Nur wenn ich lebe. Terri Blackstock
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Mein Weg führt weiter durch die Bäume. Der Wald lichtet sich und ich lande in einer zwielichtigen Gegend. An den Straßenecken lungern Männer herum und hier und dort nähern sich leicht bekleidete Frauen den langsam vorbeifahrenden Autos.
Ich entdecke ein Mädchen mit einer krausen, blonden Perücke. Ihre falschen Haare sind so voluminös, dass sie über ihre schmalen Schultern hinausreichen. Ich hatte schon schwarze Haare, braune und blonde Haare … außerdem eine rothaarige Perücke, eine blonde und auch eine brünette. Keine hatte so krause Locken wie diese. Niemand würde danach suchen.
Langsam schlendere ich die Straße entlang und warte darauf, dass das Mädchen zurück auf den brüchigen Bürgersteig kommt. „Entschuldige bitte“, sage ich. „Kann ich kurz mit dir sprechen?“ Sie sieht nicht so aus, als hätte sie Zeit für mich, und so füge ich hinzu: „Es geht um Geld.“
Bei diesem Stichwort wendet sie sich zu mir. „Was gibt’s denn, Schätzchen?“
„Ich mag deine Haare. Ist das eine Perücke?“, frage ich.
„Ja“, sagt sie, während sie ihren Haarschopf berührt. „Danke.“
„Ich habe mich gefragt, ob ich sie dir wohl abkaufen könnte.“
Die junge Frau lacht. „Was? Du willst meine Haare kaufen?“
„Ich gebe dir zweihundert. Bar.“
Sie zögert. „Vierhundert“, versucht sie zu verhandeln.
„Zweihundertfünfzig“, ziehe ich nach.
Wutschnaubend sagt sie: „Die hat ein Vermögen gekostet. Ich gebe sie nicht einfach so her.“
„Okay“, sage ich und suche nach meinem Geldbeutel. „Dreihundert. Mein letztes Wort.“
Sie entdeckt meine andere Perücke in der Tasche. „Sammelst du Perücken oder was?“
„Genau, ist so mein Ding. Ich bin Schauspielerin“, erwidere ich.
Grinsend zieht sie sich die Perücke vom Kopf, wodurch kurz geschnittenes braunes Haar mit blonden Strähnen zum Vorschein kommt. So wie sie jetzt aussieht, könnte sie locker die Mutter eines Fußball spielenden kleinen Jungen sein. Mit einer Hand fährt sie sich durch ihre Haare, damit sie nicht mehr so platt aussehen, und greift nach den Scheinen. „Ich habe die Perücke wirklich gemocht“, murmelt sie.
„Sicherlich weißt du, wo du für deutlich weniger Geld schnell eine Neue herbekommen kannst, oder?“
„Wenn es nicht so wäre, hätte ich die hier nicht verkauft“, gibt sie zu.
„Danke“, sage ich. „Echt nett.“
Ich nehme die Perücke an mich und stopfe sie in meine Tasche, die jetzt zum Bersten gefüllt ist. Als das Mädchen sich wieder umdreht, ziehe ich ab und laufe zurück in den Wald. Die Perücke klopfe ich ab, innen und außen, und setze sie dann auf. Es fühlt sich merkwürdig an, weil die Haare so ausladend sind. Ich schaue mir mein Spiegelbild auf dem Handydisplay an und finde, dass ich gar nicht mal so übel aussehe. Ehrlich gesagt, gefalle ich mir sogar recht gut. Wenn ich jetzt noch die Sonnenbrille aufziehe, wird mich niemand mehr erkennen.
Eine Zeit lang bleibe ich auf dem Boden sitzen und wünsche mir, dass ich wenigstens meinen gebratenen Reis hätte essen können, bevor ich fliehen musste. Ich bin ziemlich ausgehungert, aber es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich wieder etwas essen kann.
