Die Tochter des Granden. Karl May
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Читать онлайн книгу Die Tochter des Granden - Karl May страница 10
Die Wirkung dieser Frage war eine fürchterliche. Der Graf sank erschrocken in einen Sessel; Francas aber ergriff eines der Messer, um auf Sternau einzudringen, die anderen beiden machten Miene, ihn zu unterstützen.
»Bube! Schurke!« brüllte Francas. »Du willst uns Mörder nennen?« – »Ja, feige, ehrlose, gedungene Meuchelmörder!« antwortete der Deutsche furchtlos. »Wenigstens einer von euch ist es; dann aber sind die anderen beiden leichtsinnige Dummköpfe, die nicht wußten, was sie taten. Legen Sie das Messer weg, Señor, ich bin Ihnen überlegen! Wenn ich Sie anzeige und den Fall untersuchen lasse, werden Sie wegen versuchten Totschlags zur Verantwortung gezogen.«
Trotz dieser Drohung gelang es Francas, sich zu beherrschen.
»Ah«, schnarrte er voller Hohn, »Sie, ein Fremder, wollen uns drohen? Beim heiligen Pedrillo, das ist lächerlich! Dieser Mann spielt Theater, um vielleicht Leibarzt des Grafen zu werden; aber Seine Alteza – Hoheit – kennen uns. Unsere Namen sind rein von allem Makel und in der Wissenschaft hoch geachtet. Hören wir doch einmal, wie der Schwärmer den Stein entfernen will!« – »Das sollen Sie hören!« entgegnete Sternau gelassen. »Er ist nur durch Lithotripsie zu entfernen, und zwar vollständig gefahrlos.« – »Lithotripsie?« fragte der Arzt aus Manresa. »Was ist das? Was soll das sein?«
Sternau horchte erstaunt auf.
»Erlaucht, hören Sie, welchen Leuten Sie Ihr Leben und das Glück Ihres Kindes anvertrauten?« wandte er sich zu dem Grafen. »Dieser Mann hat noch nichts von Lithotripsie gehört, von der Zermalmung und Entfernung des Steins durch den Katheterbohrer! Wahrhaftig, ich beginne zu glauben, daß diese Ignoranten Ihnen nicht aus Vorbedacht, sondern aus Unwissenheit das Leben genommen hätten!«
Francas stieß ein verächtliches Lachen aus und antwortete:
»Sie irren, Señor! Das Märchen von der Katheterzange kannten wir bereits vor Ihnen, aber es ist eben ein Märchen, an welches nur ein vollständig Unfähiger zu glauben vermag. Mit einem Unfähigen aber streitet man sich nicht. Der Graf mag entscheiden, wer dieses Zimmer augenblicklich zu verlassen hat, er oder wir.« – »So lange ich zu handeln vermag, werde ich mich nur der Entscheidung meines Gewissens fügen«, meinte Sternau. »ich bemerkte bereits, daß Seine Erlaucht kein Arzt sind. Vielleicht entscheidet er sich für den Weg, der ihm das Leben kostet, und das werde ich nicht dulden, selbst wenn ich für meine Überzeugung mein eigenes Leben einsetzen müßte!«
Da erhob sich der Graf, winkte gebieterisch mit der Hand und sprach:
»Señores, es ist hier nicht der Ort zu einem solchen Streit; Sie können sich also entfernen, um später meine Entscheidung zu vernehmen. Ihre Ansichten kenne ich; ich habe nun auch noch diejenige von Señor Sternau zu prüfen. Er wird also hierbleiben, um mir dieselben darzulegen. Gehen Sie jetzt, Sie werden das weitere bald erfahren.« – »Das heißt, wir sind verabschiedet?« grollte Francas zornig. »Wir sind entlassen? Gut, wir gehen, aber dieser Fremde wird uns Genugtuung geben, und Sie, Erlaucht, bitten wir, sich vorher sehr zu bedenken, ehe Sie sich entscheiden.«
Sie packten ihre Instrumente zusammen und verließen das Zimmer. Sofort trat Rosa ein, warf sich ungestüm an den Hals des Grafen und jubelte:
»Gerettet! Mein Vater, ich danke dir!«
Er wehrte sie leise von sich ab, doch ohne sie ganz aus den Armen zu lassen, und meinte:
»Nicht so sanguinisch, mein Kind! Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Ich habe erst noch die Ansicht von Señor Sternau zu prüfen.« – »Oh, sie wird die einzig richtige sein!« rief sie.»Du darfst ihm all dein Vertrauen schenken.«
Ihre Augen strahlte dem Deutschen so voll und warm entgegen, daß ihm dieser Blick wie Sonnenlicht bis tief ins Herz drang und er mit bewegter Stimme bat:
»Erlaucht, haben Sie Vertrauen zu mir! Gott weiß es, wie wahr und ehrlich ich es mit Ihnen meine. Verzeihen Sie aber zugleich auch die Härte, mit der ich zu diesen Männern sprach. Ich war vollständig empört über den Leichtsinn, der Ihr teures Leben gefährdete. Wäre die Operation wirklich vorgenommen worden, so lebten Sie nicht mehr, das schwöre ich Ihnen bei Gott dem Allwissenden zu.«
Jetzt öffnete sich die Tür, und Graf Alfonzo kam hereingestürmt. Er hatte bis jetzt draußen mit den Ärzten verhandelt und kam nun, voller Ärger und Enttäuschung, um womöglich seinen finsteren Zweck doch noch zu erreichen.
