Der kleine Fürst Staffel 12 – Adelsroman. Viola Maybach
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Fast jeder im Aufenthaltsraum hatte es gehört. Dr. Stanitz, der blendend aussehende Chirurg, hob sein Sektglas, als Sandra an den Tisch zurückkehrte.
»Auf Ihr Wohl, Frau Kollegin, und auf das Kind! Hoffentlich wird es so hübsch wie die Mutter.«
Sandra trank einen kleinen Schluck Sekt. Wenn du wüßtest, dachte sie bei Dr. Stanitz’ Anblick, daß ich dich Gunter als Kindesvater angegeben habe…
Beinahe hätte sie sich an dem Sekt verschluckt, denn Dr. Stanitz fragte: »Wer ist denn der glückliche Vater? Werden Sie in absehbarer Zeit heiraten, Frau Dr. Richter?«
»Der Vater des Kindes lebt in Norddeutschland.« Die Lüge ging Sandra ganz glatt über die Lippen. »Ich werde nicht heiraten, weder ihn noch einen anderen.«
Oberschwester Monika, ein altgedienter Stationsdrachen, spitzte die Lippen.
Neugierig fragte sie: »Vor einigen Wochen stand in der Zeitung, Sie und Fürst Gunter von Falkenau hätten sich verlobt, Frau Dr. Richter. Wie verhält es sich damit?«
Gunter hatte nichts mehr von sich hören lassen seit jenem letzten Gespräch in Sandras Wohnung. Obwohl sie sich sagte, daß sie nichts anderes erwarten konnte, kränkte es Sandra.
»Der Fürst gab die Verlobungsanzeige voreilig auf«, antwortete sie auf die Frage der Oberschwester. »Wir waren lediglich – sehr gute Freunde.«
Sandras Herz schmerzte bei diesen Worten. Nachts lag sie oft wach und dachte an Gunter. Dann spürte sie die ersten Regungen des Kindes in ihrem Leib. Sie weinte nicht mehr. Schon seit einiger Zeit nicht. Sie fand sich mit ihrem Schicksal ab.
Sandra bezahlte jeden Monat siebenhundertfünfzig Mark an die Privatbank Möller und Cie, um die von ihrem Bruder unterschlagene Summe zu tilgen, und versuchte, hauptsächlich an das Kind zu denken.
Sandra sah jetzt jedoch, wie betroffen die Oberschwester war, es würde noch mehr Gerede in der Klinik geben. Ihre aufgelöste Verlobung mit dem Fürsten von Falkenau hatte eine ganze Zeitlang als Gesprächsstoff hergehalten. Was jetzt kam, war zweifellos noch ärger.
»Ich werde die Kinder auf die Station zurückbringen«, sagte Sandra. »Anschließend mache ich noch einmal Visite.«
Sie verabschiedete sich. Mit einer Krankenschwester zusammen führte sie die Kinder auf die Station. Die Runde im Aufenthaltsraum löste sich auf. Außer Sandra hatten noch eine weitere Ärztin und zwei Ärzte ihre Assistenzzeit beendet.
Professor Rübsam unterhielt sich mit dem Oberarzt von Sandras Station.
»Dann wird die Kollegin noch vor Jahresende in Mutterschaftsurlaub gehen«, stellte er fest. »Wir müssen uns nach einer Ersatzkraft umsehen.«
»Das wird schwierig sein«, antwortete der Oberarzt. »Dr. Richter ist kaum zu ersetzen. Trotz ihrer Schwangerschaft hat sie sich bisher nicht geschont und den Wochenend- und Nachtdienst geleistet. Sie hat sogar noch zusätzliche Dienstzeiten übernommen. Eine außerordentliche Frau…«
*
Marion von Balsingen stellte den Mantelkragen hoch, als sie aus dem Schloßtor trat. Die Bibliothek hatte gerade geschlossen. Der Wind pfiff, und es regnete. Sie hatte keinen Schirm dabei.
Die Strecke zur Villa ging sie immer zu Fuß.
