Das kommt nicht wieder. Georg Markus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das kommt nicht wieder - Georg Markus страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Das kommt nicht wieder - Georg Markus

Скачать книгу

heutige Chirurgie ist mit der in der Zeit vor Billroth nicht vergleichbar. Als er ein junger Arzt war, gab es noch nicht einmal die Narkose, Patienten litten unter unvorstellbaren Schmerzen. »Ich habe ihn operiert und verbunden, Gott wird ihn heilen«, sagten viele Ärzte. Junge Doktoren mußten ein zölibatäres Leben wie Priester führen, da sie Tag und Nacht für ihre Patienten da zu sein hatten. Billroth war die Heiratserlaubnis ausnahmsweise erteilt worden, weil sein erster Chef in Berlin nicht seinen tüchtigsten Assistenten verlieren wollte.

      Ausgebildete Krankenschwestern im heutigen Sinn gab es damals nicht. Als Billroth während des deutsch-französischen Krieges in Lazaretten mitansehen mußte, wie Soldaten nach Amputationen starben, weil sie von ungelernten Pflegerinnen falsch behandelt wurden, schloß er seinem – von ihm gegründeten – Rudolfinerhaus Österreichs erste Schwesternschule an, womit er praktisch einen neuen Berufsstand ins Leben gerufen hat. Das Krankenhaus befindet sich in der heutigen Billrothstraße.

      Billroth war eine unglaublich populäre Erscheinung. Vor seinem Sommerhaus am Wolfgangsee gab es eine Haltestelle Billroth, in der die Bahn nur für ihn hielt. Als er mit 58 Jahren an einer gefährlichen Lungenentzündung erkrankte, bangte ganz Wien um sein Leben. Wieder genesen, wurde ihm zu Ehren ein Fackelzug veranstaltet, an dem Tausende von Menschen teilnahmen. Billroth kommentierte den Aufmarsch mit den Worten: »Es war eine schöne Leich’«.

      Der Arzt hatte Kontakt zu Kaiser Franz Joseph, der ihn ins Herrenhaus berief, und auch zu dessen Sohn. Der Kronprinz übernahm die Patronanz des – nach ihm benannten – Rudolfinerhauses und unterstützte viele seiner Forschungsprojekte.

      Billroth starb am 6. Februar 1894 während einer Kur in Abbazia an Herzversagen. Als zufriedener Mann, denn sein Lebensmotto hatte gelautet: »Wer anderen hilft, verhilft sich selbst zum Glück.«

      Sex gestern & heute

       Vom Liebesleben im Wandel der Zeiten

      Wie war das früher, als Großpapa sein Bett mit Großmama teilte? Noch ehe die sexuelle Revolution über uns hereinbrach.

      In einem Punkt, das steht fest, hat sich im Lauf von Jahrtausenden nichts geändert: Die Sexualität des Menschen war, ist und bleibt Thema Nummer eins. Ob in der Steinzeit, im Mittelalter oder am Beginn unseres Jahrhunderts – es wurde nicht mehr und nicht weniger geliebt als heutzutage. Empfahl Martin Luther vor fast fünfhundert Jahren schon

      In der Woche zwier,

      Schadet weder dir noch mir,

      so traf er damit exakt auch das Ergebnis heutiger Untersuchungen: Herr und Frau Österreicher lieben einander – statistisch gesehen – zweimal pro Woche.

      Damals wie heute.

      Der Unterschied liegt in der Qualität. Was sich bis vor einigen Jahrzehnten ausschließlich hinter verschlossenen Schlafzimmertüren ereignete, das ist mittlerweile in aller Munde.

      »Bist Du von geschlechtlichen Vorstellungen erregt?« Diese Frage richteten die Berliner Sittenblätter im Jahre 1897 – nicht ganz ohne Vorwurf – an ihre jungen Leserinnen, die gerade ihre ersten sexuellen Gelüste verspürten. Um dann fortzufahren: »Morgens stehst Du an der Waschschüssel, züchtig in Anstandsunterrock und Untertaille, hältst Hals und Arme rein, doch mußt Du beschämt die Augen senken vor dem Toben in Deinem Mieder, ja in Deinem Beinkleid. Neugierde, auf das, was Dir als Weib bestimmt ist, erhitzt Dich. Was ist und wie ist der Mann beschaffen …?«

      Auf all die Fragen, einmal in den Raum gestellt, wußte das Blatt eine ganz einfache Antwort: »So höre denn, wenn es Dir mit Deiner Gesundheit und Sittlichkeit ernst ist: Gehe zu Deiner Mama und erbitte von ihr eine alte Salatschüssel aus der Küche. Fülle sie mit kaltem Wasser und setze Dich hinein. Es ist dies ein modernes Heilverfahren, welches nur deshalb so wenig Anwendung findet, weil das wohlanständige Bürgertum sich des Umstandes, aus welchem es angebracht ist, geniert.«

      Die verlogene Prüderie, damals vielfach noch schlimmer als in den Jahrhunderten davor, führte dazu, daß Mädchen die »Fleischeslust« als unangenehm und ekelhaft empfanden.