»Sie gehen? Du jagst sie fort, Vater?« fragte er.»Ist das möglich?« – »Ich jage sie nicht fort, mein Sohn«, antwortete der Graf. »Ich habe sie gebeten, mir Zeit zur Prüfung zu lassen.« – »Ich hoffe, daß deine Entscheidung diese verdienten Männer berücksichtigt!« – »Meine Entscheidung wird eine gerechte sein. Für jetzt aber bitte ich, diesen unerquicklichen Gegenstand vollständig fallenzulassen.«
Alfonzo mußte gehorchen, und der Graf wandte sich an seine Tochter: »Denke dir, dieser Señor hat auch meine Augen untersucht.«
Sie blickte in schneller, freudiger Überraschung empor.
»Wirklich?« fragte sie. »Hatten Sie Grund zur Hoffnung? Hielten Sie die Erblindung noch einer Untersuchung für wert, Señor?« – »Allerdings, Señorita. Ich habe ungemein viel Blinde behandelt, und die Übung schärft das Auge, so daß man beinahe auf den ersten Blick ein vollständig hoffnungsloses Auge von einem solchen, das noch einer Besserung fähig ist, zu unterscheiden vermag.« – »Und was haben Sie bemerkt?« – »Daß auch hier die Ärzte unrecht hatten.«
Sie sprang auf. Auch der Blinde erhob mit einer freudig überraschten Bewegung den Kopf, während Graf Alfonzo einen giftigen Blick kaum zu verbergen vermochte.
»Wie meinen Sie das?« fragte der Graf. »O bitte, bitte, sprechen Sie!« – »Erlaucht, hat man Sie für unheilbar erklärt?« – »Allerdings. Und zwar waren es ganz entschieden Männer der Wissenschaft, die dieses Urteil fällten.« – »Welches ist das Übel, an dem Sie nach diesem Urteil leiden sollen?« – »Man schrieb die Krankheit dem Staphylom – einem dem Weinbeerkernchen ähnlichen Geschwür an der Augenhornhaut – zu.« – »Hm, man hatte unrecht! Ihre Krankheit besteht in dem grauen Star, in einer allerdings außerordentlich seltenen Verbindung mit derjenigen perlmutterartig glänzenden Trübung der Hornhaut, die wir Ärzte Leukom nennen.« – »Und ist dieser Zustand heilbar?« fragte der Graf fast atemlos. – »Bis vor kurzem wurde er allerdings für unheilbar gehalten; mir ist aber die Herstellung mehrerer Patienten bereits geglückt. Ich entfernte das Leukom mittels fortgesetzter Punktation mit der Starnadel und operierte dann den darunter befindlichen grauen Star. Wollen Sie sich mir anvertrauen, Erlaucht, so geben ich Ihnen mit dem besten Gewissen die Hoffnung, das Licht Ihrer Augen zwar nicht in seiner ganzen früheren Schärfe und Stärke, aber doch so weit wiederzugewinnen, daß Sie mittels der Brille sehen können!«
Der Graf streckte seine Arme zum Himmel empor und rief:
»O mein Gott, wenn dies möglich wäre!«
Und Rosa sank vor Entzücken weinend an seine Brust und bat mit Schluchzen:
»Vater, vertraue ihm! Es kann dir keiner helfen, nur er allein!« – »Ja, ich will