Handbuch ADHS. Группа авторов

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et al. 2006a; Wiersema et al. 2006b). Da die Stärke der P300 die verfügbaren Ressourcen anzeigt, stützt dieser Befund der verkleinerten P300-Komponenten bei ADHS die These energetischer Defizite bei der Zielreizverarbeitung. Dies steht auch im Einklang mit entsprechenden psychologischen Ergebnissen (Sergeant 2005). Die multivariate Klassierung in ADHS und Kontrollprobanden anhand von ERP-Merkmalen (Smith et al. 2003) war mit 77 % korrekt Klassierten etwas weniger erfolgreich als eine entsprechende Klassierung anhand des Ruhe-EEGs (Magee et al. 2005), aber ein direkter Vergleich ist aufgrund der unterschiedlichen statistischen Methoden nicht möglich. Zwar lassen sich Gruppenunterschiede einzelner, gut validierter EEG- oder ERP-Merkmale einfacher interpretieren, aber zusätzliche Information kann Gruppenunterschiede oft besser charakterisieren.

      Moderne Verfahren zur Mustererkennung benutzen zahlreiche Merkmale, um daraus eine optimale Unterscheidung zu «lernen» (Müller et al. 2011; Poil et al. 2014; Pulini et al. 2018). So erlauben sie eine Klassifizierung durch Kombination verschiedener Merkmale wie EEG-Frequenzbänder, ERP-Komponenten, Sensoren, Hirnregionen und Zustände oder Aufgaben. Der mögliche Gewinn solcher Ansätze wird etwa in Studien von Mueller et al. (2011) und Poil et al. (2014) ersichtlich, wo Mustererkennung mit sogenannten »Machine Learning« Algorithmen benutzt wurde und durch Kombination von EEG oder ERP Massen höhere Klassifizierungsgenauigkeiten erzielt wurden. Allerdings wurden teilweise Genauigkeiten von über 90 % mit unterschiedlichen und nicht validierten ERP Massen beschrieben (Mueller et al 2011, Biederman et al. 2017), was angesichts der anerkannten Heterogenität von ADHS wenig plausibel ist.

      Die mangelnde Validierung und Übertragbarkeit betrifft aber auch solch vielversprechende Befunde mit moderner Musterklassierung, welche in besonderem Masse unabhängige Validierung mit größeren Stichproben erfordern (Pulini et al. 2018), sowie eine plausible Zuordnung zu neuronalen Systemen und Mechanismen. Da verschiedene Studien kaum je die gleichen Tests und ERP-Masse verwenden, sind auch valide Aussagen zur Klassifizierungsgenauigkeit mittels ERP Massen besonders schwierig (Gamma und Kara 2016). Eine erste Meta-Analyse zur Trennschärfe der verschiedener ERPs bestätigte nun, dass spätere kognitive ERP Komponenten besser klassieren als frühere, wenn auch die höchste Effektstärke der späten P300 Amplitude mit 0,57 im mittleren Bereich blieb und sich damit nicht zur Individualdiagnostik eignet (Kaiser et al. 2020).

      Inhibition, Konflikt- und Fehlerverarbeitung

      Die klassische Inhibitionsaufgabe ist die Stoppaufgabe, wo eine schon initiierte Antwort unterdrückt werden muss, wenn ein entsprechendes Signal auftritt. Kinder mit ADHS haben große Schwierigkeiten, schnell auf dieses Stoppsignal zu reagieren (Rubia et al. 1998). Entsprechend zeigen Kindern mit ADHS in dieser Aufgabe neben einer schwächeren P300-Komponente auch Veränderungen in den vorangehenden Komponenten bei erfolglosen Stopp-Versuchen (Brandeis et al. 1998). Diese frühen Veränderungen treten schon beim Eintreffen des Stoppsignals auf und zeigen somit, dass verringerte Antworthemmung durch vorangehende posteriore Aufmerksamkeitsdefizite zustande kommt. Nach erfolgreichen Stopp-Versuchen ergab sich eine typische NoGo-P300 mit frontaler Quellenlösung, welche aber keine Gruppenunterschiede aufwies; dieser Befund deutet ebenfalls auf intakte Antworthemmung hin. Ähnliche Befunde zur verminderten Vorbereitung, aber auch eine verminderte frontale N200 oder verwandte frontale Aktivität nach Stoppsignalen fanden sich in neueren Studien bei Kindern (Albrecht et al. 2005; Overtoom et al. 2002; Pliszka et al. 2000). Die Verminderung der N200 scheint unabhängig von der Behandlungsgeschichte mit MPH zu sein (Liotti et al. 2007), und die akute MPH Behandlung führte zu einer teilweisen Normalisierung mit Vergrößerung der N200 und der NoGo-P300 (Pliszka et al. 2007). Die N200-Verminderung als Merkmal für beeinträchtigte Hemmprozesse ist aber nicht spezifisch für ADHS, da sie in gleichem Maß bei Kindern mit reinem ADHS oder mit reinen Verhaltensauffälligkeiten (ODD/CD) auftritt (Albrecht et al. 2005).

