Kärntner Totenmesse. Roland Zingerle
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Heinz notierte sich diese Namen, ehe er weiterrecherchierte.
Natürlich gab es jede Menge Kritik an diesem „Ausverkauf des Familiensilbers“, wie es blumig hieß, doch die Argumentation von Moritsch und Malle schien die wesentlichen Stellen in der Landesregierung zu überzeugen. Immosorg verpflichtete sich nämlich, Wirtschaftsbetriebe auf den gekauften Liegenschaften anzusiedeln und damit eine vertraglich fixierte Anzahl von Arbeitsplätzen zu schaffen. Damit tauschte der Landesrat Landeseigentum gegen Arbeitsplätze, wie er es nannte – und der Verkaufserlös schönte das Landesbudget.
Das alleine hätte Heinz in die Kategorie „Politisches Hickhack“ eingeordnet, wäre da nicht ein paar Wochen zuvor über einen Fall berichtet worden, der ihn stutzig machte. Konkret ging es um ein Seegrundstück am Wörthersee, für das sich Immosorg interessierte, das aber der katholischen Kirche gehörte. Nach anfänglicher Weigerung willigte die Kirche in den Verkauf ein, weil Landesrat Moritsch als Vermittler auftrat. Die anderthalb Hektar wechselten daraufhin für eine Summe von dreiundachtzig Komma fünf Millionen Euro den Besitzer, und Ines Malle ließ verlauten, die Immosorg werde dafür sorgen, dass auf dem Grundstück ein Altenpflegeheim für höchste Ansprüche errichtet werde, eine entsprechende Ausschreibung unter Pflegeheimbetreibern laufe bereits.
Altenpflegeheim – das erinnerte Heinz drückend an den Vormittag, an den Rechtsanwalt, dem er sich beweisen musste, und damit an seinen Auftrag. Er notierte die Eckdaten, damit er nichts vergaß, dann versuchte er nachzudenken. Das seltsame Gefühl, das ihn beim Lesen der Artikel beschlichen hatte, verstärkte sich beim Durchsehen seiner Notizen immer mehr.
Warum sollte Landesrat Moritsch zwischen der katholischen Kirche und einem privaten Immobilien-Investor vermitteln? Vermutlich hatte er dafür eine fette Provision kassiert, alles andere ergab für Heinz keinen Sinn. Gegenüber den Medien hatte der Landesrat zwar argumentiert, das Projekt ergänze seine Arbeitsplatz-Offensive, doch das wäre für die Kirche als Eigentümerin kein Grund gewesen, einzulenken. Und das war der nächste Punkt, den Heinz nicht verstand: Warum änderte die Kirche ihren Standpunkt aufgrund der Einmischung des Landesrates?
Heinz überlegte weiter. Das Einzige, was er sich vorstellen konnte, war, dass der Verkauf finanziell besonders attraktiv gewesen war. Möglicherweise hatte also nicht die Kirche eingelenkt, sondern die Immosorg auf Moritschs Betreiben hin den Kaufpreis erhöht. Heinz suchte im Internet nach Immobilienmaklern, die mit Grundstücken am Wörthersee handelten.
Wenige Minuten später starrte er entgeistert abwechselnd auf den Bildschirm und auf seine Notizen und verstand die Welt nicht mehr. Er rechnete noch einmal nach, da er glaubte, wegen seiner mangelhaften Konzentration einen Fehler gemacht zu haben, doch es stimmte alles. Keines der Seegrundstücke, die die Makler im Angebot hatten, war günstiger zu haben als zu einem Quadratmeterpreis von fünftausendsechshundert Euro! Anderthalb Hektar, das waren fünfzehntausend Quadratmeter, multiplizierte er diese mit fünftausendsechshundert Euro, kam er auf einen Gesamtpreis von vierundachtzig Millionen Euro – und das war die Preisuntergrenze! Warum willigte die katholische Kirche nach anfänglicher Weigerung in einen Verkauf ein, der eine halbe Million unter Wert lag?
Die einzig logische Schlussfolgerung, auf die Heinz kam, war, dass Landesrat Moritsch der katholischen Kirche irgendein „Zuckerl“ angeboten hatte, ein Gegengeschäft, das den Grundstücksdeal attraktiv gemacht hatte. Das musste allerdings ein Zuckerl im Wert von zumindest fünfhunderttausend Euro gewesen sein – und das warf wiederum die Frage auf, welchen Nutzen das Land Kärnten davon hatte.
