Ans Herz gelegt. Clemens Sedmak
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CLEMENS SEDMAK
ANS HERZ
GELEGT
Die vielen Sprachen
der Liebe
TYROLIA-VERLAG • INNSBRUCK-WIEN
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
© 2016 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung: stadthaus 38, Innsbruck
Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag, Innsbruck
Druck und Bindung: CPI Moravia Books, Tschechien
ISBN 978-3-7022-3550-5 (gedrucktes Buch)
ISBN 978-3-7022-3551-2 (E-Book)
E-Mail: [email protected]
Internet: www.tyrolia-verlag.at
VORWORT
Guten Tag, sagte der kleine Prinz und setzte sich zu mir ins Vorwort.
Guten Tag, sagte ich etwas verwirrt, weil ich es nicht gewohnt war, dass man mich in einem Vorwort besuchte.
Was ist das hier, fragte der kleine Prinz und blickte sich um.
Das ist ein Vorwort, sagte ich.
Was ist ein Vorwort?
Ein Vorwort ist wie ein kleiner Garten mit einem Weg, der ins Haus des Buches führt, sagte ich. Das hatte ich irgendwo gelesen.
Ich mag kleine Gärten, sagte der kleine Prinz und dachte wohl an seine Rose.
Wir schwiegen ein wenig und ich schrieb ein paar Zeilen.
Was ist dann in dem Haus?, fragte der kleine Prinz nach einer kleinen Weile.
Welches Haus?, fragte ich verwirrt, weil ich doch mit Schreiben beschäftigt war.
Nun, das Haus, in das dieses Vorwort hineinführt.
Ja, richtig!
Das Buch baut ein Haus über die Liebe, sagte ich vorsichtig. Ich will die Frage erkunden, was es denn heißt, einen Menschen zu lieben.
Der kleine Prinz dachte kurz nach.
Ich liebe den Fuchs, sagte er dann.
Wieder Nachdenken.
Und ich glaube: Den Fuchs zu lieben heißt, gut mit ihm allein sein zu können.
Das ist ein schöner Gedanke, sagte ich ein klein wenig gönnerhaft.
Oder, fuhr der kleine Prinz fort, den Fuchs lieben heißt, von ihm erzählen zu können.
Auch das ist ein Gedanke, der mir gefällt, kommentierte ich.
Dann könnte ja eigentlich ich ein Buch über den Fuchs schreiben, meinte der kleine Prinz, und von ihm erzählen.
Ja, das könntest du, sagte ich nun etwas verunsichert.
Da würde ich anfangen müssen bei meinem Planeten, erklärte der kleine Prinz, und bei meiner Reise und ich würde erzählen von all dem, was ich zurückgelassen habe und von allen, die ich auf dem Weg kennengelernt habe.
Das will ich auch, sagte ich begeistert.
Einen Menschen zu lieben, heißt Vertrautes zurücklassen, von einem Planeten aufbrechen, eine Reise tun und ankommen.
Ich weiß nicht mehr, ob das der kleine Prinz gesagt hat oder ich. Jedenfalls endet hier das Vorwort mit einem herzlichen Dank an Gottfried Kompatscher und mit einer innigen Widmung an meine geliebte Frau Maria. Wem sonst soll ich ein Buch über die Liebe zueignen?
Für Dich, also, geliebte Maria, für Dich.
Salzburg, im Sommer 2016
ZUR EINLEITUNG
„WIE REDEST DU WIRKLICH?“
„Mit jedem Menschen redest du anders“, sagt ein Kind zu seinem Vater in einem Kinderbuch aus meiner Volksschulzeit; der Vater spricht anders mit der Mutter als mit der Nachbarin (gut so!), wieder anders mit dem Schulwart und wieder anders mit einem Patienten in seiner Zahnarztpraxis. „Wie redest du wirklich?“, fragt der Bub.
Der Vater weiß darauf keine Antwort. Denn es gibt keine „eine, wirkliche“ Sprechweise; tatsächlich reden wir mit unseren Geschwistern daheim anders als mit einer Ärztin im Krankenhaus oder mit einem Angestellten am Fahrkartenschalter. Wir sprechen stets mit „gleichwürdigen“ Menschen, mit Menschen, die gleich an Würde sind, aber wir tun es in ganz unterschiedlicher Weise. Und eben dies ist Ausdruck von Respekt.
Wir sprechen mit einem Menschen, der uns nach dem Weg fragt, anders als mit einem Menschen, den wir nach dem Weg fragen; wir sprechen mit einer Polizistin anders als mit einem Kellner. Wir drücken die Achtung vor einem Menschen dadurch aus, dass wir mit ihm in einer einzigartigen Weise umgehen. Wir alle, die wir uns im öffentlichen Raum bewegen, müssen viele Sprachen sprechen können, müssen vielsprachig sein.
FREMDSPRACHEN LERNEN
Fremdsprachenlernen ist harte Arbeit. Die englische Philosophin Iris Murdoch hat versucht, während des Zweiten Weltkriegs Russisch zu lernen. In ihrem Tagebuch berichtet sie am 8. November 1942 von ihren Erfahrungen: Ich nehme Russischstunden bei einem alten Armenier, einem politischen Flüchtling. Er spricht kein Wort Englisch, was bedeutet, dass alles auf Russisch ablaufen muss; das gibt mir eine exzellente Konversationspraxis. Er hat kein Verständnis für die Regeln der Grammatik …
Man kann sich vorstellen, wie abenteuerlich es für Murdoch gewesen sein muss, sich die russische Sprache anzueignen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser – hinein in eine rein russische Lernsituation, noch dazu begleitet von einem unerfahrenen Lehrer, der zwar Russisch beherrschte, aber nicht das Vermitteln der russischen Sprache.
Jahre später wird Murdoch in ihrem Hauptwerk über das Gute schreiben, dass das Lernen der russischen Sprache sie mit einer autoritären Struktur konfrontiert habe, die ihr Respekt abverlange. Die russische Grammatik lässt nicht mit sich handeln; Ludwig Wittgenstein, den Iris Murdoch persönlich gekannt hat, hat immer wieder davon geschrieben, dass eine Sprache nicht bis ins Letzte begründet werden kann; an einem bestimmten Punkt können wir nur sagen: „So sprechen wir!“, „Das ist unsere Sprache!“, „Das sind die Regeln der Grammatik!“ – hier kann man sich nur unterwerfen und zur Kenntnis nehmen, dass dies so ist.
So erkennt Iris Murdoch in ihren Überlegungen über das Erlernen der russischen Sprache: Es ist eine fordernde Aufgabe und das Ziel ist in weiter Ferne und vielleicht nie wirklich erreichbar. Die Arbeit ist eine beständige Offenbarung von etwas, das unabhängig von ihr ist. Aufmerksamkeit gegenüber dieser Wirklichkeit wird mit Wissen von dieser Wirklichkeit belohnt.