Mansfield Park. Jane Austen
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erfüllen. Aber nein, meinte der, so ein kurzhalsiger, schlagflüssiger Kerl, der sich mit allen guten Dingen vollstopfte, würde schon rechtzeitig abkratzen.
Dr. Grant besaß eine um etwa fünfzehn Jahre jüngere Frau, aber keine Kinder, und dem Eintreffen des Paares gingen die üblichen wohlwollenden Gerüchte voraus, daß sie höchst achtbare und angenehme Leute seien.
Nun war der von Sir Thomas erwartete Zeitpunkt gekommen, zu dem, wie er stets geglaubt hatte, seine Schwägerin ihren Anspruch auf ihre Nichte geltend machen würde. Mrs. Norris’ veränderte Umstände und Fannys reiferes Alter schienen nicht nur angetan, alle früheren Bedenken gegen ein Zusammenleben der beiden zu zerstreuen, sondern ließen es im Gegenteil als die vorzüglichste Lösung erscheinen; da Sir Thomas’ Vermögenslage nicht nur durch die Verschwendungssucht seines ältesten Sohnes, sondern auch durch kürzlich erlittene Verluste aus seinen westindischen Besitzungen einigermaßen gelitten hatte, wäre es ihm nicht unerwünscht gewesen, von den Kosten für Fannys Unterhalt und der Verpflichtung ihrer künftigen Versorgung entlastet zu werden. Er war so fest davon überzeugt, es werde bald zu dieser Veränderung kommen, daß er seine Frau auf diese Wahrscheinlichkeit vorbereitete; und da Fanny zufällig anwesend war, als die Sache Lady Bertram zum erstenmal wieder in den Sinn kam, bemerkte diese in aller Ruhe: «Jetzt wirst du uns also verlassen, Fanny, und bei meiner Schwester leben. Wie wird es dir dort gefallen?»
Fanny war derart überrascht, daß sie nur die Worte ihrer Tante zu wiederholen vermochte:
«Sie verlassen, Tante?»
«Ja, mein Kind, warum verwundert dich das? Du bist jetzt fünf Jahre bei uns gewesen, und meine Schwester hatte stets die Absicht, dich zu sich zu nehmen, wenn ihr Mann nicht mehr da wäre. Aber du mußt trotzdem immer herüberkommen und mir meine Stickmuster einrichten.»
Die Nachricht war für Fanny ebenso schrecklich wie unerwartet. Sie hatte niemals etwas Gutes von ihrer Tante Norris erfahren und war nicht imstande, sie zu lieben.
«Es wird mir sehr schwerfallen, von hier fortzugehen», stammelte sie.
«Ja, Kind, das glaube ich dir. Das ist ganz natürlich. Es kann wohl keinem Menschen besser gehen, als es dir bei uns ergangen ist.»
«Ich hoffe, ich bin nicht undankbar, Tante», sagte Fanny bescheiden.
«Nein, liebes Kind, sicher nicht. Du warst immer ein sehr braves, gutes Mädchen.»
«Und ich soll niemals wieder hier leben?»
«Niemals, mein Kind. Aber du wirst ja auch dort ein behagliches Heim haben. Es kann für dich keinen Unterschied machen, in welchem Haus du wohnst, dort oder hier.»
Fanny verließ das Zimmer mit bleischwerem Herzen. Ihr erschien der Unterschied gewaltig, sie konnte nicht mit Gleichmut an ein Zusammenleben mit ihrer Tante denken. Sobald sie Edmund begegnete, gestand sie ihm ihren Kummer.
«Edmund», sagte sie, «mir steht etwas ganz Schlimmes bevor. Du hast es oft zuwege gebracht, mich mit Dingen auszusöhnen, die mir zuerst schrecklich vorgekommen sind, aber diesmal wird es dir nicht gelingen. Ich soll für immer zu Tante Norris übersiedeln.»
«Nein, wirklich!»
«Ja, Tante Bertram hat es mir gerade gesagt. Es ist schon fest abgemacht. Ich muß von hier fort und im Weißen Haus wohnen – wahrscheinlich, sobald sie dort eingerichtet ist.»
«Weißt du, Fanny, wenn der Plan dir nicht zuwider wäre, würde ich ihn ausgezeichnet finden.»
«O Edmund!»
«Bis auf deine Abneigung spricht alles dafür.
