Der kleine Fürst Staffel 12 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst Staffel 12 – Adelsroman - Viola Maybach Der kleine Fürst Staffel

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ist dringend!«, beharrte Gabriela. »Hast du Zeit?«

      »Wann – jetzt?«, stammelte Verena überrumpelt.

      »Na klar. In einer Stunde. Kärntner Straße, Sky-Bar?«

      Eigentlich verspürte Verena überhaupt keine Lust auf ein Treffen mit dieser arroganten Frau. Aber leider fiel ihr auf die Schnelle­ keine Ausrede ein. »Ich … ich…«, stammelte sie verlegen.

      »Okay, dann also abgemacht.« Gabriela lachte kurz auf. Es klang wie eine Vollbremsung mit anschließendem Blechschaden.

      Missmutig schlüpfte Verena wieder in ihre Schuhe, schnappte die Leine von Herrn Franz und machte sich in Begleitung des Mopses auf den Weg in die Innenstadt.

      Komtess Gabriela saß bereits an einem Tischchen neben der Bar. Gelegentlich umschloss sie mit dunkelrot geschminkten Lippen einen schwarzen Strohhalm und zog eine giftgrüne Flüssigkeit aus einem hohen Glas, das mit einem rosa Papierschirmchen und einer Maraschinokirsche verziert war. Verena betrachtete die perfekt gestylte junge Frau mit ihren langen schwarzen Haaren und bedauerte es in diesem Moment sehr, sich nicht doch noch umgezogen zu haben. Auf einmal kam sie sich in ihren Lieblingsjeans, dem weißen T-Shirt und den flachen Leinenschuhen schäbig vor. Gabriela hingegen trug ein leichtes Sommerfähnchen, das sehr tief ausgeschnitten war. Wie unbeabsichtigt rutschte der Spaghettiträger immer wieder über die Schulter und gab die Aussicht auf einen schwarzen BH-Träger frei.

      Der Barmann polierte schon seit einer Ewigkeit dasselbe Glas, die Augen wie hypnotisiert auf Gabrielas Ausschnitt gerichtet. An Verena verschwendete der Mann keinen zweiten Blick. Neben dieser Frau fühlte sich Verena wie ein hässliches Entlein. Nervös zupfte sie eine Haarsträhne zurecht.

      Gabriela streckte ihr die Hand entgegen, die sich genauso anfühlte, wie Verena es erwartet hatte: spitz, knochig und kalt. Herrn Franz maß sie mit einem verächtlichen Blick, was dieser mit einem Schnaufen zur Kenntnis nahm. Er war viel zu gutmütig, um menschliche Feindseligkeit zu durchschauen. Eine Welle der Zuneigung für diesen tapferen Kerl durchflutete Verena. Sie kraulte ihm den dicken Hals.

      »Was gibt es zu besprechen?«, leitete sie dann das Gespräch ein. Sie hatte keine Lust auf Smalltalk.

      »Okay, Schätzchen, dann bringen wir es also gleich hinter uns«, sagte Gabriela schneidend. »Wie du denken kannst, geht es um meinen Bruder. Ich fürchte fast, er hat es verabsäumt, dich aufzuklären, wer wir sind. Stimmt’s?«

      Verena schluckte. Sie hatte einen Kloß im Hals, der sie daran hinderte zu antworten.

      »Wir sind die von Bäumlers. Sagt dir das was? Klingelt’s?« Wieder lachte Gabriela schrill. Sie lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander, warf dem Barkeeper einen herausfordernden Blick zu und zupfte an ihrem Träger. »Gut. Das war das erste. Jeder in Wien kann dir erzählen, was unser Name bedeutet. Wir sind eine der führenden Familien dieser Stadt. Unser Familienunternehmen ist mehr als 300 Jahre alt. Wir haben unsere Möbel seinerzeit schon an die Kaiserfamilie geliefert, wir sind die Creme de la Creme. Ach ja …« Sie machte eine dramatische Pause und fuhr dann fort: »Mein Bruder ist übrigens Graf von Bäumler, wusstest du das?«

      Verena fühlte sich wie in einem schlechten Film. Nur, dass sie als Zuschauerin in einem Film um einen Kommentar nicht verlegen gewesen wäre. Jetzt aber saß sie da wie ein Schulmädchen und fühlte sich elend. Warum hatte Markus ihr das nicht erzählt?