      »Die Bedürfnisse der Frau blieben in früheren Zeiten so gut wie unberücksichtigt«, erklärt Österreichs Sex-Expertin Gerti Senger, »der sexuelle Umgang miteinander war ausschließlich auf die Wünsche des Mannes beschränkt.«

      Seit sich das – gerade in den letzten beiden Jahrzehnten – geändert hat, liebt die Frau bewußter, intensiver, länger: Während noch Ende der sechziger Jahre die Hälfte der Frauen unter Orgasmusstörungen litt, finden heute 82 Prozent im Geschlechtsverkehr ihre Befriedigung. Laut Kinsey-Report dauerte der durchschnittliche Liebesakt in den Nachkriegsjahren ein bis zwei Minuten, in den Neunzigern liebt sich’s in Österreichs Betten (inklusive Vor- und Nachspiel) immerhin eine halbe Stunde lang. Die sexuelle Revolution war also in erster Linie eine Revolution zugunsten der Frau.

      Für den Mann hingegen brachte das plötzlich partnerschaftlich ausgerichtete Sexualleben Probleme. Denn während Frauen einst, ehe sie vom Herrn Gemahl erstmals beglückt wurden, im allgemeinen keinen anderen intim kannten, haben sie heute Vergleichsmöglichkeiten. Wenn einer im Bett also nicht »so toll« ist, muß er damit rechnen, an den körperlichen und sonstigen Qualitäten seiner Vorgänger gemessen zu werden.

      Ein kurzer Blick noch in die Schlafzimmer unserer Großeltern: Opa hatte es gut, der durfte sein Liebesleben von frühester Jugend an genießen. Entweder im Bordell oder in den Armen einer Geliebten, die freilich aus den unteren Ständen zu kommen hatte, denn »höheren Töchtern« war jegliche Form des Beischlafs strengstens untersagt. Vorehelicher Verkehr galt für Frauen nicht nur als unmoralisch, sondern auch als gefährlich (was er tatsächlich war: Ein »lediges Kind« raubte einem Mädchen jede Aussicht auf eine bürgerliche Zukunft).

      Niemand schildert die Scheinmoral des Fin de siècle so treffend wie Arthur Schnitzler in dem Zyklus Reigen. Auch wenn man dem Autor vorwerfen kann, sich in seinem Privatleben nicht wesentlich anders verhalten zu haben als die männlichen »Helden« seiner lose aneinandergereihten Reigen-Szenen, bleibt das Liebeskarussell der »süßen Mädeln« mit ihren Galans ein Sittenbild jener Tage.

      Noch in der Monarchie verfaßt und von der kaiserlichen Zensur als »unzüchtig« abgelehnt, gelangte der Reigen aus Verführung, Sexualität und Ernüchterung 1921 an den Wiener Kammerspielen zur österreichischen Uraufführung. Und hatte einen der größten Theaterskandale aller Zeiten zur Folge. Die Bühne wurde von nationalen Kampftrupps gestürmt und ein Zuschauer schwer verletzt. In einer Parlamentsdebatte gab es heftige Diskussionen – und sogar Fausthiebe unter den Abgeordneten. Das Stück wurde von der Polizei vorübergehend verboten, worauf es Schnitzler »für alle Zeiten« sperren ließ. Erst sein Sohn Heinrich erteilte Jahrzehnte danach die Zustimmung zur neuerlichen Aufführung des Reigen.

      »Das Liebesleben des Weibes« sollte in jenen Tagen ausschließlich der Fortpflanzung dienen, zumal es »eine infame Unterstellung ist, anzunehmen, daß eine anständige Frau sexuelle Empfindungen hat«, wie der britische Moraltheoretiker Sir William Acton zur Jahrhundertwende verkündete. Und weiters: »Sie duldet die Umarmungen ihres Gatten nur, um ihn zu befriedigen, und ginge es nicht darum, Mutter zu werden, wäre sie sicher viel lieber völlig von ihrer Pflicht entbunden, seine Aufmerksamkeit zu ertragen.«

      Frauen widersprachen solchen und ähnlichen Thesen nicht, weil sie in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu ihrem Herrn und Gebieter standen.

      Ehepartner hatten am Beginn unseres Jahrhunderts ohnehin kaum Gelegenheit, einander nackt zu sehen, begab man

Скачать книгу