99 Namen Gottes. David Steindl-Rast

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99 Namen Gottes - David  Steindl-Rast

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ja begierig, aus der Fülle des uns Geschenkten weiterzuschenken. Sooft wir Gott ERBARMER nennen und uns dessen bewusst sind, dass alles Gnade und Erbarmen ist, wächst in uns das Verlangen, uns selbst Anderer zu erbarmen und an allen, die Erbarmen brauchen, barmherzig zu handeln.

       Was ist mir von all dem mir Geschenkten am wertvollsten? Was kann ich heute davon weiterschenken? Ist nicht meine Lebensfreude das größte Geschenk, das ich allen machen kann, die mir begegnen?

2 ar-Raḥīmder BARMHERZIGE
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      Wer Gott diesen zweiten Namen gibt, fügt dem ersten eigentlich nichts hinzu, sondern wendet ihn nur ganz bewusst auf die eigene Gottesbeziehung an: Gott als der Erbarmer ist mir gegenüber ganz persönlich der BARMHERZIGE. Gott schaut mich an wie eine Mutter ihr Kind anschaut. Sie sieht neben dem Guten auch ganz klar das Noch-nicht-Gute und erbarmt sich. Das heißt, ihr Mutterherz fühlt den Schmerz, den das Kind sich selber zufügt, solange es dem Leben etwas verweigert. Denn „gut“ heißt ja „lebensbejahend“ und nur, was sich (noch) der harmonischen Entfaltung des Lebens widersetzt, darf „böse“ genannt werden.

      Das Herz der Mutter fühlt also den Schmerz, der dem Kinde selbst vielleicht noch kaum bewusst ist, und leidet. Nur Mütter kennen diese Art von Mitleid. Es ist wie eine andere Art von Geburtswehen. Wie die ersten Wehen dem Kind einst das Leben schenkten, so will dieses Erbarmen dem Menschen jetzt Lebensfülle schenken. Es strahlt aus den Augen der Mutter als ermutigendes Leuchten, ein Leuchten, das mehr Mut macht, als bloße Worte der Ermutigung es könnten.

      So geht es auch mit dem Mutterblick Gottes: Er beschönigt nicht, verurteilt aber auch nicht. Er ermutigt mich und schafft Raum, in den hinein ich wachsen kann: Raum, in dem sich alles Noch-nicht-Gute voll zum Guten entfalten kann. Allein der BARMHERZIGE bringt es zustande, dass mein Herz so aufblühen kann.

       Sollte es mir nicht möglich sein, heute selber alles Noch-nicht-Gute mit Mutteraugen anzuschauen? Wenn mir das gelingt, erlebe ich oft ein überraschendes Grünen und Blühen all dessen, worauf mein Blick das Licht der Barmherzigkeit strahlen lässt. Ganz neue, schöpferische Lösungen zeigen sich. Willst nicht auch du versuchen, im „Bösen“ das Noch-nicht-Gute zu sehen?

3 al-Malikder KÖNIG
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      Gott KÖNIG zu nennen, das ist in zweifacher Hinsicht gefährlich. Einerseits könnte es nahelegen, Gott Eigenschaften zuzuschreiben, die weltliche Könige oft kennzeichnen. Das wäre ein grober Irrtum. Könige brüsten sich, doch Gott wirkt in Verborgenheit. Könige unterdrücken, Gott ermächtigt. Könige erzwingen Gehorsam, Gott aber schenkt Freiheit.

      Der Königstitel ist Sinnbild der höchsten Autorität in dem Machtsystem, dessen Grundsätze unsere Welt zu zerstören drohen. Aus diesem zweiten Grund ist es noch gefährlicher, Gott den Namen KÖNIG zu geben. Wenn wir das gedankenlos tun, dann werden wir allzu leicht abgestumpft für den Widerspruch, der zwischen zwei Machtsystemen besteht, dem königlichen und dem göttlichen. Der Widerspruch zwischen diesen beiden Machtsystemen ist jedoch absolut.

      Das Machtsystem, aus dem der Gottesname KÖNIG stammt, kennen wir in unserer Zeit nur allzu gut aus täglicher Erfahrung, wo immer wir auch leben mögen auf dieser Welt. Es ist die Machtpyramide unserer Gesellschaft, aufgebaut aus unzähligen kleineren Machtpyramiden der gleichen Art. Sie alle sind gekennzeichnet durch Gewalttätigkeit, Rivalität, Unterdrückung und Ausbeutung. Wer immer an der Spitze steht, der gilt als König.

