Adressen mit Geschichte. Georg Markus
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Der Direktor (mit dem sie eine Zeit lang liiert war) gab auch da nach und verbesserte etliche Details. Doch bald war der Bogen überspannt. Burckhards Nachfolger Paul Schlenther brachte nicht so viel Geduld auf. Als er es ablehnte, den Schauspielvertrag ihrer – weit weniger talentierten – Schwester Wilhelmine zu verlängern, ließ sich die Sandrock eine Audienz beim Kaiser geben, der ihr aber auch nicht helfen konnte. Die Schwester musste gehen.
Jetzt dauerte es nicht mehr lange, bis auch Adeles letzter Akt am Burgtheater eingeläutet wurde. Als Schlenther der 35-Jährigen in Schnitzlers neuem Stück Vermächtnis die Rolle einer Mutter anbot, erklärte die Diva, bebend vor Zorn, ihre sofortige Kündigung.
Schlenther nahm – womit sie nicht gerechnet hatte – die Demission seiner beliebtesten Schauspielerin an.
Schwer geschockt, zog sich die Sandrock zunächst in die Beletage von Wien – wie sie ihre elegante Wohnung am Opernring nannte – zurück. Sie und ihre Schwester, die hier in gemeinsamem Haushalt lebten, konnten vom dritten Stock aus in den damals für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglichen Burggarten blicken. Umsorgt von einem Zimmermädchen, logierten die beiden Damen inmitten ihrer mit wertvollen Möbeln, Vorhängen und Teppichen überladenen Wohnung, ganz wie es dem Zeitgeist entsprach.
Doch ohne ihre Burgtheatergage war Adele Sandrock nicht mehr in der Lage, diesen Lebensstil aufrecht zu halten. Sie ging jetzt auf Tourneen, trat am Deutschen Volkstheater auf, wurde von Max Reinhardt nach Berlin geholt. Aber die Karriere war ins Stocken geraten, die Schauspielerin konnte an die einstigen Erfolge nicht anschließen. Ihre späteren Versuche ans Burgtheater zurückzukehren, schlugen fehl, die Sandrock geriet in Vergessenheit, lebte zeitweise sogar in Armut. Der einstige Liebling der Wiener musste in eine kleine, in der Ölzeltgasse 1 hinter dem Stadtpark gelegene Wohnung ziehen.
Das Comeback gelang erst ein Vierteljahrhundert nach dem Eklat, jetzt als komische Alte in den Unterhaltungsfilmen der zwanziger und dreißiger Jahre. Doch auch da dachte die Sandrock immer noch voll Sehnsucht an ihre große Zeit zurück, in der sie als Maria Stuart, als Lady Macbeth und als Cleopatra umjubelt worden war.
Dramatisch wie alles in ihrem Leben war auch der Abschied gewesen. Als Medea hatte sie am 18. Oktober 1898 auf der Bühne des Burgtheaters ihre letzten Worte gesprochen: »Ich geh und niemals sieht dein Aug mich wieder!«
Der Vorhang fiel und Adele Sandrock brach weinend zusammen.
GIRARDI KAUFT EINE VILLA
Alexander Girardi
Bad Ischl, Steinfeldstraße 8
Seine Wiener Wohnung lag nahe dem Theater an der Wien, in der Karlsgasse 18. Doch in den Sommermonaten zog es ihn, wie so viele Künstler, nach Bad Ischl, wo der einstige Schlosserbub stolzer Besitzer einer prachtvollen Villa war. Dass er diese Villa fand, war der chronischen Unpünktlichkeit Girardis – der auch bei Theaterproben immer als Letzter eintraf – zu danken. Der Publikumsliebling wollte am Ende der Theaterferien des Jahres 1893 mit seiner ersten Frau, Helene Odilon, von Ischl nach Wien fahren. »Da Girardi immer zu spät kommt«, schildert die Odilon in ihren Memoiren, »versäumten wir den Frühzug. Wir wollten nicht wieder zurück ins Hotel und machten deshalb einen Spaziergang. Wir kamen an einer Villa vorbei, die zu verkaufen war, traten ein, besichtigten sie. Als ob sie für uns gebaut worden wäre: nicht zu groß, nicht zu klein. Der Park gerade recht. Die Lage reizend und der Preis bescheiden. Ohne viel Überlegung schlossen wir den Kaufvertrag gleich ab; als wir Ischl mit dem nächsten Zug verließen, war die Villa unser.«
Da Girardi krankhaft abergläubisch war, wurde das hoch über dem Traunufer gelegene Haus – ebenso wie seine Wiener Wohnung – mit Hunderten, ihm von seinen Bewunderern verehrten Glücksbringern voll gestopft. Kein Hufeisen, kein Schweinchen, kein Kleeblatt durften je weggeworfen, alles musste im Wohn-, Schlaf- oder Arbeitszimmer aufbewahrt werden, sonst wäre das Glück gewichen, davon war er überzeugt.
