William Lovell. Ludwig Tieck
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Seit einigen Tagen bewohne ich ein Landbaus, ganz nahe bei London, dasselbe, von dem ich Dir schon mehrmals geschrieben habe, das ich vielleicht kaufen würde. – Meine Unpäßlichkeiten scheinen zurückgeblieben zu sein, ich halte die Luft hier in der Ebene für reiner und gesunder, als dort auf den Bergen. – Meine neuliche Krankheit hat mich aber wieder auf die Zerbrechlichkeit des Lebens aufmerksam gemacht; ich komme in ein Alter, in welchem man sich mehr von der Welt zurückzuziehen wünscht, und einen kleinen lieben Zirkel zu bilden, in dem ein jeder Gedanke und jedes Gefühl bekannt ist. Oh, lieber William, ich hab es mir so schön ausgemalt, was für ein Leben ich führen will, wenn Du nun als gebildeter Mann von Deinen Reisen zurückgekehrt sein wirst, wie mir dann meine letzten Tage in vollem, frohem, unbefangenem Genuß hinfließen sollen: ja ich will von allen Stürmen ausruhn, die so oft den Horizont meines Lebens trübten. Nur muß ich mich hüten, diesen Genuß zu weit hinauszuschieben, ich muß anfangen mit meinen Stunden zu sparen; ein Jahr ist schon eine große Summe für mich, welches der verschwendende, im Überflusse frohlockende Jüngling oft so gleichgültig vergeudet. Mein Haar wird grau, meine Kraft zerbricht, darum wünscht ich sehnlich, daß Du Deine Reise sobald als möglich antreten mögest, noch früher, als wir neulich ausgemacht hatten. Antworte mir doch hierauf sogleich, oder besuche uns lieber selbst. Für einen ältern Freund zu Deiner Begleitung will ich indessen Sorge tragen. – Lebe wohl, bis ich Dich wieder an mein Herz drücken kann.
Dein Vater, Walter Lovell.
6
William Lovell an Eduard Burton
Waterhall.
In einigen Tagen komme ich zu Dir zurück, um auf lange Abschied zu nehmen. Mein Vater wünscht meine Abreise aus England früher; er ist fast immer krank und ich fürchte für sein Leben, daher ich jedem seiner Wünsche zuvorkomme. Es möchte sonst eine Zeit eintreten, wo es mich sehr reuen würde, nicht ganz seine Zärtlichkeit gegen mich erwidert zu haben. – Mein Vater wohnt itzt nahe bei London – und Eduard, ich werde sie wiedersehn! – Meine traurigen Ahndungen sind itzt nichts als Träume gewesen, über deren Schrecken man beim Aufgange der Sonne lacht. Hoffnungen wachen in meinem Busen auf, ich vertraue der Liebe meines Vaters. Wenn ich es nun wagte, ihm ein Gemälde von dem Glücke zu entwerfen, wie ich es in ihren Armen genießen werde, wenn ich ihn in das innerste Heiligtum meines Herzens führte und ihm jenes reine und ewige Feuer zeigte, welches der holden Gottheit lodert? Würde er so hart sein, mich von dem Bilde zurückzureißen, mir meine schönsten Empfindungen zu nehmen, die Hallen des Tempels zu schleifen, um von den Ruinen eine armselige Hütte zu erbauen? – Aber ich fürchte, mein Vater betrachtet mein Glück aus einem ganz verschiedenen Standpunkte; er ist älter und jenes schöne Morgenrot der Phantasie ist von der Gegend verflogen, er mißt mit dem Maßstabe der Vernunft die Verhältnisse des Palastes, wo der jüngere Enthusiast in einer trunkenen Begeisterung anstaunt – ach Eduard, er berechnet vielleicht mein Glück, indem ich wünsche daß er es fühlen möchte, er sucht mir vielleicht eine frohe Zukunft vorzubereiten und schiebt mir seine Empfindungen unter; er knüpft Verbindungen, um mir Ansehn zu verschaffen, um mich in der großen Welt emporzuheben, ohne daran zu denken, daß ich den ländlichen Schatten des Waldes vorziehe und in jener großen Welt nur ein unendliches Chaos von Armseligkeiten erblicke.