      Woher aber kennen wir im Unterschied dazu göttliche Machtausübung? Wir erahnen sie aus der Ordnung des Universums und dem Wirken des Großen Geheimnisses, das wir Gott nennen, in der Natur. Dort finden wir statt einer Machtpyramide ein Netzwerk von Netzwerken, statt Gewalttätigkeit ein Zusammenspiel zum Wohl des Ganzen. Auch was uns auf den ersten Blick als grausamer Wettstreit erscheinen mag, fügt sich dem Ganzen ein und trägt bei zu harmonischer Ausgewogenheit. Statt Rivalität und Unterdrückung finden wir gegenseitiges Geben und Nehmen und statt Ausbeutung Teilen. Im Universum ist Gott KÖNIG, im Sinne einer ordnenden Macht, die alles durchwaltet. Den Unterschied zwischen diesen beiden Formen von Macht dürfen wir aber keinesfalls verwischen.

      Entweder ist Gott KÖNIG oder die Machthaber dieser Welt sind es. Wer Gott KÖNIG nennt – und sich dementsprechend verhält –, der fordert das bestehende Machtsystem radikal heraus und spricht den Machthabern letztlich ihre Macht ab. Mancherorts kann dich das dein Leben kosten, fast überall gefährdet diese Haltung zumindest das Ansehen in der Gesellschaft. Gott KÖNIG zu nennen, das verlangt Mut: den Mut zu einer ganz neuen Weltordnung.

       Ist Gott mein KÖNIG oder ist die höchste Autorität für mich letztlich doch mein Chef und das herrschende Machtsystem?

4 al-Quddūsder HEILIGE, der Vollkommene, der Reine
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      Bei Gipfelerlebnissen, etwa beim Miterleben der Geburt eines Kindes, bei einer einzigartigen Konzertaufführung, an einem herrlichen Tag im Hochgebirge oder unter dem hochgewölbten Himmel einer sternklaren Nacht, da kann uns Menschen das Gefühl einer Ehrfurcht gebietenden Gegenwart zugleich faszinieren und erschaudern lassen. Wir können dann das geheimnisvolle Du, das uns bei dieser Begegnung entgegenwartet, den HEILIGEN nennen.

      Wenn uns etwas zugleich fasziniert und erschaudern macht, dann nennen wir es heilig. Dem kleinen Kind am Strand muss das Meer so erscheinen, wenn es vor Freude kreischend aufs Wasser zuläuft, gleich aber wieder flieht, wenn eine Welle ihm entgegenschäumt. Als Erwachsene können wir Ähnliches fühlen, wenn ein heiliger Anblick, etwa die Silhouette der Cheopspyramide am nächtlichen Himmel, uns hinreißt, uns aber zugleich ein Gefühl wie Angst einjagt durch ihre Erhabenheit.

      Der innere Adel eines Menschen kann geradezu daran gemessen werden, wie nachhaltig Heiligkeit sein Herz berührt. Die Begeisterung einer Begegnung mit Erhabenem kann in uns eine Art Sehnsucht auslösen: Wir wollen selber so edel werden und so unverfälscht leben. Dieses Streben nach reiner Echtheit kann der Beginn heiligen (also heilen) Lebens werden. Was heil und heilig verbindet, ist der Begriff von echter, ungebrochener Ganzheit.

      Der HEILIGE ist zugleich der Heilende, der Barmherzige des vorhergehenden Gottesnamens. Heiligkeit und Barmherzigkeit gehören zusammen. Das dürfen wir nie vergessen. In der Begegnung mit dem HEILIGEN wird mir nicht nur meine eigene Unvollkommenheit bewusst, sondern vor allem die Gnade, dass der Vollkommene, der Reine, sich mir – ja mir, so wie ich bin, – zuwendet und mich heiligt. Diese Barmherzigkeit weiterzuschenken an alle, denen ich begegne, das ist wahre Reinheit, wahre Heiligkeit, wahre Ehrung des HEILIGEN. So wie reine Fensterscheiben das Sonnenlicht ungetrübt durchströmen lassen, kann ich die Barmherzigkeit des HEILIGEN durch mich hindurchströmen lassen.

       Welche Gelegenheit bietet sich mir heute, den HEILIGEN zu ehren, indem ich Barmherzigkeit rein durch mich durchscheinen lasse? Ja, diese ehrende Aufgabe ist mir zugedacht. Auf was oder auf wen könnte ich also heute durch mein Barmherzig-Sein die heilenden Strahlen des HEILIGEN zuströmen lassen?

5 as-Salāmder FRIEDE, die Quelle des Friedens
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      Was

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