      Inhibitionsschwächen finden sich auch in Go/NoGo Aufgaben wie der CPT A-X (oder CPT O-X), wo die Warnreize eine Go/NoGo Aufgabe signalisieren. Dabei zeigen Kinder mit ADHS eine schwächere frontozentrale NoGo-P300, die sich tomografisch auf verminderte frontale Aktivierung im anterioren Cingulum während der Hemmbedingungen zurückführen lässt (Brandeis et al. 2002b; Fallgatter et al. 2004; Strik et al. 1998). Ganz ähnliche Aktivitätsverminderungen in der NoGo-Bedingung fanden sich bei Erwachsenen mit ADHS (Fallgatter et al. 2005, Mc Loughlin et al. 2010) und deren nicht betroffenen Familienmitgliedern (McLoughlin et al. 2011). Verminderte NoGo-P300 tritt aber auch bei anderen Störungen wie Schizophrenie auf, und ist somit nicht spezifisch für ADHS (Kropotov et al. 2019).

      Diese Inhibitionsschwächen sind vor allem bei Kindern mit komorbiden Störungen wie Störungen des Sozialverhaltens (ODD/CD) ausgeprägt und können so nicht als spezifische Marker für ADHS gelten (Banaschewski et al. 2004). Entsprechend zeigt sich eine Verminderung der frontalen N2 nach NoGo Reizen nur bei ADHS Kindern mit zusätzlichen Störungen des Sozialverhaltens (Overtoom et al. 1998). Wenn Messungen der NoGo-P300 und der intracorticalen Hemmung (durch transkranielle Magnetstimulation) »multimodal« kombiniert werden, lassen sich ADHS und Kontrollgruppen deutlich besser unterscheiden als mit einem Verfahren allein (90 % Genauigkeit, Heinrich et al. 2014).

      Die Verarbeitung konfliktierender Information ist bei ADHS ebenfalls betroffen. So zeigt sich etwa in visuellen Flankeraufgaben bei konfliktierender Information verminderte N2 Aktivität (Albrecht et al. 2008), und konfliktierende visuelle und auditorische Information beeinträchtigen anschließende Inhibitionsvorgänge (Chmielewski et al. 2018).

      Auch die Fehlerverarbeitung ist bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS beeinträchtigt, wie inzwischen auch eine Meta-Analyse bestätigt (Geburek et al. 2013). Der entsprechende ERP-Marker, die Stärke der sogenannten fehlerbezogenen Negativität oder Ne, liegt für nicht betroffene Geschwister zwischen dem der ADHS und dem der Kontrollgruppe, und kann somit als Endophänotyp betrachtet werden (Albrecht et al. 2008). Bei Remission der ADHS-Symptomatik bilden sich auch Defizite der Fehlerverarbeitung (Ne und Pe) zurück, welche bei persistierendem ADHS erhalten bleiben (Michelini et al. 2016).

      Schließlich sind auch motivationale Vorgänge wie Belohnungsverarbeitung bei ADHS betroffen, was sich an verändertem Entscheidungsverhalten und Feedbackverarbeitung zeigt. So konnten etwa simultane EEG-fMRT Messungen nachweisen, dass Jugendlichen mit ADHS falsche Vorhersagen der erwarteten Belohnung bei weniger gut verarbeiten, und entsprechend medial frontale Gebiete kurz nach dem Feedback schwächer aktivieren als nicht betroffene Jugendliche (Hauser et al. 2014).

      Kognitive und motorische Vorbereitungsprozesse

      Auch Vorbereitungsprozesse sind bei Kindern mit ADHS oft beeinträchtigt. Verminderte motorische Vorbereitung (gemessen anhand des lateralisierten Bereitschaftspotenzials) kann gleichzeitig mit der typischen P300-Verminderung auftreten, und kann davon durch antwortbezogene Mittelung und Quellenanalyse unterschieden werden (Steger et al. 2000). Erwartungs- und Vorbereitungsprozesse sind bei ADHS aber nicht immer vermindert. Während die CNV-Verminderung bei Kindern mit teilweise subklinischem ADHS kaum vermindert ist (van Leeuwen et al. 1998), zeigen anderen Studien deutlichere CNV-Verminderungen bei Kindern mit stark ausgeprägtem ADHS (Banaschewski et al. 2003). Erst die systematische Untersuchung der Rolle von Komorbidität konnte aufzeigen, dass diese CNV-Verminderung vor allem bei Kindern mit ausgeprägtem ADHS, aber ohne zusätzliche Störungen des Sozialverhaltens auftritt (Banaschewski et al. 2003).

      Neben der CNV zeigt sich bei der Vorbereitung auch eine Alpha-Unterdrückung über posterioren Gebieten, welche besonders beim unaufmerksamen ADHS-Subtyp beeinträchtigt ist (Mazaheri et al. 2014). Ähnlich wie die mit der NoGo-P3 erfassten hemmenden Kontrolle, bleibt auch die mit der CNV gemessene kognitive Vorbereitung bei Erwachsenen mit ADHS vermindert (McLoughlin et al. 2010). Dazu ist die CNV Verminderung offenbar auch ein spezifischer Marker für die Persistenz von ADHS im Erwachsenenalter und tritt nach Remission der ADHS-Symptomatik nicht mehr auf, während die NoGo-P3 auch nach Remission vermindert bleibt (Cheung et al 2016). Im Längsschnitt zeigt sich auch, dass die verminderte NoGo P3 eher einer Entwicklungsverzögerung im Jugendalter mit späterer frontalen Reifung entspricht,

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