Der kleine Fürst Staffel 12 – Adelsroman. Viola Maybach
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»Sie sehen bezaubernd aus, meine Liebe!«
Unten im Hof verließ indessen Fürst Gunter das elterliche Schloß.
»Schmeichler«, sagte die Fürstin. »Ich fühle mich scheußlich, bestimmt sieht man es mir an. Seit der gescheiterten Verlobung steht hier das Telefon nicht still, ich nehme schon keine Anrufe mehr entgegen. Einige Reporter habe ich abweisen müssen. Sollen sie sich an meinen Sohn wenden. Was für ein Skandal! Es ist entsetzlich.«
»Ja, aber trotz allem ging es noch gut, Claudia. Gunter erfuhr rechtzeitig die Wahrheit über das Fräulein Dr. Richter. Außerdem ist da noch etwas. Frank Richter, der Bruder der Ärztin, hat bei der Bank, bei der er arbeitete, Geld unterschlagen, er setzte sich ins Ausland ab. Dr. Richter wird es zurückzahlen müssen, von einer Strafverfolgung hat man abgesehen.«
»Edgar, was eröffnen Sie mir da? Nehmen die Schrecken denn kein Ende?«
»Ich habe mir erlaubt, Nachforschungen anzustellen, meine liebe Claudia, und zwar über eine Detektei. Sie brachte die Wahrheit heraus. Sie, meine Liebe, haben einen viel zu vornehmen Charakter, um so einen Schritt zu unternehmen. Dennoch war er bitter notwendig. Von Marion hörte ich etwas über den Zustand von Fräulein Dr. Richter. Ich hielt es für meine Pflicht, als Freund des Hauses, die Initiative zu ergreifen.«
»Sie haben völlig richtig gehandelt, Edgar. Das werde ich Ihnen nie vergessen.«
Der Baron faßte die Hand der Fürstin.
Er blickte ihr tief in die Augen.
»Darf ich hoffen, irgendwann mehr für Sie zu sein als ein guter Freund, Claudia? Sie würden mich zum glücklichsten Mann unter der Sonne machen.«
»Vielleicht… irgendwann. Ich kann jetzt nichts dazu sagen, Edgar, ich bin zu verstört im Moment. Es ist unglaublich, in welche Abgründe ich schauen mußte. Ein… ein Flittchen und ein Defraudant, und mit solchen Leuten hat sich mein Sohn eingelassen! Mit diesem Pöbel bringt er mich ins Gerede!«
»Es wird geheim bleiben«, versicherte der Baron, »die Betroffenen schweigen aus gutem Grund. Von mir erfährt niemand etwas. Es war mir eine Ehre, dem Haus Falkenau einen Dienst erweisen zu können.«
Der Baron verabschiedete sich bald. Er fuhr fröhlich vom Schloß weg, sein Weizen blühte. Was kümmerte es ihn, wenn dabei zwei Herzen brachen und ein Kind ohne Vater zur Welt kam und um seine Geburtsrechte betrogen wurde.
Sandra hatte den Baron am Tag nach ihrem Gespräch mit Gunter aufgesucht. Der ganze Fall war damit abgeschlossen.
Der Baron vermied es allerdings, an den Blick zu denken, mit dem ihn Sandra gemustert hatte. Noch nie hatte er soviel Abscheu und Verachtung zu spüren bekommen…
*
Marion von Balsingen arbeitete als Bibliothekarin in der Wiesbadener Schloßbibliothek. Sie liebte Bücher, hatte gern mit Menschen Kontakt und wollte nicht untätig sein. An diesem Vormittag herrschte wenig Betrieb in der Bibliothek, die über zwei Lesesäle verfügte und sich in drei Etagen ausdehnte.
Marion stellte gerade eine Liste der Bücher auf, die ausrangiert werden sollten, als sie jemand ansprach.
»Haben Sie Literatur über die frühmittelalterlichen Minnesänger, Fräulein? Hauptsächlich über Walter von der Vogelweide?«
»Selbstverständlich.«
Marion schaute von der Liste auf. Sie wollte dem Frager gerade erklären, wo er das Gesuchte fand. Da erkannte sie ihn. Alexander Karben war groß und schlaksig, er hatte eine dunkelbraune Haarmähne und braune Augen. Um seinen Mund lag oft ein spöttischer Zug. Alexander war alles andere als ein Zyniker. Er nahm nur manches weniger ernst als andere.
