Zukunft gestalten: JETZT. Jakob von Uexküll

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Zukunft gestalten: JETZT - Jakob von Uexküll

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Klimawandel ist nicht unsere einzige Herausforderung. Auch die Zerstörung der Artenvielfalt, die beispiellose Versäuerung der Meere, die zunehmende Erosion von Ackerland und die Verknappung wichtiger Naturgüter bedrohen die Zukunft.

      Ich bezeichne mich trotzdem als „Possibilist“, weil ich weiß, dass viele Lösungen nicht nur existieren, sondern sich sehr schnell verbreiten können.

      Seit mehr als 35 Jahren zeigt der Alternative Nobelpreis, was einzelne Menschen und Initiativen erreichen können. Ein Preisträger von 2013, der Schweizer Dr. Hans Herren, hat – nachdem die „modernen“ Methoden versagten – mit seiner biologischen Schädlingsbekämpfung zur Rettung der Maniok-Wurzel in Afrika nach UN-Schätzungen mindestens 20 Millionen Menschen vor dem Hungertod gerettet. Er ist einer von inzwischen weit über hundert Preisträgern.

      Bereits vor zehn Jahren wurde mir allerdings auch klar, dass die Unterstützung solcher „best practice“-Lösungen – Projekte der Hoffnung, wie sie oft genannt werden – noch nicht ausreicht, um eine rechtzeitige Wende zu erreichen. Die herrschenden Institutionen sind zu unbeweglich und die derzeitigen Handlungsanreize falsch, ja pervers, um diesen Lösungen den nötigen Durchbruch zu ermöglichen.

      Denn Menschen, Gesellschaften, Märkte, wie auch wissenschaftliche und technische Innovationen entwickeln sich nicht in einem Vakuum, sondern reagieren auf die Anreize, die sie umgeben, und besonders schnell auf gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen.

      Schon Aristoteles wusste, dass eine gute Gesellschaft auf guten Gesetzen gebaut ist, und Sokrates empfahl, wer etwas Langfristiges schaffen wolle, solle entweder Gedichte schreiben oder Gesetze. Daher habe ich 2007 den World Future Council (WFC) gegründet, ein Rat, der weltweit die erfolgreichsten nationalen und regionalen Gesetze und Regelungen identifiziert und verbreiten hilft.

      Mir fiel vor zehn Jahren z. B. auf, dass Großbritannien, obwohl es dort aufgrund der Insellage viel mehr Wind als in Deutschland gibt, nur einen Bruchteil der deutschen Windenergieleistung hatte, weil ein guter gesetzlicher Anreiz, wie ein Energie-Einspeise-Gesetz, fehlte. Der WFC hat britische Parlamentarier darüber informiert und sie überzeugt: Großbritannien hat jetzt ein Einspeisegesetz und dadurch u. a. auch eine zusätzliche solare Photovoltaik-Produktion, die ca. 4 AKW entspricht.

      Der WFC ist heute eine der Top-Referenzen für wirksame Einspeisegesetze zur Förderung erneuerbarer Energien weltweit. Mit unserer Arbeit haben wir wesentlich dazu beigetragen, dass bereits mehr als 60 Länder entsprechende Gesetze erlassen und dadurch die Nutzung erneuerbarer Energien erfolgreich gefördert haben. In über 30 parlamentarischen Anhörungen und Strategie-Workshops in Ländern wie Deutschland, den USA, den Arabischen Emiraten, Südafrika, Botswana, Ghana, Marokko, England, Schweden, Frankreich und Polen haben wir Entscheidungsträger intensiv mit den Herausforderungen und Chancen in diesem Bereich konfrontiert. Unser Ziel ist es, Städte, Gemeinden und Regionen in einem internationalen 100 %-erneuerbare-Energie-Netzwerk zusammenzubringen.

      Um solche exemplarischen Gesetze verbreiten zu helfen, hat der WFC den Future Policy Award gegründet.

      Der Future Policy Award ist der erste Preis, der Gesetze und nicht Personen auf internationaler Ebene auszeichnet. Ziel des Preises ist es, gute Gesetze weltweit bekannt zu machen. Jedes Jahr wählen wir ein Politikfeld aus, in dem innovative Lösungen besonders wichtig sind. Dieser Preis wird seit 2009 jedes Jahr zu einem anderen Thema verliehen:

      2015 für Kinderrechte,

      2014 für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen,

      2013 für Abrüstung,

      2012 für Ozean- und Küstenschutz,

      2011 für den Schutz von Wäldern,

      2010 für den Erhalt von Biodiversität und

      2009 für Nahrungssicherheit.