Kapitel 4
Donnerstag, 15 Uhr
„Frau Chefinspektorin?“
Sabine, die gerade das Café betreten wollte, fuhr herum. An einem der Straßentische des Lokals saß eine schlanke Frau Anfang dreißig, die sie mit großen, dunklen, unsicheren Augen ansah.
Margot Teppan hatte Sabine angerufen und darum gebeten, sie in einem Kaffeehaus zu treffen, nicht, wie ursprünglich vereinbart, bei sich zuhause. Eine Zigarettenschachtel samt Feuerzeug machten Sabine klar, warum sie den Tisch im Freien gewählt hatte, das würde die Unterhaltung allerdings erschweren, denn die stark befahrene Sankt-Veiter-Straße war nur eine Gehsteig- und eine Parkstreifenbreite entfernt.
Die beiden Frauen begrüßten sich und Sabine nahm Platz. Frau Teppan trug ein leichtes, lilafarbenes Alltagskostüm, das billig wirkte. Ihre schimmernden, dunkelbraunen Haare breiteten sich über ihre Schultern, und ihre schmalen Lippen waren in einem rosaroten Farbton dezent geschminkt. Sie war attraktiv und wirkte gepflegt, doch alles an ihr – ihr Gesichtsausdruck, ihre Frisur, ihre Kleidung – wirkte irgendwie fahrig, hektisch. So auch die Bewegungen ihrer Hände, als sie eine Zigarette aus der Packung schüttelte, zum Mund führte und anzündete. Der erste, tiefe Zug schien sie etwas zu entspannen.
„Danke, dass wir uns hier treffen können“, begann sie, „mein Mann ist nicht gut beieinander. Der viele Alkohol gestern ... er ist das nicht gewöhnt.“
„Warum hat er sich betrunken?“
Margot Teppan zuckte so stark zusammen, dass ihr beinahe die Zigarette aus den schlanken Fingern fiel. Sie nahm einen Zug, streifte die nicht vorhandene Asche ab, blies den Rauch aus – spielte auf Zeit. „Er hat ...“, begann sie schließlich, „in den vergangenen Jahren schrecklich viele Rückschläge erlitten, beruflich. Alkohol war aber noch nie ein Thema.“
Sabine wollte fragen, was denn gestern anders gewesen sei als bisher, entschied sich dann aber für eine etwas weniger direkte Vorgehensweise, um Margot Teppan nicht vollends zu verschrecken. „Was waren das für Rückschläge?“
Die Gefragte zog wieder an der Zigarette, streifte die Asche ab, blies den Rauch aus. „Wir haben ... er hat eine Druckerei geführt, in Köttmannsdorf. Von seinem Papa geerbt. Die ist pleite gegangen.“
Die Chefinspektorin musterte die Frau. Offenbar traute sie sich noch nicht aus sich heraus, Sabine musste irgendwie ihren Redefluss in Gang bringen. „Haben Sie Landesrat Rudi Moritsch gekannt?“
Margot Teppan nickte.
„Seit wann?“
Sie vollzog wieder ihr Ritual, ehe sie begann. „Seit vielen Jahren. Rudi und ich sind damals der Kärntner Jugend beigetreten, da war ich siebzehn Jahre alt.“ Ein Lächeln flog wie ein Schatten über ihr Gesicht und verzauberte es für die Dauer eines Herzschlags. „Rudi war achtzehn.“
„Die Kärntner Jugend? Was ist das?“, unterbrach Sabine.
„Das ist ... die Jugendorganisation von Rudis Partei. Wir waren eine Menge junge Leute, damals. War eine schöne Zeit.“
„War Ihr Mann auch Mitglied?“
Frau Teppan blickte ihr kurz in die Augen. „Ja, Fritz war der Obmann. Damals. Er ist ja um einiges älter als ich, zwölf Jahre.“
„Haben Sie sich gleich ineinander verliebt?“
„Nein, erst später, Jahre später. Damals war er für mich noch ein alter Mann.“ Ihr Grinsen wirkte unschuldig.