Handeln mit Dichtung. Sandra Schneeberger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Handeln mit Dichtung - Sandra Schneeberger страница 16

Handeln mit Dichtung - Sandra Schneeberger Beiträge zur nordischen Philologie

Скачать книгу

werden in Kapitel 3.2 untersucht. Durch eine vergleichende Untersuchung solcher Rahmen liesse sich auch Interessantes über die unterschiedlichen Funktionen der verschiedenen Edda-Versionen sagen, was aber hier nicht im Vordergrund steht. Aber auch andere, der Handschrift beigefügte Texte können die Wahrnehmung eines bestimmten Textes beeinflussen und seinen Deutungsrahmen verändern. Einen direkten Einfluss auf die Wirkung eines Texts haben natürlich auch rahmende Paratexte:

      Pro- und Epiloge, Pro- und Epimythien gehören in verschiedenen Textgruppen konstitutiv zur literarischen Struktur. Sie lassen den Akt des Erzählens und die Aktualität des Erzählten aufscheinen; z.B. indem sie Situationen von Mündlichkeit fingieren, die Rezeptions- als eine Dialogssituation inszenieren und deiktische Verweise einsetzen. Sie pointieren derart die Ereignishaftigkeit und die Literarizität des Erzählens, ohne selbst ausserhalb des literarischen Textes verortet zu sein.6

      Ein Rahmen kann einem Text Geltung verleihen, dient gleichzeitig aber als Markierung für die prekäre Situation dieser Art von Geltungsstiftung. Ein Rahmen kann immer auch als reflexives Moment eines Textes verstanden werden. Eine der bekanntesten und komplexesten Rahmensituationen im Zusammenhang mit der P-E ist sicherlich in Gylfaginning zu finden. Wie sich da ein rahmender gelehrter Lehrer-Schüler-Dialog mit dem Rahmen eines nordischen Wissenswettstreits verbindet und die verschiedenen literarischen Ebenen ihre Rahmungen ausstellen, ist Thema von Kapitel 3.3.2.

      2.4.4 Literarische Performativität: Ein Beispiel

      Zur Verdeutlichung der oben beschriebenen theoretischen Grundlagen bietet sich der Blick auf einen spezifischen Beitrag aus Herberichs/Kienings Sammelband zur literarischen Performativität an. Obwohl die Thematik und die historische Verortung sich scheinbar sehr von der vorliegenden Arbeit unterscheiden, ist Christa Haeselis Beitrag zu den althochdeutschen Zaubersprüchen in ihrem Überlieferungskontext auch interessant im Hinblick auf die Untersuchung der skaldischen Dichtung in der P-E.1 Haeseli kommt weg von der klassischen Sprechakttheorie und bestimmt auch den Begriff performance neu, indem sie ihn für eine Handschriftenanalyse und die Frage nach Textstrategien zusammendenkt. Dabei verschiebt sich der Fokus der Fragestellung von der realweltlichen Verwendung der Zaubersprüche hin auf Zaubersprüche als schriftliche Texte mit ihren je eigenen Wirkungsstrategien. Der Begriff performance wird dazu im Gegensatz zu seiner üblichen Verwendung bewusst für den „Auftritt“ eines Textes im schriftlichen Kontext verwendet:

      Mit diesem Perspektivenwechsel wird gegen die schematische Vorstellung von situativer, wirkmächtiger mündlicher Aufführung versus dauerhaftem, wirkungslosem, schriftlich fixiertem Text argumentiert. Es stellt sich die Frage nach den textuellen Strategien, die darauf abzielen, textüberschreitende Wirkung zu erlangen. Dabei werden die sprachmagischen Texte nicht als defizitär, als Überreste einer umfassenderen mündlichen und deshalb nicht mehr zugänglichen performance betrachtet, sondern sie können als eine Art Partitur verstanden werden, welche die Bedingungen von Wirkungsmöglichkeiten erst herstellen und dabei selber performativ verfasst sind.2

      Haeseli zeigt, wie althochdeutsche Zaubersprüche in Handschriften eingefügt werden und da je unterschiedliche performative Wirkung entfalten. Sie fragt dabei nicht nur nach zauberspruchinhärenten performativen Strategien, sondern auch danach, wie die spezifische Eintragungsart und der handschriftliche Kontext als Wirkungssteigerung funktionieren können. Dies ist etwa der Fall, wenn sich Zaubersprüche an kryptographische Alphabete anlagern oder andere auratische Texte als performative Rahmungen nutzen.3 Aus ihren Ausführungen wird klar, dass die Performativität der Rahmentexte aber nicht einseitig gedacht werden darf. Die „gerahmten“ Texte wirken genauso auch als performative Rahmen für die sie umgebenden Texte. Deshalb sollte man die Kompositionsprinzipien der Handschrift ernst nehmen.