Girardi verbrachte bis zu seinem Tod im Jahr 1918 jeden Sommer in Ischl. In seiner Villa befinden sich heute sechs Mietwohnungen.
MIT DEM FIAKER INS GEFÄNGNIS
Franz Ritter
von Jauner
Wien 6., Linke Wienzeile 6
Dieser Mann schien das Glück gepachtet zu haben. Franz Jauner war ein beliebter Schauspieler und einer der erfolgreichsten Theaterdirektoren Wiens. Nichts schien den rasanten Aufstieg des Charmeurs, der in der Ringstraßenzeit im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens stand, stoppen zu können. Bis zu jenem Tag, an dem das Schicksal eine furchtbare Wendung brachte.
Der elegante, gut aussehende Sohn eines k. k. Hofgraveurs war am Burg- und am Kärntnertortheater aufgetreten und darüber hinaus ein so kluger Kopf, dass man ihm nach und nach die Direktionen des Carltheaters und der Hofoper übertrug. Da er all seine Aufgaben bravourös meisterte, wurde er vom Kaiser in den erblichen Adelsstand gehoben und 1880 zum Direktor des neuen Ringtheaters ernannt. Jauner war am Zenit seiner Laufbahn angelangt.
Doch ein Jahr später kam es hier zur größten Katastrophe der Theatergeschichte. Das Ringtheater geriet während einer Vorstellung in Brand, 384 Menschen verloren ihr Leben.
Franz Ritter von Jauner wurde wegen schwerer organisatorischer Mängel vom Gericht zur Verantwortung gezogen. Seine Mitarbeiter hatten nach Ausbruch des Feuers weder den Eisernen Vorhang heruntergelassen noch den Brandmelder betätigt, durch den die Feuerwehr verständigt worden wäre. So verstrichen wertvolle Minuten, ehe Hilfe kam. Jauner wurde zu einer viermonatigen Arreststrafe und zur Aberkennung seines Adelstitels verurteilt. Der Kaiser wies die zahlreichen Gesuche mit der Bitte um Gnade für Jauner zurück, weil »die Größe und Schrecklichkeit der Katastrophe wie der Leichtsinn Jauners eine Sühne verlangen, welche die allgemeine Meinung und auch mein Gefühl in einer Geldstrafe nicht finden«.
Jauner, der ein Jahr vor der Katastrophe das Theater an der Wien erworben hatte, wohnte zum Zeitpunkt des Unglücks mit seiner Familie im letzten Stock des Theatergebäudes auf der Linken Wienzeile, von wo aus er sich jetzt im Fiaker ins Landesgericht führen ließ, um seine Strafe anzutreten.
Die Wiener munkelten, dass er dort wie der Herr von Eisenstein im »Häf’n« der Fledermaus empfangen worden sei, da ihn das Personal, vom Direktor bis zum Gefängniswärter, anhimmelte. Auch nach Verbüßung der Haft schien Jauner wieder Fuß zu fassen. Zwar war ihm mit seiner Verurteilung die Bühnenkonzession entzogen worden, weshalb er das Theater an der Wien jetzt an Alexandrine von Schönerer verkaufte. Doch hinter den Kulissen blieb er der Operettenbühne erhalten, der er zu einem nie da gewesenen Höhenflug verhalf, als er 1885 den Zigeunerbaron in seiner Inszenierung uraufführte. Mit Girardi als Zsupan wurde die Strauß-Operette einer der größten Erfolge, die Wien je erlebt hatte.
1894 verließ er das Theater an der Wien, um – mittlerweile rehabilitiert – zum zweiten Mal in seinem Leben die Direktion des Carltheaters zu übernehmen, in dem er jetzt auch eine Wohnung bezog. Doch seine große Zeit war vorbei. Die Gastspiele der Eleonore Duse und Sarah Bernhardts erregten Aufsehen, konnten aber den wirtschaftlichen Abstieg der Bühne nicht aufhalten. Jauner setzte sein eigenes Vermögen ein, um das Theater zu retten, schlitterte jedoch in den Konkurs.
Am Vormittag des 23. Februar 1900 machte der Buchhalter dem Direktor die Mitteilung, dass für die Auszahlung der Wochenlöhne kein Geld mehr vorhanden