Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.

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Geschichte Österreichs - Walter Pohl L. Reclams Ländergeschichten

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verborgen, dass die Landesfürstin Margarethe ihrem luxemburgischen Ehemann mit wachsender Abneigung begegnete. Ein Zusammenspiel von Adel und Fürstin, in das vielleicht der Wittelsbacher Kaiser Ludwig bereits von Beginn an einbezogen wurde, zeichnete sich ab. Am Allerseelentag des Jahres 1341 suchte Johann Heinrich von Luxemburg auf der Rückkehr von der Jagd vergeblich Einlass in Schloss Tirol. Diese in die Tiroler Geschichte eingegangene Szene war das Signal zum Sturz der Luxemburger Herrschaft. Johann Heinrich wurde von seiner Frau verstoßen und samt der böhmischen Besatzung aus dem Land gejagt. In den letzten Novembertagen 1341 verhandelten führende Repräsentanten des Tiroler Adels schon in München über eine Ehe Margarethes mit dem soeben verwitweten ältesten Sohn des Kaisers, dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg. Der Preis, den die Wittelsbacher für die Gewinnung Tirols zu zahlen hatten, war eine umfassende Urkunde, in der Ludwig von Brandenburg sich dazu bekannte, die seit den Tagen Meinhards II. üblichen Rechte des Landes zu achten, die gegenwärtigen Amtsträger zu belassen, keine ungewöhnlichen Steuern zu erheben, keine Burgen an Landfremde zu übertragen und die Erbfürstin Margarethe nicht außer Landes zu führen. Unschwer sind hinter den Versprechungen die Interessen des Tiroler Adels erkennbar, und ganz sicher verrät diese von der Landesgeschichtsschreibung zur »Magna Charta« Tirols hochstilisierte Urkunde vom 28. Jänner 1342 noch nichts über eine Landstandschaft der Tiroler Bauern. Im Februar 1342 heiratete Margarethe in einem höchst problematischen Verfahren – die Ehe mit dem Luxemburger Johann Heinrich war nicht rechtsgültig geschieden – Markgraf Ludwig von Brandenburg. Anschließend erteilte Kaiser Ludwig dem Paar die Belehnung mit Tirol und Kärnten. Letzteres sorgte bei den Habsburgern, die die Tiroler Vorgänge bisher mit Zurückhaltung verfolgt hatten, immerhin für so viel Unruhe, dass es Herzog Albrecht II. angeraten schien, sich der Kärntner Herrschaft durch einen neuerlichen Vollzug der Herzogseinsetzungszeremonien zu versichern – Otto der Fröhliche, der sich 1335 dem Ritual am Fürstenstein unterzogen hatte, war 1339 gestorben. Die Zeremonien fanden mit Rücksicht auf Albrechts körperliche Behinderung in entsprechend abgewandelter Form statt.

      Zu einer schärferen Frontstellung gegenüber den Wittelsbachern war Herzog Albrecht II. nicht geneigt. Seine vorsichtige Politik zielte auf gleichermaßen gute Beziehungen zu beiden damals den Habsburgern klar überlegenen großdynastischen Konkurrenten, Wittelsbachern und Luxemburgern. Die Annäherung an die Luxemburger fand 1344 in einer Heiratsabrede ihren Ausdruck. Der älteste Sohn Albrechts, der 1339 geborene Rudolf (IV.), wurde mit Katharina, der Tochter des Luxemburgers Karl, verlobt. Die Hochzeit fand 1353 in Prag statt. Herzog Albrecht hielt aber auch zum gebannten Wittelsbacher Kaiser Ludwig bis zu dessen Tod 1347 Kontakt und, weil er Tirol lieber in der Hand der Wittelsbacher als in der der Luxemburger sah, setzte sich an der Kurie für Ludwig den Brandenburger und Margarethe ein, um eine Annullierung der ersten Ehe der Tiroler Erbfürstin zu erwirken. Kriegerischen Auseinandersetzungen ging Albrecht nach Möglichkeit aus dem Weg, einzig der sogenannte »Alte Zürichkrieg« (1351–1355) nötigte den Habsburger in den westlichen Stammlanden der Familie zu einem kostspieligen militärischen Kräftemessen mit der werdenden Eidgenossenschaft. Die eigentlichen Interessen Albrechts galten der Konsolidierung des habsburgischen Länderkomplexes nach innen. Diesem Ziel diente das vom Luxemburger Karl IV. bald nach dessen Königswahl erwirkte Privilegium de non evocando für alle habsburgischen Territorien. Es untersagte die Ladung habsburgischer Untertanen vor auswärtige Gerichte, auch die des Königs. Ein stärkerer Zusammenhalt der bisher nur durch die Dynastie verklammerten Länder sollte durch die sachte Angleichung der Landrechte in der Steiermark, Kärnten und Krain erreicht werden. 1355 gab Albrecht eine Hausordnung, die die drei Söhne Rudolf (IV.), Albrecht (III.) und Leopold (III.) zu gemeinsamer Regierung verpflichtete, jede Teilung der habsburgischen Länder ausschloss und die Landherren, den hohen Adel, der Länder Österreich, Steiermark und Kärnten zu Garanten der Einheit der habsburgischen Herrschaft berief. Man vermeint in diesen Jahren schon so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl aller habsburgischen Länder erkennen zu können. Der bedeutende Geschichtsschreiber Johann von Viktring beschwor in seinem von Herzog Albrecht angeregten historiographischen Hauptwerk, dem von ihm selbst so genannten Liber certarum historiarum (Buch gewisser Geschichten), ein gemeinschaftliches auf die Habsburger ausgerichtetes Landesbewusstsein. Wenngleich sich eine direkte Wirkung solcher intellektueller Propagierung schwer fassen lässt, mag Johann doch einem wachsenden Gemeinschaftsgefühl in den habsburgischen Ländern Ausdruck verliehen haben.

