Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 8 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 8 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 15
»Das ist deine persönliche Version der Geschichte, an die du unbedingt glauben musst. Sonst müsstest du dir nämlich eingestehen, wie es wirklich war«, sagte sie Jenny auf den Kopf zu.
»So einen ausgemachten Blödsinn habe ich lange nicht gehört.« Die Klinikchefin probierte ein belustigtes Lachen, doch zu ihrem großen Ärger entkam ihr nur ein zorniges Schnauben.
Sie hatte längst genug von diesem Gespräch und wollte sich auf den Weg in ihr Büro machen. Doch noch immer hielt ihre Cousine sie am Arm fest. Wenn Jenny ihr nicht wehtun wollte, musste sie bleiben. Und sich im Gegenzug Wahrheiten anhören, die schmerzten wie Peitschenhiebe.
»Ja, da staunst du, was?«, fragte Nicole hämisch. Doch die Apparate zeigten, dass sie keinesfalls so unbeteiligt war, wie sie vorgab. »Aber es kommt noch besser, und es ist mir egal, ob du es hören willst oder nicht. Früher dachte ich, wir könnten das zusammen friedlich an einem Tisch besprechen. Nachdem du der Wahrheit aber immer ausgewichen bist, sage ich es dir eben jetzt: Es war nicht ich, die Uritz verführt hat.«
Schlagartig wich alle Farbe aus Jennys Gesicht. Sie schluckte schwer.
»Sondern?«
In diesem Moment bekam Nicole Mitleid mit ihrer Cousine. Es war offensichtlich, wie sehr Jenny unter diesen Erinnerungen litt. Doch sie wusste auch, dass es jetzt kein Zurück mehr gab.
»Nach einem Streit mit dir ist Uritz völlig aufgelöst zu mir gekommen. Er hat es nicht mehr ertragen, wie du mit ihm umgesprungen bist. Genauso, wie du es jetzt mit deinem Lebensgefährten tust.«
»Das ist nicht wahr!«, versuchte Jenny, sich ein letztes Mal gegen die unabänderlichen Tatsachen zu wehren.
Nicole seufzte und fuhr dann weicher fort.
»Es ist wahr. Aber wenn du glaubst, dass es ein gutes Gefühl war, sich als Lückenbüßer zu fühlen, dann irrst du dich.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie den Kopf schüttelte. »Noch bei der Hochzeit hab ich mich gefragt, ob er nicht die ganze Zeit an dich denkt.« Kraftlos ließ sie Jennys Arm los und zog die Hand zurück.
Diesen Moment nutzte die Klinikchefin zur Flucht. Keine Sekunde länger hätte sie es in diesem Zimmer, mit diesen Anschuldigungen ausgehalten.
»Das ist nicht wahr!«, stöhnte Jenny und wandte sich zum Gehen.
Um ein Haar hätte sie Schwester Elena umgerannt, die in diesem Moment mit dem Frühstück hereinkam. Jenny stutze kurz, ehe sie an der verdutzten Mitarbeiterin vorbei aus dem Zimmer flüchtete.
»Chefin, Ihr Frühstück!«, rief Elena ihr noch nach.
Aber Jenny Behnisch antwortete nicht. Sie konnte nicht. Denn dann hätte jeder das Zittern in ihrer Stimme bemerkt.
*
»Roman! Wie schön, dass du unserer Einladung gefolgt bist!« Freudig begrüßte Fee Norden den Architekten und umarmte ihn. Dabei warf sie einen Blick über seine Schulter. »Aber wo hast du denn Jenny gelassen?«
»Sie hat es vorgezogen, in der Klinik zu bleiben«, erwiderte Roman und reichte Felicitas die Tüte mit den Brötchen, die er bereits am frühen Morgen in Tatjanas Bäckerei erstanden hatte.
