Handeln mit Dichtung. Sandra Schneeberger

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Handeln mit Dichtung - Sandra Schneeberger Beiträge zur nordischen Philologie

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Ebene kann man auch nach der Sprechaktintention der P-E in Bezug auf die skaldische Dichtung fragen. Als These liesse sich annehmen, dass die P-E die Skaldik vor dem Verschwinden aus dem kulturellen Gedächtnis retten soll. Die Frage könnte dann lauten: Ist der Sprechakt geglückt? Derartige Zugänge werden in den Lektürekapiteln erprobt.

      2.4.2 Wiederholung/Wiederholbarkeit

      Ausgehend von Jacques Derridas Gedanken besagen Performativitätstheorien, dass es eine Gelingensbedingung von Handeln mit Sprache ist, dass dieses Handeln (z.B. Zeichen, Wörter, Sätze) wiederholbar ist. Performativität heisst nicht einfach „etwas wird getan“, sondern „ein Tun wird aufgeführt“. Ein derartiges Aufführen ist aber immer auch ein Wiederaufführen.1 Gleichzeitig ist diese Gelingensbedingung einer sprachlichen Handlung paradox, wie Herberichs/Kiening zeigen: „Was wiederholt werden kann, stiftet Erwartbarkeit, lässt aber auch deren Aushöhlung zu, schafft Stabilitäten, die aber immer auch von Instabilitäten durchdrungen sind.“2 Die Wiederholung kann wie ein Zitat sowohl als Anknüpfung oder Kontextualisierung gedacht sein, sie kann im Gegenteil aber auch einen Bruch ausstellen und etwas in einen neuen Zusammenhang stellen.

      Das kulturelle Muster der Iterabilität, das im Modus des wörtlichen Zitierens ein intertextuelles Wiederholungsmuster ist, stellt einen performativen Sprechakt stets in die Reihe der vorausgegangenen Sprechakte und verleiht ihm eine Identität, die eine Voraussetzung für die wirklichkeitsverändernde Wirkmacht des Wortes ist.3

      Dieses allgemeingültige Muster ermöglicht es literarischen Texten die Wiederholung als Mittel zu gebrauchen, „sich auf eine Tradition zu beziehen und Anschlusskommunikation herzustellen.“4 Es sind solche Anschlussmittel, die dem literarischen Text die Möglichkeit verleihen, mit Bedeutung zu spielen. Nicht nur identische Repetition einer Tradition, sondern auch Abweichungen und Umdeutungen sind möglich. Noch einmal weisen Herberichs/Kiening auf das Paradoxe dieser Situation hin: „Demnach ist also die Iterabilität, die im Nicht-Authentischen, im Abgeleiteten, im Nachgeahmten, im Parodierten sich manifestiert, gerade dasjenige, was das Ursprüngliche und Authentische ermöglicht.“5 Auch bei diesem Aspekt literarischer Performativität spielt der Kontext der christlichen Vormoderne eine grosse Rolle: Der Rückgriff auf göttlich begründete Ursprünge und autoritative Momente der Vergangenheit ist in dieser Kultur zentral und macht Texte zu Wiederholungsereignissen:

      Sie nehmen Stoffe auf, die im kulturellen Wissen der Zeit fest verankert sind. Doch sie aktualisieren sie auch, passen sie je anderen Bedingungen und Kontexten an. Sie ermöglichen den affektiven Nachvollzug heilsgeschichtlicher und historischer Gegebenheiten, lenken aber überhaupt das Augenmerk auf den je neuen Vollzug von Gegebenem. Die Texte schaffen damit Raum für die Teilhabe an der Ordnung der Welt, für transzendente Kommunikation und individuelle Heilssorge. Zugleich erzeugen sie Zeitverhältnisse, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart auf komplexe Weise durchdringen.6

      Ob und inwiefern sich diese starke Gewichtung des christlichen Einflusses auch bei einer Poetik der volkssprachlichen Dichtung, die auf – vermeintlich – heidnischem Mythos beruht, bemerkbar macht, wird sich zeigen. In der Lektüre soll darum darauf geachtet werden, ob sich Unterschiede in der Ausgestaltung des literarischen Verfahrens der Wiederholung erkennen lassen. Ganz klar zentral ist der Aspekt der Wiederholung in der P-E auf der literarischen Ebene des Textes, wie es auch von Herberichs/Kiening für literarische Texte als charakteristisch dargestellt wird: „Der Anschluss an literarische Traditionen (auf der Ebene von Stoffen, Motiven, Erzählmustern, Strukturen), wird als Bedingung für das Weiter- und Wiedererzählen ausgestellt. Prozesse von Bedeutungsgenese und -übertragungen werden an Phänomenen der Wiederholung sichtbar gemacht.“7 Je nach Gattung des Textes holen derartige Verfahren andere Dinge in den Blick: „In narrativen Texten erlauben gattungstypische Doppelungen eine strukturelle Reflexion von Erzählorganisation und -prozess, eine Sinnstiftung, die von vorgängigen Textordnungen sich ableiten oder auch abrücken und wiederum den Elementen innerhalb des jeweiligen Werkes zusätzliche Bedeutungsdimensionen verleihen kann.“8 In der Wiederholung liegt die Macht der Um- oder Neudeutung. Gleichzeitig macht die Wiederholung darauf aufmerksam, dass sie „gemacht“ ist. Durch wiederholende Strukturen wird auf den Aufführungscharakter bzw. den jetzt aktuellen Vollzug, die vergangenen und zukünftig möglichen Vollzüge hingewiesen. (Nicht nur) für die P-E bedeutet das die Macht über das, was erinnert werden soll. In Kapitel 3.3.3 stehen so z.B. die wiederholenden Erzählungen der Herkunft der Asen und die Bedeutung für die Dichtkunst im Zentrum der Lektüre.