      Ungerührt fuhr die Komtess fort: »Nichts gegen dich persönlich. Du bist ein hübsches Mädchen. Aber Markus ist schon seit drei Jahren mit Sonja Rütter verlobt. Unsere Familien passen nicht nur geschäftlich perfekt zusammen, sondern wir sind auch alle sehr lange miteinander befreundet. Wir sind in denselben Kreisen aufgewachsen, und dieselben Schulen gegangen. Markus und Sonja sind schon lange ein Paar. Allerdings haben sie vereinbart, dass er sich bis zur Hochzeit noch ein bisserl austoben darf, wenn du verstehst, was ich meine? Das mit dir ist beileibe nicht das erste Techtelmechtel von Markus. Nun wollen wir die Hochzeit aber noch in diesem Herbst über die Bühne bringen, und die kleine Rütter heult sich gerade die Augen aus dem Kopf. Das arme Ding leidet immer so unter den Weibergeschichten von Markus. Deshalb ist es Zeit, dass du einen Abgang machst, klaro?«

      Verena hatte inzwischen verstanden, dass Gabrielas Fragen nur rhetorisch gemeint waren. Eine Antwort wurde gar nicht erst erwartet. Es wäre ihr aber auch keine eingefallen. Verzweifelt umklammerte sie das Glas Mineralwasser, das sie bestellt hatte. Getrunken hatte sie noch keinen Schluck, obwohl ihr Hals völlig ausgetrocknet war.

      »Nun, mein Schatz, das sind also die Tatsachen. Wir haben leider nicht genug Geld, um Schnorrer durchzufüttern. Wir haben aber auch gar keine Lust, unpassende Beziehungen zu fördern, das wirst du wohl wohl verstehen?«

      Gabriela warf Verena einen prüfenden Blick aus ihren stahlgrauen Augen zu. Es war so, als wollte sie sich vergewissern, dass ihr Gegenüber den Schlag aushalten könnte. Dann zuckte sie gelangweilt mit den Achseln.

      »Nun, es ist, wie es ist. Du hast eben leider nicht unsere Kragenweite. Nimm es bitte nicht persönlich. Falls du Interesse hast, Näheres über unsere Familie zu erfahren, dann lies doch einfach eines der vielen Hefte, die hier herumliegen. In irgendeinem davon steht immer etwas über uns geschrieben.« Einen Moment lang schien sie zu zögern, dann straffte sie ihre Schultern, strich mit der Hand ihr Kleid über der Hüfte glatt und stand auf. Sie holte einen Fünfzig-Euroschein aus der Prada-Tasche und warf ihn lässig auf den Tisch. »Das dürfte wohl reichen!« Gabriela schenkte dem Barkeeper einen letzten Blick und ein verführerisches Lächeln, dann stöckelte sie davon.

      *

      Die Nachmittagssonne malte dunkle Schattenrisse auf die grünen Wiesenflächen des Stadtparks. Kleine Kinder tollten auf dem Spielplatz und quietschten vor Vergnügen. Im nahen Teich quakten ein paar Enten, die sich mit einer Gruppe von Tauben um das Futter stritten. Zwei junge Mädchen führten einen adretten Pudel an der Leine und plauderten angeregt über die Sommergarderobe, die sie demnächst anschaffen wollten. Eine Gruppe von Studenten lungerte auf dem Rasen herum und diskutierte angeregt über Politik. Gleich neben dem goldenen Denkmal des Walzerkönigs Johann Strauß saß Verena auf einer Bank, zu ihren Füßen kauerte der kleine Mops und machte ein ratloses Gesicht.

      Verena starrte in das Hochglanzmagazin, das sie völlig gedankenlos eingesteckt hatte, nachdem Komtess Gabriela bei ihrem Abgang einen Packen Klatschzeitschriften auf den Tisch geworfen hatte. Immer noch ganz verwirrt von dem, was dieser Nachmittag gebracht hatte, blätterte Verena die Zeitschrift durch. Da fesselte eine Überschrift in dicken Lettern ihre Aufmerksamkeit. Sie begann den Artikel zu lesen und spürte, wie ihr Atem schneller ging:

      Was ist aus ihnen geworden?

      In unserer Serie ›Berühmte Schauspieler‹ erzählen wir Ihnen heute von einem ganz besonders hell strahlenden Stern am Wiener Theaterhimmel: Lilo Benedikt. Lesen Sie über ein Leben zwischen Himmel und Hölle auf Seite 24.‹

      Aufgeregt blätterte Verena zur angegebenen Seite, in deren Zentrum eine alte, körnige Fotografie stand. Eine lachende junge Frau stieg aus einer Limousine, der Rock ihres schillernden Abendkleides war hoch geschlitzt und öffnete sich bis weit übers Knie, ein Nerzcape, das über ihrem Arm hing, schleifte lässig über den Boden. Die Absätze der perlenbestickten Pumps maßen mindestens zwölf Zentimeter. Blonde Löckchen sprangen frech unter einer kleinen Kappe hervor und umtanzten das Gesicht. Sie lachte herzhaft, offensichtlich hatte ihr Begleiter, ein neben dem Wagen stehender Schönling, der ihr die Hand entgegenstreckte, gerade etwas Charmantes gesagt.

      ›Lilo Benedikt auf dem Weg zum Opernball, hier noch in Begleitung ihres Kollegen und Verlobten Carl Wilhelm‹, stand unter dem Bild zu lesen.

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