      Dies wird auch für die im Codex Upsaliensis enthaltenen Texte zu beachten sein, sowie auf einer anderen Ebene auch für die Integration skaldischer (und auch eddischer) Strophen in Prosatexte. Die Parallelen von skaldischen Gedichten und Zaubersprüchen mögen etwas gewagt sein, dennoch überschneiden sie sich in gewissen Dingen: Beides sind kulturelle Phänomene aus einer (vermeintlichen) heidnischen und mündlichen Vorzeit. Beide werden im Zusammenhang mit schriftlicher Gelehrsamkeit tradiert und ihnen wird eine hohe sprachliche Wirkmacht zugesprochen. Haeseli zählt vier Aspekte auf, die für ihre Untersuchung literarischer Performativität zentral sind4: (1) Die Wirkmacht eines Zauberspruchs ist in einem Text nicht unmittelbar gegeben. Man muss also nach den Mechanismen fragen, die ihre Wirkung im Schriftlichen mitkonstituieren. Unter (2) „wird der Dynamisierungsprozess selbst verstanden, der den Zauberspruch zwischen stillgelegtem Muster und wirkmächtiger Rede oszillieren lässt. Solche Prozesse lassen sich an Umschlagpunkten ausmachen, die in den Zaubertexten angelegt sind.“ Aspekt (3) betrifft die Rahmungen der Zaubertexte, die sich nicht im Anfügen von Rahmenerzählungen oder liturgischen Formeln und Gebeten erschöpfen. Dieser Punkt verbindet sich mit dem Aspekt (4), dem Überlieferungskontext innerhalb von Sammelhandschriften. Ihm kann eine legitimierende, Evidenz stiftende oder auratisierende Funktion zukommen. Abschliessend fasst Haeseli zusammen:

      Die performative Strategie des Zaubertextes besteht also darin, ein Szenario zu erschaffen, in dessen Rahmen er wirksam werden kann. Damit gehört zur Performativität nicht nur die Handlung selbst, sondern auch das Hervorbringen ihrer Wirkungs- und Gelingensbedingungen.5

      2.5 Erstes Fazit und Ausblick auf die Lektüren

      Diese Arbeit kann die oben genannten methodischen Probleme des Performativitätsdiskurses nicht lösen und hat einen viel bescheideneren Anspruch: Sie will ausloten, ob und wie ein Diskurs, der in anderen Disziplinen bereits sehr gut verankert ist, sich in der skandinavistischen Mediävistik sinnvoll anwenden lässt. Wenn das gelingt, so eröffnen sich vielleicht neue Sichtweisen auf einen der wichtigsten dichtungstheoretischen Texte des nordischen Mittelalters. Die Wahl der Begrifflichkeiten von Cornelia Herberichs und Christian Kiening als Analysewerkezeuge ist aufgrund ihres Fokus auf textimmanente Aspekte von Performativität gefallen – dies in Abgrenzung zu den eher rein sprechakt- oder ritualtheoretischen Zugängen innerhalb der skandinavistischen Mediävistik. Die drei Kategorien Sagen als Tun, Wiederholung/Wiederholbarkeit und Rahmung ermöglichen einen neuen Zugang zu literarischen Werken des Mittelalters, die neben ihren performativen Aufführungsdimensionen auch textimmanente performative Strategien aufweisen. Es ist die Kombination mehrerer Ebenen, die eine Lektüre der P-E unter diesem Blickwinkel interessant macht. In den Blick genommen wird sowohl die materiell mediale wie auch die textuelle Ebene. In der Kombination aller performativer Aspekte auf den verschiedenen Ebenen zeigt sich das performative Potential eines Werks. Die Betonung muss dabei auf Potential liegen, denn die Wirkung auf die mittelalterlichen Rezipienten kann heute nicht mehr untersucht werden. Um die Lektüren zu systematisieren, werden die verschiedenen Ebenen (textuell, medial, diskursiv) wenn möglich getrennt behandelt. Schliesslich gehören sie aber wieder zusammengelesen und verbinden sich zu einem Beschreibungsmodell „Literarischer Performativität“.

      Um doch noch einmal zum Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Performativen zurückzukehren: John L. Austin weist in seiner Trennung von konstativen und performativen Sprechakten darauf hin, dass performative Äußerungen keine Zustände in der sozialen Welt beschreiben, sondern dass sie solche Zustände im Akt des Sprechens schaffen. Wie sich in den folgenden Lektüren zeigen wird, lässt sich ausgehend davon der Bogen von einer engen Sprechakttheorie hin zu einem breiteren Verständnis von literarischer Performativität schlagen: Am Beispiel der Prosa-Edda wird sichtbar, wie ein Text einen ganzen mythologischen Kosmos und eine für Jahrhunderte gültige Poetik aus den unterschiedlichsten Versatzstücken und Einzelbestandteilen zu erschaffen vermag. Die Gelingensbedingungen für einen derartigen Sprechakt werden im Folgenden von verschiedenen Seiten beleuchtet.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст

Скачать книгу