      Wiederholungen können unterschiedlich ausgestaltet sein und unterschiedliche Funktionen aufweisen. Karl-Heinz Hartmann stellt verschiedene Varianten zusammen: So können Wiederholungen z.B. bestimmte Elemente sammeln und über die Menge beispielsweise eine allgemeine Gültigkeit vermitteln. Eine übermässige Sammlung kann jedoch auch das Gegenteil bewirken und zu einem Sinnüberschuss und damit möglicherweise zu Bedeutungslosigkeit führen. Eine andere Art der Wiederholung ist die Steigerung: „Dabei geht es darum, zu übertreffen und Aufmerksamkeit zu erregen, um allfälligen Innovationsverlust durch mehrmaliges Erzählen auszugleichen. Auch hier kann das durch Ähnlichkeit oder Kontrast erzeugt werden. Eine Wiederholung stellt Gemeinsames und Kohärentes heraus, signalisiert aber auch den Fortlauf der Zeit.“9

      2.4.3 Rahmung

      Der dritte Aspekt literarischer Performativität, der für diese Arbeit von grosser Bedeutung ist, ist die Rahmung. Auch die Wirkmacht von Rahmungen ist in verschiedenen Theorien des Performativen bereits hervorgehoben worden. Sprachliche Handlungen können nur innerhalb bestimmter Rahmen bzw. Bedingungen funktionieren. Rahmungen sind sowohl Gelingens- wie auch Misslingensbedingungen für sprachliches Handeln. Ähnlich wie die Wiederholung können sie für allgemeine Gültigkeit sorgen, können aber auch performative Akte aktualisieren und in einen neuen Zusammenhang stellen: „[…] etwa wenn ‚eine bestimmte Tätigkeit, die bereits im Rahmen eines primären Rahmens sinnvoll ist, in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit nachgebildet ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes gesehen wird“.1 In der Kunst, sei es z.B. im Theater oder eben in der Literatur sind derartige Übertragungen möglich und werden gleichzeitig auch als solche kenntlich. Herberichs/Kiening über den Unterschied von Rahmen alltäglicher Sprechakte und solchen in der Literatur:

      In literarischen Texten ist dies [das Mitthematisieren des Rahmens] konstitutiv – schon Friedrich Schlegel notierte sich 1797: ‚Jedes Kunstwerk bringt den Rahm[en] mit auf die Welt‘. Es hat ja, wie angedeutet, seine Eigengeltung erst herzustellen, und es tut dies, indem es Rahmenbedingungen entwirft, unter denen jene Geltung sich zu ergeben hätte.2

      Wieder rückt das Performative eine paradoxe Situation in den Blick: Texte sind nicht einfach das Innere, das von dem sie umgebenden Rahmenäusseren bestimmt wird. Das Verhältnis von Innen und Aussen ist komplexer: „[Die Texte] sind vielmehr ein „Inneres“, in dem das „Äussere“ seinerseits enthalten ist – aber eben nur im Modus des „Inneren“, hier also unter den Gegebenheiten von (literarischer Textualität).“3 Unter der Rahmung als Aspekt literarischer Performativität kann man so die komplexe Schnittstelle zwischen Innen und Aussen eines Textes sehen. Dabei muss man in einer Analyse unterscheiden zwischen dem, „was den Vollzug eines Textes allgemein kulturell und spezifisch situativ bestimmt, und dem, was der Text hinsichtlich seiner eigenen Wirkung und Verdauerung selbst zum Einsatz bringt – durchaus nicht nur in Übereinstimmung mit, sondern oft auch in Abweichung von kulturellen Mustern.“4

      Zusätzlich zu den textuellen Rahmungen weisen vormoderne Handschriften (ebenso natürlich moderne Werke) auch aussertextuelle Rahmungen auf. Deshalb ist eine Lektüre von Texten, die in solchen Handschriften überliefert sind, nur umfassend, wenn sie auch derartige Rahmen beachtet: „Schon die jeweilige Ausstattung von Codices trägt zur Perspektivierung von Texten bei: Beigegebene Marginalien, Rubrizierungen und Überschriften sind Signale, die auf die Geltung der Texte rückwirken. Verschränkungen von Text und Bild sorgen für wechselseitige Rahmungen.“5 Derartige Verschränkungen finden

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