Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs. Charles Dickens

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Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs - Charles Dickens

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den Ihren. Erlauben Sie mir, mich auf Ihren Arm zu stützen,« fügte er flüsternd hinzu, »ach, Fräulein Rachel!«

      Die geängstigte Dame trat vor und bot ihm den Arm. Sie gingen ins Frühstückszimmer. Herr Tracy Tupman preßte ihre Hand zärtlich an seine Lippen und sank auf das Sofa.

      »Fühlen Sie sich schwach?« fragte die besorgte Rachel.

      »Nein«, antwortete Herr Tupman. »Es ist nichts; es wird mir im Augenblick besser werden.«

      Er schloß die Augen.

      »Er schläft«, flüsterte Jungfer Tante. Seine Sehwerkzeuge blieben beinahe zwanzig Sekunden geschlossen. »Lieber – lieber – Herr Tupman!«

      Herr Tupman sprang auf – »O, sagen Sie diese Worte noch einmal!« rief er aus.

      Die Dame war bestürzt. »Sie haben es doch nicht gehört«, sagte sie beschämt.

      »Jawohl, ich habe sie gehört«, versetzte Herr Tupman, »wiederholen Sie sie. Wenn Sie wünschen, daß ich genesen soll, wiederholen Sie sie.«

      »Pst!« sagte die Dame. »Mein Bruder.«

      Herr Tracy Tupman nahm seine frühere Lage wieder ein, und Herr Wardle trat mit einem Wundarzt ins Zimmer.

      Der Arm wurde untersucht, die Wunde verbunden und für höchst unbedeutend erklärt. Die Gesellschaft beruhigte sich und ging an die Befriedigung ihres Appetits mit Mienen, auf der wieder der frühere Ausdruck der Heiterkeit lag. Nur Herr Pickwick war still und zurückhaltend. Zweifel und Enttäuschung spiegelten sich in seinen Zügen. Sein Vertrauen auf Herrn Winkle hatte durch die Vorfälle des Morgens einen Stoß erlitten – einen großen Stoß.

      »Spielen Sie Kricket?« fragte Herr Wardle den Schützen.

      Zu einer andern Zeit würde Herr Winkle die Frage bejaht haben. Aber jetzt antwortete er mit einem bescheidenen »Nein«: er fühlte das Heikle seiner Lage.

      »Spielen Sie Kricket, mein Herr?« fragte Herr Snodgraß.

      »Früher«, antwortete der alte Herr; »aber ich habe es aufgegeben: ich gehöre zwar noch zu der hiesigen Gesellschaft, spiele aber nicht mehr mit.«

      »Heute findet, glaube ich, ein großes Ballspiel statt?« sagte Herr Pickwick.

      »Ja«, erwiderte der alte Herr. »Natürlich werden Sie es auch sehen wollen.«

      »Ich sehe sehr gern solchen Spielen zu,« versetzte Herr Pickwick, »wo man seines Lebens sicher ist und keine Gefahr läuft, durch die ungeschickte Hand von Dilettanten darum zu kommen.« Herr Pickwick schwieg und sah starr auf Herrn Winkle, der unter seinen Flammenblicken beinahe zu Boden sank. Nach einigen Minuten wandte der große Mann seine Augen weg und fügte hinzu: »Können wir mit gutem Gewissen den Verwundeten der Pflege der Damen überlassen?«

      »Sie können mich in keine besseren Hände geben«, sagte Herr Tupman.

      »Unmöglich«, bemerkte Herr Snodgraß.

      Es wurde also beschlossen, Herr Tupman sollte unter der Pflege der Damen zu Hause bleiben, und die übrigen Gäste unter der Führung Herrn Wardles dem Spiele beiwohnen, das Muggleton aus seinem Schlummer geweckt und in Dingley Dell erregendes Fieber hervorgerufen hatte.

      Da ihr Weg, der nicht mehr als zwei (englische) Meilen betrug, durch schattige Heckengänge und über abgelegene Fußpfade führte, und sich ihre Unterhaltung um die reizende Landschaft drehte, die sie rings umgab, war Herr Pickwick beinahe geneigt, den Ausflug, den sie gemacht hatten, satt zu bekommen, als er sich in der Hauptstraße der Stadt Muggleton befand.