Mit seinen achtundzwanzig Jahren zählte er zu Deutschlands besten Nachwuchsschauspielern. Wer seine Darstellung des »Hamlet« gesehen hatte, würde sie nie vergessen. Er hatte auch in zahlreichen anderen Rollen brilliert und trat im Fernsehen auf.
Marion kannte Alexander von verschiedenen Veranstaltungen. Sie wußte, daß er ein Auge auf sie geworfen hatte. Zwar schätzte sie ihn als Schauspieler, doch abgesehen davon gab es nur einen Mann: Gunter von Falkenau. Trotzdem freute sie sich, Alexander Karben zu sehen.
»Ich dachte, Sie halten sich zu Dreharbeiten in Norddeutschland auf, Herr Karben?«
»Der Fernsehkrimi ist abgedreht. Endlich durfte ich mal einen Schurken spielen. Meines Erachtens war der Schluß des Films viel zu flau, aber der Regisseur und die Herren von der Produktionsleitung ließen sich leider nicht umstimmen. Schauspieler sollten viel mehr Mitspracherecht beim Drehbuch haben. Aber ich bin nicht gekommen, um mit Ihnen darüber zu reden, Baronesse von Balsingen.«
Grübchen erschienen in Marions Wangen, als sie lächelte.
»Lassen Sie die Baronesse weg. Nennen Sie mich Marion.«
»Marion und ›Sie‹ paßt nicht zusammen. Ich heiße Alexander. Darf ich Sie – dich – jetzt gleich oder während der Mittagspause zu einer Tasse Kaffee einladen? Ich möchte etwas mit dir besprechen, Marion.«
»Über die Minnesänger und Walter von der Vogelweide?«
»Nein, über Gunter von Falkenau. Und auch – über uns. Gunter ist völlig am Boden zerstört, seit seine Verlobung vor drei Wochen in die Brüche ging. Ich habe ihn seitdem zweimal gesprochen. Er war abweisend bis zur Unhöflichkeit. Dann rief ich Fräulein Dr. Richter an. Sie gab keine Erklärungen ab und sagte nur, sie und Gunter hätten festgestellt, daß sie nicht zusammenpaßten. Damit war das Gespräch beendet.«
Marion wußte von ihrem Onkel, dem Baron, daß die Ärztin Gunter schändlich hintergangen haben sollte. Er sei nicht der Vater des Kindes gewesen, das sie erwartete, hatte Baron Edgar seiner Nichte anvertraut und sie beschworen, zu niemandem darüber zu reden.
Marion war Gunter bisher ferngeblieben. Sie wollte ihm Zeit geben, den Schock zu überwinden und wieder zu sich selbst zu finden. Sie empfand keine Freude über die Entwicklung der Dinge. Gunter hatte Sandra aufrichtig geliebt. Marion wäre bereit gewesen, zurückzutreten und den beiden ihr Glück zu gönnen.
*
Jetzt stimmte Marion jedenfalls zu, mit Alexander Karben ein Waldrestaurant aufzusuchen, wo sie zu Mittag essen wollten. Er mußte sich eine Weile gedulden.
»Lies nur über die Minnesänger nach, Alexander«, empfahl ihm Marion. »Sie wußten die Gunst einer Dame wenigstens noch richtig zu schätzen.«
»Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig. Dadurch, daß sie die Burgfrauen umschmeichelten, verdienten sie ihr Brot. Bei den Burgherren wäre es ihnen kaum geglückt. Die dachten praktischer.«
Alexanders Sportwagen parkte vor dem Schloß, dessen Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich war. Marion bestaunte den Sportflitzer.
»Ich fahre ihn aus Imagegründen und zur Steuerersparnis«, sagte der Schauspieler leichthin.
Sie setzten sich an einen Tisch im Garten des Waldrestaurants. Die Vögel zwitscherten in dem dichten Laub der Linde, die besser als Sonnenschirme einen angenehmen Halbschatten spendete.
Marion und Alexander unterhielten sich zunächst über Gunter. Marion