      Als Herzog Albrecht II. am 20. Juli 1358 annähernd sechzigjährig in Wien starb, hielt sich der älteste Sohn Rudolf IV. in den habsburgischen Vorlanden im Westen auf, deren Verwaltung ihm der Vater 1357 übertragen hatte. Dass der junge Fürst nicht gesonnen war, die auf Ausgleich bedachte Politik Albrechts II. fortzusetzen, konnte man schon an seinen ersten Regierungshandlungen in Schwaben und Elsass unschwer ablesen. Nach dem Tod des Vaters entließ er unverzüglich, so wird uns berichtet, dessen Räte und umgab sich mit einem gänzlich neuen Beraterstab. Das Urteil über Rudolf IV., von dem der österreichische Historiograph Thomas Ebendorfer (gest. 1464) meinte, hätte der Herzog länger gelebt, er würde Österreich bis in den Himmel erhoben oder in den Abgrund gestürzt haben, fällt bis heute in der Forschung zwiespältig aus. Die markanteste Herrschergestalt seines Hauses im Spätmittelalter, kreativ, ja bisweilen genial, rastlos, machtgierig, eitel, ein Meister der Selbstinszenierung, so oder so ähnlich wird die Persönlichkeit jenes Habsburgers beschrieben, dem nur eine kurze Regierungszeit von sieben, freilich ereignisdichten Jahren bis zu seinem Tod in noch jugendlichem Alter 1365 gegönnt war. Unbestreitbar ist: Rudolf IV. besaß ein klar konturiertes Herrschaftsprogramm. Dieses war ganz darauf ausgerichtet, den vermeintlich königsgleichen Rang und die »fürstliche Majestät« der habsburgischen Dynastie und ihrer Länder zur Geltung zu bringen. Die unerschütterliche Überzeugung von der einzigartigen Sendung seines Hauses trieb Rudolfs Handeln an. Dazu trat ein übersteigertes Selbstwertgefühl, das sich geradezu in einem Kult um die eigene Person äußerte. Sein Geburtszimmer in der Wiener Hofburg ließ der siebzehnjährige Rudolf 1356 zu einer Kapelle umgestalten, die er nach seinem Geburtstag, dem 1. November, allen Heiligen weihte. Auf seinem Siegel erscheint sein Geburtsjahr 1339, und, ganz ungewöhnlich für die Zeit, Rudolf ließ in seinen feierlichen Urkunden nicht nur, dem Vorbild der Königsurkunde folgend, nach Herrscherjahren, sondern auch nach seinen eigenen Lebensjahren datieren.

      Mit bemerkenswerter Entschlossenheit ging Rudolf an die Realisierung seiner politischen Pläne. Wahrscheinlich doch als habsburgische Antwort auf die reichsrechtliche Regelung der Goldenen Bulle von 1356 gedacht, entstand im Auftrag des österreichischen Herzogs im Winter 1358/59 das großangelegte Fälschungswerk der sogenannten »österreichischen Freiheitsbriefe«. Es handelt sich um angebliche Urkunden der Kaiser und Könige Heinrich IV., Friedrich I., Heinrich (VII.), Friedrich II. und Rudolf. In das Diplom Heinrichs IV. wurden zudem vorgebliche Urkunden Caesars und Neros inseriert. Das Kernstück des Fälschungskomplexes bildete das auf Friedrich I. gefälschte Diplom, von der historischen Forschung seit dem 19. Jahrhundert – zur Unterscheidung vom echten Privilegium minus – als Privilegium maius bezeichnet. Über die Umstände, unter welchen die Falsifikate entstanden, wissen wir bis heute nicht im Detail Bescheid. Sicher ist, dass die Fälscher mit beachtlichem technischem Geschick und unter Benützung echter Vorlagen ans Werk gingen – die an der gefälschten Friedrich-Urkunde angebrachte Goldbulle etwa wurde dem echten Original entnommen, das damals vernichtet wurde. Weniger Klarheit besteht indes darüber, wer als eigentlicher Kopf der Fälschungsaktion zu gelten hat. Der Name von Rudolfs Kanzler Johann Ribi von Lenzburg wird hier immer wieder genannt. Im 19. und 20. Jahrhundert hat man sich oftmals schwergetan mit der Beurteilung der Fälschungen Rudolfs, und insbesondere die österreichische Historiographie fühlte sich verpflichtet, das Tun des Herzogs zu exkulpieren. Möglicherweise führt es zu einem besseren Verständnis der Falsifikate, wenn diese an ihren Zeitbedingungen gemessen werden. Das im europäischen Vergleich späte Entstehungsdatum der rudolfinischen Fälschungen hängt jedenfalls, wie zuletzt bemerkt wurde, aufs engste mit der »geringen Dichte« der Staatlichkeit im spätmittelalterlichen Reich zusammen.

      Was bezweckte Rudolf mit den Fälschungen? Nach Peter Moraw war das Ziel, »sich nach oben zu fälschen«, die Stellung des Hauses Österreich innerhalb des Reiches aufzuwerten, gleichsam nebenbei sei dann noch der eine oder andere kleine aktuelle Vorteil »mitgenommen« worden. Dem umfassenden Charakter des rudolfinischen Programms,

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