Der kleine Fürst Staffel 12 – Adelsroman. Viola Maybach
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Wegen der Herbstjagd und dem Ball hatte Gunter Befürchtungen gehabt. Aber es zeigte sich, daß er mit anzüglichen Bemerkungen verschont blieb. Auch beim Adel gab es Scheidungen, Affären und unglückliche Ehen. Gunters Pech erzeugte keine Riesensensation. Nur ihm selbst war das Ende seiner Liebe entsetzlich erschienen.
Er stellte fest, daß seine Mutter recht hatte: Das Leben ging weiter. An einem gebrochenen Herzen starben nur sehr wenige, die übrigen lebten damit und entwickelten eine neue Lebenseinstellung. Die beste Heilwirkung ging von der Zeit aus.
Nach dem Ball zeigte sich Gunter wieder gelegentlich bei gesellschaftlichen Anlässen. Er traf Marion von Balsingen ein paarmal und war freundlich und förmlich. Die Weihnachtsfeiertage wollte Gunter im Schloß verbringen, bisher war er im Wohnhaus bei der Porzellanmanufaktur geblieben.
Um Weihnachten herum wurde ihm immer melancholischer zumute. Er dachte an Sandra. Heiligabend hielt es Gunter nicht länger aus. Er versuchte, Sandra telefonisch zu erreichen. Es gelang nicht, niemand nahm ab.
Der Weihnachtsbaum im Schloß reichte bis unter die Decke des Ahnensaals und strahlte im Lichterglanz. Zum Weihnachtsempfang erschienen auch Baron Edgar und Marion von Balsingen. Fürstin Claudia repräsentierte und war ganz in ihrem Element.
Zwischen den Jahren fuhr Gunter zu Sandra nach Wiesbaden. Er schimpfte sich einen Schwächling deswegen, aber es trieb ihn hin. Er wollte sie sehen und mit ihr reden. Was er sich eigentlich davon erwartete, wußte er nicht.
Er parkte seinen Wagen in der Nähe des Hauses, in dem sie wohnte, und ging im Schneegestöber an der Haustür vorbei. In Sandras Wohnung brannte Licht, sie war also zu Hause. Gunter zögerte, zu klingeln. Er wartete auf der andern Straßenseite, um einen Entschluß zu fassen.
Da sah er einen Wagen vor dem Haus halten und jemanden aussteigen. Es war Dr. René Stanitz. Gunter kannte ihn von seinem Krankenhausaufenthalt wegen der Unterschenkelfraktur zu Anfang des Jahres. Gunters Herz krampfte sich zusammen. Dr. Stanitz klingelte, wo, das konnte Gunter sich denken, und verschwand im Haus.
Der Fürst fuhr wieder weg. Am nächsten Tag lud er Marion zum Silvesterball im Wiesbadener Schloß ein. Auch Dr. Stanitz war dort, mit seinem neuesten Schwarm, einer blonden Fabrikantentochter. Es hieß, daß er sich mit ihr verloben wollte.
In einer Tanzpause geschah es, daß Gunter und Marion neben Dr. Stanitz und seiner Begleiterin auf dem Parkett standen. Der Chirurg grüßte freundlich.
»Ich bin sehr erfreut, Sie zu sehen, Durchlaucht.« Er blickte auf Gunters Bein, hatte damals ausgesehen, als ob eine Operation erforderlich sei, das war dann aber doch nicht der Fall gewesen. »Sie haben keine Beschwerden mehr?«
Das Blut wich aus Gunters Gesicht. Brüsk drehte er sich um und führte Marion einige Schritte weit weg. Er drehte Dr. Stanitz betont den Rücken zu.
»Was hat er denn?« fragte die Fabrikantentochter leise, als der nächste Walzer begonnen hatte.
»Keine Ahnung, eine fürstliche Laune vermutlich«, antwortete Dr. Stanitz, der den Vorfall weiter nicht tragisch nahm. »Er ist eben ein eingebildeter adliger Snob.«
Auch Marion wunderte sich. »Wer war das? Warum hast du ihn geschnitten?« fragte sie.
Gunter nannte den Namen des Arztes.