»Aber heute ist Samstag«, bemerkte Fee, während sie ihren Gast ins Esszimmer führte und ihm einen Platz am üppig gedeckten Tisch anbot. »Normalerweise arbeitet sie doch am Wochenende nicht.«
»Mal abgesehen davon, dass ihr doch eigentlich im Gartenhotel Alpenblick wärt.« Auch Dr. Norden hatte den Gast begrüßt und schenkte ihm Kaffee ein. »Dafür hatte sie doch auch Zeit.«
Roman dankte Daniel und rührte in der Tasse, in die er zuvor Milch und Zucker gegeben hatte. Erst als er einen Schluck getrunken hatte, antwortete er:
»Das dachte ich eigentlich auch. Deshalb wollte ich sie gleich heute früh aus der Klinik holen und mit zu euch bringen.« Die Enttäuschung ließ seine Stimme bitter klingen, und er seufzte tief. »Sie hat rundweg abgelehnt mit der Begründung, dass ihr Schreibtisch demnächst zusammenbrechen würde.«
Fee und Daniel tauschten betroffene Blicke.
»Was ist nur plötzlich in sie gefahren?«, fragte die Ärztin.
Sie wusste, dass Jenny ein ausgesprochen unabhängiger, wenn nicht gar beziehungsscheuer Mensch war.
Ihre Ehe mit Dieter Behnisch war weniger von liebevoller Nähe denn von der Begeisterung für die gemeinsame Arbeit geprägt gewesen, sodass diese Eigenart in diesen Jahren in den Hintergrund getreten war. Nach Dieters Tod hatte sie lange Jahre allein gearbeitet und gelebt, bis schließlich Roman Kürschner in ihr Leben getreten war. Bis jetzt hatte Fee an den Sieg der Liebe über Jennys Angst vor Nähe geglaubt. Doch nach und nach wurde klar, dass es nur Romans geduldiger, zurückhaltender Art zu verdanken war, dass sie nicht längst die Flucht ergriffen hatte.
»Was ist zwischen euch geschehen, dass sie plötzlich so abweisend ist?«, schien Daniel dieselben Gedanken wie seine Frau gehabt zu haben.
Ratlos zuckte Roman mit den Schultern.
»Ich bin mir nicht sicher. Irgendwann habe ich festgestellt, dass Jenny kaum noch Zeit für uns hat. Meine Bitte, uns und unsere Beziehung doch wichtiger zu nehmen, hat sie offenbar völlig in den falschen Hals bekommen und sich noch mehr zurückgezogen.« Roman saß am Tisch und starrte blicklos auf seinen leeren Teller. »Und seit ihre Cousine aufgetaucht ist, ist es ganz aus. Heute in der Klinik hat sie mich abgekanzelt wie einen Schuljungen.«
Fee hatte eines von Tatjanas knusprigen Croissants in der Mitte auseinander gebrochen und eine Hälfte mit Butter und Marmelade bestrichen. Doch das Thema war so brisant, dass sie ganz vergaß zu essen.
»Ich hatte so gehofft, dass ihr gemeinsam in das Hotel zurückfahrt und den Rest des Wochenendes dort verbringt.«
Roman schnitt eine Grimasse.
»Stell dir vor, das hatte ich auch im Sinn.« Er seufzte und hob die Tasse wieder an die Lippen. Der heiße Kaffee wirkte belebend und gab ihm wenigstens ein bisschen neue Energie. Die brauchte er dringend, um seinen Entschluss in die Tat umzusetzen. »Ehrlich gesagt bin ich gekommen, um mich von euch zu verabschieden. Ich werde eine Weile allein verreisen, um darüber nachzudenken, wie es mit Jen und mir weitergehen soll. Ob es überhaupt weitergehen soll.«
Während Fee und Daniel sich noch betroffen ansahen, leerte er seine Tasse und stand auf.
»O Roman, gibt es irgendwas, was wir tun können?«, rief Felicitas und eilte ihm nach, als er das Esszimmer mit gesenktem Kopf verlassen wollte.
An der Tür angekommen, blieb er noch einmal stehen und drehte sich um.
»Wenn ich das wüsste, hätte ich euch längst darum gebeten«, gestand er offen. »Aber ich glaube, ich muss selbst herausfinden, ob ich so weiterleben kann und will.« Er legte die Hand kurz auf Fees Arm und nickte Daniel, der noch am Tisch saß, dankbar zu.
Dann wandte er sich endgültig ab. Als die Haustür mit einem leisen Klacken hinter ihm ins Schloss fiel, wischte sich Fee eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann kehrte sie an den Frühstückstisch zurück. Sie setzte sich,