      Wer nur einigermaßen einen Sinn für Topographie hat, weiß, daß Muggleton eine Landstadt ist mit einem Bürgermeister, Beigeordneten und bevorrechteten Bürgern, die die durch das Parlament bestimmte Vorrechte einer Korporation genießen. Wer je die Adressen des Bürgermeisters an die Bürger, oder der Bürger an den Bürgermeister, oder beider an den Magistrat oder aller drei an die Stadtverordnetenversammlung gelesen hat, wird daraus ersehen, was er schon zuvor hätte wissen sollen, daß Muggleton eine alte und loyale Stadt ist, die mit einem großen Eifer für die Grundsätze des Christentums eine innige Anhänglichkeit an die Handelsgerechtsame verbindet. Demzufolge haben der Bürgermeister, der Magistrat und andere Einwohner zu verschiedenen Zeiten nicht weniger als tausendvierhundertzwanzig Eingaben wider den Sklavenhandel und eine gleiche Zahl von Eingaben gegen die Abschaffung des Fabriksystems im Vaterland, achtundsechzig für Gestaltung des Verkaufs von Kirchenpfründen und sechsundachtzig für Abstellung des öffentlichen Kaufs und Verkaufs an Sonntagen eingeschickt.

      Herr Pickwick stand in der Hauptstraße dieser berühmten Stadt und betrachtete die Dinge, die ihn umgaben, voll Neugierde und Teilnahme. Er sah einen viereckigen Marktplatz, und mitten darauf einen großen Gasthof mit einem Schilde, der einen in der Kunst sehr gewöhnlichen, in der Natur aber höchst seltenen Gegenstand darstellte: einen blauen Löwen, der drei Beine in die Lüfte streckte, und auf der Spitze der mittleren Klaue seines vierten Beines herumbalancierte. In der Nähe wohnte ein Auktionator, ein Agent der Feuerversicherungsgesellschaft, ein Kornhändler, ein Leineweber, ein Sattler, ein Branntweinbrenner, ein Kolonialwarenkaufmann und ein Schuhmacher. Dieser hatte einen Laden, in dem außer den Erzeugnissen seiner Kunst auch noch Hüte, Mützen, Kleider, baumwollene Regenschirme und gemeinnützige Kenntnisse zu haben waren. Hier stand ein Haus aus roten Backsteinen in einem gepflasterten Hofe, dem jedermann ansah, daß es dem Staatsanwalt gehörte, dort ein anderes aus Backsteinen erbautes Haus mit venetianischen Fensterblenden und einer großen Messingplatte an der Tür, worauf sehr leserlich geschrieben stand, daß hier ein Wundarzt wohne. Einige Jungen eilten dem Schauplätze des Wettspiels zu, und zwei oder drei Krämer standen unter ihren Ladentüren und sahen aus, als hätten sie ebenfalls Lust, der Festlichkeit beizuwohnen, was sie auch ohne große Beeinträchtigung ihres Berufs getrost hätten wagen dürfen. Nachdem Herr Pickwick diese Beobachtungen gemacht hatte, um sie später in sein Gedenkbuch einzutragen, eilte er schnell seinen Freunden nach, die die Hauptstraße verlassen hatten und bereits den Kampfplatz vor sich sahen.

      Die Pfähle waren eingerammt und ein paar Zelte für die Kämpfer aufgeschlagen, worin sie ausruhen und Erfrischungen zu sich nehmen konnten. Das Spiel hatte aber noch nicht begonnen. Zwei oder drei Dingleydeller und einige Muggletoner belustigten sich damit, den Ball mit wichtiger Miene lustig von Hand zu Hand fliegen zu lassen: einige andere Herren in derselben Tracht, mit Strohhüten, Flanelljacken und weißen Hosen – ein Anzug, in dem sie wie Steinmetzen aussahen – standen um die Zelte herum, und Herr Wardle führte seine Gesellschaft eben in ein solches ein.

      Einige Dutzend »Wie geht's?« begrüßten den alten Herrn, und ein allgemeines Hutabnehmen und Hinunterziehen der Flanelljacken folgte der Einführung seiner Gäste, die er als Herren aus London vorstellte. Sie wären außerordentlich begierig, den Feierlichkeiten des Tages beizuwohnen, die, wie er nicht zweifle, ihren vollen Beifall finden würden.

      »Wollen Sie nicht lieber ins Hauptzelt treten, Sir?« sagte ein sehr stattlich aussehender Gentleman. Sein Leib und seine Beine sahen aus, als stünde die Hälfte eines riesigen Flanellballens auf ein Paar ausgestopften Kissen.

      »Sie sehen es hier weit besser«, sagte ein anderer stattlicher Gentleman, der genau der zweiten Hälfte des vorerwähnten Flanellballens entsprach.

      »Sie sind sehr gütig«, versetzte Herr Pickwick.

      »Hierher«, sagte der erstgenannte Herr; »hier wird aufgeschrieben – es ist der beste Punkt auf dem ganzen Felde.« Und der Kricketspieler schritt der Gesellschaft voran in das bezeichnete Zelt.

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