»Mit einem solchen Charakterlumpen verkehre ich nicht. Er tanzt hier mit einer Millionenerbin und amüsiert sich, während eine andere Frau von ihm schwanger ist.«
Marion dachte sich ihr Teil, wer diese andere Frau sei. Sie schwieg dazu. Sie glaubte, jetzt den Vater von Sandras Kind zu kennen. Von ihr erfuhr es in einem vertraulichen Gespräch Baron Edgar.
Gunter fuhr Anfang des Jahres mit Alexander Karben zu einem längeren Winterurlaub nach Gstaad. Er hoffte, sich nicht gleich wieder ein Bein zu brechen. Vom Wintersport und dem Après-Ski versprach sich Gunter wohltuende Ablenkung.
*
Am dritten Februar kam Sandras Kind zur Welt, fast genau zum errechneten Termin. Holger Stuhlmann fuhr sie in die Klinik.
Mittags war sie in der Klinik angekommen, und um acht Uhr abends hielt ihr der Oberarzt das kleine schreiende Bündel entgegen. Sandra sah es wie durch einen Nebel.
Es war ein Mädchen, und Sandra vergaß, daß sie sich jemals einen Sohn gewünscht hatte. Sie war selig. Behutsam strich sie über den blonden feuchten Haarflaum ihrer Tochter.
»Gratuliere, Frau Kollegin«, sagte der Oberarzt. »Das Kind ist 3500 Gramm schwer und 51 Zentimeter groß. Haben Sie schon einen Namen ausgesucht?«
»Bettina Nicole.«
Eine Krankenschwester fuhr Sandra ins Zwei-Bett-Zimmer auf der Entbindungsstation. Die kleine Bettina kam auf die Säuglingsstation. Sobald es möglich war, drängten sich die Ärzte, Pfleger und Schwestern vor der Sichtscheibe, allen voran Professor Rübsam.
Dr. Stanitz trank mit dem Oberarzt der Frauenstation einen Kognak.
»Das ist ein Prachtkind.« Er strahlte. »Da könnte man direkt Lust kriegen, selber Vater zu werden.«
»Dem steht nichts im Weg, Herr Kollege. Sie üben ja wohl schon ziemlich lange.«
Auch die streng katholische Oberschwester Monika betrachtete gerührt das Kind. »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein«, murmelte sie auf dem Rückweg zur ihrer Station. »So steht es in der Bibel. Ohne Vater, hmhm, na ja. Meine Angelegenheit ist es nicht, ich will in Zukunft darüber schweigen. Jeder sollte vor seiner eigenen Tür kehren, hmhm, na ja.«
Gabi Anders und Holger Stuhlmann besuchten die junge Mutter im Krankenhaus. Sandra sollte ein paar Tage in der Klinik bleiben und sich erholen. In der ersten Zeit nach ihrer Entlassung wollte Gabi zu ihr ziehen und ihr helfen.
»Es ist solch ein schönes Kind«, schwärmte Gabi. »Einfach goldig.«
»Mir ist es arg faltig vorgekommen«, sagte der außerhalb seines Fachbereichs ziemlich unbedarfte Holger. »Ist das bei Neugeborenen eigentlich normal?«
»Was glaubst denn du, wie du zur Welt gekommen bist?« Gabi war entrüstet. »Männer haben überhaupt keine Ahnung.«
Die Zuwendung, die sie empfing, tröstete Sandra etwas darüber hinweg, daß Gunter von Falkenau nicht erschien, um seine Tochter
zu sehen. Allerdings wußte er ja nicht einmal, daß er eine Tochter hatte…
Am Tag, bevor Sandra die Klinik verließ, erhielt sie Besuch von Dr. Stanitz. Da sie allein im Zimmer war, konnte er offen sprechen.
»Wer ist denn nun der Vater des Kindes? Mir kannst du es sagen. Es bleibt unter uns.«
Sie waren sich in der letzten Zeit nähergekommen. Sandra schüttelte den Kopf.
»Das werde ich mich für behalten. Ich habe meine Gründe dafür. Meine Freundin hat auf dem Standesamt, als sie die Geburt anmeldete, angegeben: Vater unbekannt. So steht es in der Geburtsurkunde.«
»Vater unbekannt, wie das klingt! Warum willst du