Kombination macht ihn so faszinierend.

      Was löst er bei Ihnen aus?

      Wenn ich Federer zuschaue, habe ich das Gefühl: So muss es sein! So ist es richtig! Und ich verwende «richtig» hier als ein starkes philosophisches Wort. Man könnte dann auch weitergehen und sagen: Die Art, wie Federer spielt, ist ein Indiz dafür, dass die Welt eine gute Einrichtung ist. Dass etwas stimmt auf und an dieser Welt, obschon dauernd so vieles schiefläuft. Sie können das dann religiös auslegen oder nicht. Ich tue es nicht. Federer zuzuschauen, löst bei mir solche sehr elementaren Gefühle aus, die sich nur schwer in genaue Begriffe fassen lassen. Ich spüre jedenfalls: So ist die Welt richtig, nicht nur die Tenniswelt! Momentan bin ich sehr fasziniert von Vogelschwärmen. Wenn man einen Vogelschwarm beobachtet, wie da alles perfekt harmoniert, obschon es keinen führenden Vogel gibt und sie sich immer wieder ablösen. Wunderbar – und auch: richtig! Kürzlich fegte ein wahnsinniger Sturm hier bei uns über den Pazifik. Wie sich die Vögel da gegen den Sturm stemmten und in der Luft hingen, so muss es sein! Ein Gefühl dieser Art löst Federers Tennis bei mir aus.

      Dabei ist die Schönheit des Spiels im Tennis ja nicht der Zweck, sondern nur eine angenehme Begleiterscheinung.

      Immanuel Kant definiert Schönheit als Zweckmäßigkeit ohne Zweck. Das trifft es bei Federer. Denn alles, was man im Sport tut, hat ja zunächst eine Funktion im Wettkampf. Aber zugleich ist diese auch immer aufgehoben dadurch, dass es sich um ein Spiel handelt. Das gilt auch und besonders für die Profis, die nicht so gut wären, wie sie sind, wenn sie bei jeder Bewegung daran dächten, wie viel Geld auf dem Spiel steht. Und jene spielerische Komponente ist eben bei Federer besonders ausgeprägt. Er denkt wohl kaum daran, dass er schön spielen will, wenn er auf dem Platz steht. Er spielt, um den Passierball der Linie entlang zu spielen, den Volley ins Eck zu platzieren oder um mit dem Aufschlag zu punkten. Nicht, damit es schön aussieht. Aber selbst wenn sein Ball knapp ins Aus geht, sagt man bei ihm: schade, der war doch so schön! Man könnte als Gegensatz Boris Becker nehmen. Bei ihm stand stets die Konfrontation im Vordergrund. Er hat großartig gespielt, die Volleys, wie er durch die Luft geflogen ist, das war toll! Aber bei ihm spielte diese Schönheits- und Anmutskomponente keine große Rolle. Die Federer-Momente, die David Foster Wallace in seinem Essay so schön und präzise beschreibt, sind ja durchaus Schläge, die fantastisch, funktional und also tödlich sind. Aber es ist eben nicht die Tödlichkeit, die bei Federer hervorsticht, sondern die Schönheit.

      Noch bevor David Foster Wallace den Begriff der Federer-Momente prägte, schrieben Sie von «Momenten des vollkommenen Glücks», die man als Sportzuschauer erfahren könne. Haben Sie beim Verfolgen eines Federer-Matches wie Foster Wallace auch einmal Laute ausgestoßen, dass Ihre Frau aus dem Nebenzimmer kam, um zu sehen, ob Sie okay seien?

      (lacht) Ich würde gerne Ja sagen. Wenn man Sport mag und auf Ästhetik setzt wie ich, erlebt man bei Federer immer wieder Wow-Momente. Aber ich könnte nicht behaupten, dass ich einmal so geschrien hätte, wie das Foster Wallace beschreibt. Ich denke,

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