Ich habe hier einige Tage in einer süßen Schwermut verlebt, mir selbst und meinen Empfindungen überlassen, ich behorchte in mir leise die wehmütige Melodie meiner wechselnden Gefühle. – Der Wald sprach mir mit seinem ernsten Rauschen freundlichen Trost zu, die Quellen weinten mit mir. Man kann nirgend verlassen wandeln; dem leidenden Herzen tritt die Natur mütterlich nach, Liebe und Wohlwollen spricht uns in jedem Klange an, Freundschaft streckt uns aus jedem Zweige einen Arm entgegen.
Itzt lacht der Himmel mit mir in seinem hellsten Sonnenscheine, die Blumen und Bäume stehn frischer und lieblicher da, das Gras nickt mir am See freundlich entgegen, die Wellen tanzen ans Ufer zu mir heran. – Nein, ich will nicht verzweifeln, nie wird mein Schmerz mich so unedel machen können, daß ich in wilder Verzerrung Liebe und Freundschaft von mir stoße. Auch das größte Leid soll der edle Geist mit Anstand tragen.
Lovell.
7
Eduard Burton an William Lovell
Bondly.
Ich freue mich innig, daß Du heitrer bist, komm bald nach Bondly, und ich will noch einige frohe Tage mit Dir genießen. Dann wirst Du mir entrissen, um jenen Traum als Wirklichkeit zu begrüßen, den wir so oft miteinander geträumt haben; Natur und Kunst, Menschen und herrliche Städte empfangen Dich und nur meine herzlichsten Wünsche, meine Gebete können Dich begleiten.
Ja könnt ich selbst Dein Begleiter sein! Aber ich habe diese, einst meine liebste Hoffnung, schon seit lange aufgegeben; mein Vater würde die Zeit, die ich auf diese Art anwendete, für verloren ansehn, und abtrotzen möchte ich ihm seine Einwilligung nicht. Er haßt die Begeisterung, mit der ich zuweilen von den Heroen des Altertums, oder der Göttlichkeit eines Künstlers spreche, er sieht mit Verachtung auf diese kindischen Aufwallungen des Bluts hinab, wie er jeden Enthusiasmus nennt; an die hohen Gefühle der Freundschaft glaubt er nicht, alles, was in Dir so gut und heftig ist, belächelt er, und prophezeit aus seinem Unglauben, daß wir uns niemals verstehn und unsre sogenannte Freundschaft nur betrübt für uns beide endigen könne. Er liebt Menschen, die sich nie aus den Gegenständen, von denen sie umgeben werden, verlieren können, er spottet über alles, was man Erhabenheit der Gedanken und Gefühle nennt. Es gibt vielleicht wenig Menschen, welche die Vorurteile und Begriffe der Konvention so tief in ihr ganzes Dasein haben verwachsen lassen. – Ist dies Menschenkenntnis, die aus ihm spricht, o so beneide ich sie ihm nicht, doch muß er sie teuer erkauft haben, da er sie für so richtig hält – Aber wir glauben so oft einen Blick in die Seele anderer getan zu haben, wenn wir bloß das Flüstern unsers eignen Geistes vernommen hatten.
Er verzeihe mir die Bitterkeit, die zuweilen und itzt eben in mir aufsteigt, aber ich muß zu oft von seiner Kälte leiden. Er ist älter als ich, er kann oft betrogen sein, die schönsten Gefühle sind vielleicht an ihm meineidig geworden, er hat wohl mit Mühe alles aus seinem Busen vertilgt, was ehemals so schön und herrlich blühte; aber er soll nicht verlangen, daß ich seinen Erfahrungen ungeprüft glaube, oder wenn ich sie bestätigt finde, daß ich darum ein Hartherziger werde und den Glauben an jeden harmonischen Klang verliere, weil alle Tangenten, die ich anschlage, auf zersprungene Saiten treffen – nein, er soll in mir einen Sohn erziehen, der einst die Schuld bezahlt, die er mir zum Erbteile läßt – es tut mir weh, denn er ist mein Vater – aber glaube mir, William, ich werde manchen Armen zu trösten und mancher Waise zu erstatten haben.
Zu Dir und zu niemand anders darf ich also sprechen. – Wie beneid ich Dich Glücklichen! Du gehst Raffaels und Michelangelos Gebilden entgegen, allen großen Erinnerungen aus der Geschichte – indes ich eingekerkert hier in Bondly sitze.
8
Amalie Wilmont an ihren Bruder Karl Wilmont
London.