Nachdem ich mehrere Stunden gewartet habe, muss ich schon wieder auf die Toilette. Also gehe ich wieder in das Viertel zurück, in dem ich das Perückenmädchen getroffen habe, und entdecke einen kleinen Lebensmittelladen mit vergitterten Fenstern. Ich gehe hinein und versuche die Badezimmertür zu öffnen, aber sie ist verschlossen. Offenbar muss ich nach dem Schlüssel fragen. Hinter der Kasse ist ein Fernseher angebracht, auf dem bereits mein Gesicht aufleuchtet. Der Nachrichtensprecher sagt, dass ich zuletzt in dem China-Restaurant gesehen wurde und wohl immer noch in der Gegend bin. Außerdem wird gewarnt, dass ich gefährlich sei und bewaffnet sein könnte.
Die Kassiererin schaut mich nicht einmal an. Sie reicht mir einfach den Schlüssel und ich verschwinde im Frauen-WC. Im Kopf gehe ich die Informationen durch, die man über mich durch die Aufzeichnungen der Sicherheitskamera des Restaurants erfahren konnte. Sie kennen meine Tasche, das ist klar. Zwar ist sie einfach nur groß und schwarz, trotzdem gehe ich zum Waschbecken und schütte den Inhalt darin aus. Dann wende ich die Tasche, sodass der karierte Futterstoff außen ist, und stopfe alles zurück in die Tasche. Ich schaue hinab auf meine Schuhe. Graue Turnschuhe. Wahrscheinlich fallen sie genauso viel oder wenig auf wie meine Jeans. Erst jetzt bemerke ich, dass mein Verband an der Schulter sichtbar ist, seitdem ich die Bluse ausgezogen habe. Allerdings besitze ich kein anderes Oberteil mehr.
Jemand klopft an die Tür und ich rufe: „Gleich!“
Wieder sehe ich mich im Spiegel an und seufze. Meine Bluse, die ich vorhin ausgezogen und in die Tasche gestopft habe, ziehe ich nun wieder hervor und lege sie mir wie ein Handtuch über die verwundete Schulter.
Wieder höre ich Sirenen und durch das Glasfenster über meinem Kopf sehe ich blaues Licht blinken. Sind sie immer noch auf der Suche nach mir?
Schweißgebadet öffne ich die Tür und trete hinaus. Die wartende Frau grapscht nach dem Schlüssel in meiner Hand und verschwindet im Bad.
Die Kassierer sind immer noch abgelenkt von den vorbeifahrenden Polizeiwagen und den Nachrichten, die die Gegend in Aufregung versetzen. Ich sehe einen Ständer mit T-Shirts, nehme mir eins und greife auch nach einer Packung Erdnussbutterkeksen und lege alles auf den Tresen. Nachdem ich mich kurz geräuspert habe, sieht die Kassiererin auf, schaut aber nicht mich, sondern nur die Ware an. „Ist das alles?“, fragt sie.
„Ja“, sage ich.
Sie kassiert ab und reicht mir den Beleg. Ich werfe mir das T-Shirt ebenfalls über die Schulter und gehe nach draußen. Erst nachdem ich um die Ecke gegangen bin, ziehe ich mir das T-Shirt vorsichtig über den Kopf. Die Bluse und die lange braune Perücke versenke ich im nächsten Mülleimer. Mit einer Tüte, die im Mülleimer lag, bedecke ich meine Sachen.
Wenigstens kann jetzt niemand mehr auf den ersten Blick erkennen, dass ich die Gesuchte aus dem Restaurant bin. Die Polizeiwagen sollten nun auch vom Parkplatz des Einkaufszentrums verschwunden sein. Ob sie endlich aufgehört haben, nach mir zu suchen?
Geschwächt mache ich mich schließlich auf den Weg über den Hügel und um die Geschäfte herum, bis ich auf den vorderen Parkplatz gelange. Ohne zu zögern marschiere ich auf mein Auto zu und setze mich hinein. Nicht einmal jetzt sehe ich mich um, sondern warte, bis ich ausgeparkt habe.
Auf der anderen Seite des Parkplatzes steht ein Polizeiwagen, aber die Lichter sind aus. Nirgendwo sehe ich einen Uniformierten. Also fahre ich vom Parkplatz und reihe mich in den Verkehr ein.
Erst als ich weit genug weg bin, erlaube