Es ist sehr vernünftig von Tante Norris, daß sie dich zu sich nehmen will. Sie könnte nirgends eine bessere Freundin und Gesellschafterin finden, und es freut mich, daß sie sich diesmal nicht von ihrem Geiz beeinflussen läßt. Du wirst ihr eine Tochter sein. Macht es dir wirklich so großen Kummer, Fanny?»
«Ja, ich bin sehr unglücklich. Hier habe ich alles so lieb – das Haus und alles. Dort ist nichts, was ich liebhaben kann. Du weißt ja, wie Tante Norris zu mir ist.»
«Als Kind hat sie dich wirklich nicht nett behandelt – in diesem Punkt kann ich sie nicht in Schutz nehmen. Aber zu uns war sie nicht viel anders – sie hat es nie verstanden, mit Kindern umzugehen. Jetzt, wo du bald erwachsen bist, wird das anders werden. Es kommt mir vor, daß sie dich schon jetzt freundlicher behandelt. Und wenn du erst ihre ständige Gefährtin bist, wirst du ihr sehr viel bedeuten – es kann gar nicht anders kommen.»
«Ich werde niemals einem Menschen etwas bedeuten.» «Warum nicht? Was sollte dich daran hindern?» «Alles … meine Stellung … meine Dummheit und Ungeschicklichkeit …»
«Was deine Dummheit und Ungeschicklichkeit betrifft, meine liebe, kleine Fanny, darfst du mir glauben, daß du keine Spur davon besitzt, außer wenn du so unpassendes Zeug redest. Jeder, der dich richtig kennt, wird dich schätzen und lieben. Du hast einen guten Verstand, ein liebes, sanftes Wesen und ein dankbares Gemüt, das keine Freundlichkeit unerwidert lassen kann. Ich wüßte nicht, wer sich besser zur Freundin und Gesellschafterin eignen könnte.»
«Du bist zu gut», sagte Fanny, über solches Lob errötend. «Wie kann ich dir jemals genug für deine gute Meinung danken? Ach, Edmund, wenn ich von hier weg muß, werde ich bis zu meiner letzten Stunde niemals vergessen, wie gut du zu mir gewesen bist.»
«Ich will hoffen, daß du mich von hier bis zum Weißen Haus nicht vergessen wirst», sagte Edmund lachend. «Fanny, du tust, als müßtest du zweihundert Meilen weit reisen, anstatt einfach den Park zu durchqueren. Du wirst genau so zu uns gehören wie bisher, wir werden an jedem Tag, den Gott gibt, zusammenkommen. Der einzige Unterschied wird darin bestehen, daß du, wenn du mit der Tante allein lebst, dich besser entfalten wirst. Hier gibt es zu viele, hinter denen du dich verstecken kannst. Bei ihr wirst du gezwungen sein, den Mund aufzutun und deine Meinung zu äußern.»
«Ach, sag das nicht!»
«Doch, ich muß es sagen, und ich sage es gern. Gerade jetzt scheint mir Tante Norris viel geeigneter, sich um dich zu kümmern, als meine Mutter. Es liegt in ihrer Natur, daß sie sich höchst energisch für jeden Menschen einsetzt, an dem sie wirklich Interesse hat. Sie wird dich dazu bringen, daß du dich selber richtig einschätzest.»
Fanny seufzte. «Ich kann es nicht so ansehen wie du», sagte sie. «Ich möchte gern glauben, daß du recht hast, und ich bin dir schrecklich dankbar, daß du mir helfen willst, mich mit dem Unabwendbaren abzufinden. Wenn ich nur denken dürfte, daß der Tante wirklich etwas an mir liegt! Es wäre so schön, zu wissen, daß ich einem Menschen etwas sein kann! – Hier, das weiß ich, bin ich niemandem wichtig, und doch hänge ich so sehr an dem Ort.»
«Den Ort, Fanny, wirst du nicht verlassen, auch wenn du das Haus verläßt. Du wirst ganz wie immer über Park und Garten verfügen. Sogar dein anhängliches kleines Herz braucht über eine Veränderung, die nur dem Namen nach eine ist, nicht zu erschrecken. Du wirst die gleichen Spaziergänge machen, deine Bücher aus der gleichen Bibliothek wählen, die gleichen Gesichter um dich sehen, auf dem gleichen Pferd reiten – genau wie bisher.»
«Ja, das ist wahr. Mein liebes, altes graues Pony! Ach, Edmund, wenn ich daran denke, wie ich mich vor dem Reiten gefürchtet, mit welcher Angst ich zugehört habe, wenn die Rede darauf kam, daß es mir guttun würde! (Wie habe ich immer gezittert, daß Onkel den Mund auftun würde,