Im ersten Moment erschrak Marion, als ein hochgewachsener Mann auf sie zutrat. Er hatte neben dem Baum an der Parkplatzeinfahrt gestanden, und sie hatte ihn nicht bemerkt.
»Darf ich dir meinen Schirm anbieten?«
»Alexander!« rief sie. »Nur zu gern! Ich fürchtete schon, ich würde wie eine gebadete Katze nach Hause kommen. Bist du mit dem Wagen da?«
»Auf allen vier Rädern, jawohl.« Er reichte ihr einen Blumenstrauß. »Hier, ein kleines Mitbringsel.«
Auf dem Weg zum Wagen öffnete Marion das Papier. Alexander Karben hatte ihr 15 Baccararosen geschenkt. Wochenlang hatte er nach jenem Mittagessen im Waldrestaurant angerufen und Blumen geschickt. Marion hatte zum Schluß nicht mehr reagiert, im letzten Monat hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
Sie überlegte sich, ob es besser wäre, ohne Alexander und seinen Schirm weiterzugehen. Aber dann wäre sie naß geworden. Außerdem konnte sie vernünftig mit ihm reden. Es gefiel Marion, daß der Schauspieler sie umwarb, neben Fürst Gunter verblaßte er allerdings.
Marion stieg in Alexanders Sportwagen ein.
Im Nu waren sie bei der Villa. Alexander nieste, als der Wagen in der Auffahrt hielt. Das Garagentor stand offen, die Garage war leer. Baron Edgar war also fort.
»Ich habe mir nasse Füße geholt, als ich auf dich wartete«, sagte Alexander. »Womöglich erkälte ich mich.«
Marion durchschaute den Trick. Das Niesen hatte nicht sehr echt geklungen.
»Dann muß ich dich wohl zu einem Grog einladen. Sonst fällst du am Ende noch für mehrere Vorstellungen aus. Du hast mit deiner Rolle in dem Büchner-Stück großen Erfolg, Alexander. Ich habe vor drei Wochen in Frankfurt eine Vorstellung besucht. Sie hat mir sehr gefallen.«
»Warum hast du mich nach der Vorstellung nicht aufgesucht?«
Marion beantwortete die Frage nicht. Sie gingen ins Haus, wo sie die Rosen in eine Vase stellte. Marion bot Alexander in ihrem Zimmer im Obergeschoß den Grog an. Sie selbst trank Kaffee.
»Ah, das tut gut.« Der Grog wärmte Alexanders Magen. »Stehst du mir immer noch gleichgültig gegenüber, Marion?«
»Nein, Alexander, ich mag dich. Wir können Freunde sein, aber nichts anderes. Muß es denn zwischen Männern und Frauen immer nur Sex und Liebe geben? Eine Freundschaft kann viel schöner sein.«
»Ab siebzig Jahren, sicherlich. Marion, du weißt, was ich für dich empfinde. Bitte, spiel nicht mit mir! Bist du noch immer in Gunter verliebt, diesen Einsiedler von Schloß Falkenau? Das ist er geworden, seit er die Enttäuschung mit Sandra erlebte.«
»Darüber möchte ich nicht mit dir reden, Alexander. Vielen Dank für die Rosen. Aber schenk mir nächstens bitte keine roten mehr.«
»Andere Rosen kann ich dir nicht geben. Übrigens, stell dir vor, Sandra Richter erwartet ein Kind.«
»Woher weißt du das?«
Es stellte sich heraus, daß Alexander es auf Umwegen erfahren hatte.
»Merkwürdig«, sagte der Schauspieler. »Ich habe Sandra drei- oder viermal getroffen und gewann einen sehr guten Eindruck von ihr. Sie hält den Namen des Kindesvaters geheim, hörte ich. Ob es wohl Gunter ist?«
»Nein. Daran ist die Verlobung gescheitert.«
Alexander war entsetzt.
»Wie konnte sie ihm das antun? Es ist mir unbegreiflich. Ich hätte so etwas nie von Sandra erwartet. Sie hat