      Das 2009 ausgezeichnete Gesetz aus der brasilianischen Stadt Belo Horizonte garantiert jedem Bewohner eine gesunde Mahlzeit pro Tag und kostet 2 % des städtischen Budgets. Dadurch wurde die Kindersterblichkeit um 60 % gesenkt. Wir arbeiten zurzeit daran, dass dieses Gesetz in Namibia und anderen afrikanischen Ländern eingeführt wird.

      Die großen Herausforderungen von heute sind untrennbar miteinander verbunden und müssen daher „zusammengedacht“ werden, d. h. wir brauchen übergreifende, kohärente Lösungen und Anreize.

      Das erfordert ein Umdenken auch bei NGOs, den Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Spendern, die gewohnt sind, sich auf ihre jeweiligen Themenbereiche zu fokussieren. Hier könnten wir von unseren Gegnern lernen, denn die arbeiten für die Bewahrung ihrer Privilegien langfristig und koordiniert zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Auch wenn in der Zivilgesellschaft viel von Solidarität geredet wird, herrscht dort oft ein kontraproduktiver Konkurrenzkampf.

      Als Diskussionsgrundlage für ein solches „Zusammendenken“ und Handeln hat der WFC einen Globalen Politik-Aktionsplan erarbeitet, in dem die dringendsten Reformvorschläge zu verschiedenen Themen vereint sind.

      Der Globale Politik-Aktionsplan (engl. GPACT) ist eine Sammlung von 22 verknüpften und bewährten politischen Reformen, die auf eine nachhaltige, gerechte und friedliche Welt hinarbeiten und so die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen fördern. Die innovativen und praxisnahen Lösungen des Globalen Politik-Aktionsplans stellen ein Minimum an Maßnahmen dar, die zur Erhaltung der Umwelt und für den Schutz der Rechte zukünftiger Generationen notwendig sind.

      Es geht hier nicht um eine Auflistung von Problemen und Visionen, sondern darum, die Politik-Ecksteine für eine Richtungsänderung zu identifizieren: Was sind die notwendigen Handlungs-anreize zur Schaffung einer Welt, in der die Lösungen schneller zur Hand sind als die Probleme wachsen?

      Viele dieser Vorschläge sind auf ihren Gebieten schon bekannt. Aber neu ist, ihre Verbindung herzustellen. So hat der Weltzukunftsrat die erste Studie veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen der wachsenden Klimakatastrophe, Wasserknappheit und Bedrohung durch Nuklearwaffen darlegt.

      Wie viel gefährlicher wird zum Beispiel ein atombewaffnetes Pakistan, wenn dort die Gletscher geschmolzen sind und das Trinkwasser ausgeht? Werden seine Generäle uns mit der Drohung, Atomwaffen einzusetzen, dazu zwingen, hundert Millionen Umweltflüchtlinge in Europa aufzunehmen?

      Wie wird sich die Rechtslage entwickeln? Denn die wissenschaftlichen Beweise für den ursächlichen Zusammenhang von CO2-Emissionen, Klimawandel und abnormalem Wetter werden immer stärker.

      Der überwiegende Teil unserer Politiker hat offensichtlich grundlegende Risiko- und Gefahrenhierarchien nicht begriffen.

      Selbst der schlimmste ökonomische Kollaps ist nach einigen Jahren überwunden, während aber die Folgen eines Umweltbankrotts Jahrtausende (oder ewig) dauern können.

      Noch immer wird jeder ernsthafte Reformvorschlag mit dem Argument abgewürgt, es sei dafür kein Geld da. Wir verschwenden zurzeit Billionen durch eine politisch erzeugte künstliche „Austerität“, die hunderte von Millionen Menschen arbeitslos macht. Würden diese – zusammen mit brachliegenden Produktionsmitteln – für den globalen Ausbau der erneuerbaren Energien und einen ökologischen Umbau unserer Produktionssysteme eingesetzt, hätten wir gleich zwei Herausforderungen gelöst, die ökologische und die soziale. Die Kosten der erzwungenen Austerität, d. h. der Nichtnutzung dieser Möglichkeiten, hat der WFC mit mindestens 2,3 Billionen US-Dollar jährlich berechnet.

      Es wird behauptet, der Markt könne

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