Adressen mit Geschichte. Georg Markus
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ZWISCHEN TROPPAU UND BADEN
Fritz Imhoff
Wien 4., Wiedner
Hauptstraße 17
Es gibt mehrere Versionen, wie der Wiener Fritz Jeschke zu seinem Künstlernamen Imhoff gekommen ist. Eine lieferte sein langjähriger Freund Hugo Wiener: Der 20-jährige Fritz sei 1911 unter seinem wirklichen Namen Jeschke am Stadttheater Troppau aufgetreten, wo er wegen Talentlosigkeit entlassen wurde. Zwei Jahre später – er hatte inzwischen seinen Militärdienst absolviert – verschaffte ihm sein Lehrer ein Engagement in Baden bei Wien. Die Freude darüber währte nur so lange, bis Fritz Jeschke erfuhr, dass der neue Direktor genau derjenige war, der ihn in Troppau gefeuert hatte.
Deshalb nannte er sich nun Imhoff und trat sein Engagement in Baden mit zittrigen Knien an. Der Direktor sah ihn sehr lange und sehr genau an, wusste aber nicht recht, wo er ihn hintun sollte.
In Baden feierte er seine ersten Erfolge, später spielte er an fast allen Wiener Bühnen. Er wohnte mit seiner Frau Huberta in einer geräumigen Altbauwohnung auf der Wiedner Hauptstraße und wurde, nicht zuletzt durch seine vielen Filme, einer der populärsten Schauspieler des Landes.
»SIE WAR DIE ERFÜLLUNG«
Willi Forst
Wien 14., Dehnegasse 15
So lange er lebte, hat er diese Beziehung für sich behalten. Erst in seinen posthum erschienenen Lebenserinnerungen gab Willi Forst seine Affäre mit Marlene Dietrich preis, die er 1927 bei den Dreharbeiten zu dem Stummfilm Café Elektric in Wien kennen gelernt hatte: »Wir flogen vom ersten Augenblick aufeinander. Noch in derselben Nacht lagen wir uns in den Armen. Sie galt als lesbisch, was zum Teil begründet war. In unserer Umarmung war davon nicht das Geringste zu spüren. Sie war die Erfüllung! Ich betete sie an, keine Frau vorher und nachher war imstande, solche Liebe zu geben.«
Einige Zeilen später entschuldigt sich Forst, ohne die Aussage zurükkzunehmen, für diesen Satz bei seiner Ehefrau.
Umgekehrt hatte auch die Dietrich allen Grund, Willi Forst dankbar zu sein. Denn er war es, dem zur rechten Zeit aufgefallen war, in welchem Licht man sie in der Großaufnahme zeigen musste, um ihr Gesicht auf der Leinwand günstig erscheinen zu lassen, da »auch die schönsten Beine der Welt nicht alles wettmachen können«, wie er schreibt. Marlene befolgte seine Ratschläge auch in Hollywood noch und bedankte sich später in einem Brief für Forsts Anteil an ihrer Weltkarriere.
Willi Forst wohnte zum Zeitpunkt seiner Affäre mit der Dietrich in der ehemaligen Wohnung seiner Eltern in der Ramperstorffergasse 47 in Wien-Margareten. Neun Jahre später war er als Schauspieler, Regisseur und Produzent seiner Filme so wohlhabend geworden, dass er den 110 000 Quadratmeter großen, nahe der Baumgartner Höhe gelegenen Dehnepark erwerben konnte. Dieser hatte einst den Fürsten Paar und Liechtenstein als Sommerresidenz gedient und befand sich später im Besitz des Zuckerbäckers August Dehne, der die Hofkonditorei Demel betrieb. Willi Forst bezog in den dreißiger Jahren mit seiner Frau eine im Dehnepark gelegene kleine Villa, die er selbst als sein »kleines Paradies« bezeichnete. »Dicht bei meinem Hause befindet sich ein Stückl Wienerwald, von dem ich glükklich sagen kann, dass es mir gehört«, sagte er. »Ich liebe meinen kleinen Wald, seine Unberührtheit und Unberührbarkeit. Wenn ich in ihm spazieren gehe, treffe ich keinen Menschen. Der Zaun, der drumherumgezogen ist, schützt den Wald und mich sogar vor den Papierln der Sonntagsausflügler.«
Willi Forst verkaufte das Anwesen 1967 an die Stadt Wien, die das Wohnhaus des beliebten Schauspielers abriss und auf dem Grundstück einen öffentlich zugänglichen Park errichtete.
»WARUM GERADE ICH?«
Paula Wessely
Wien 19., Himmelstraße 24
Der Regisseur Willi Forst und sein Autor Walter Reisch standen vor einem Dilemma. Das Drehbuch zu dem Film Maskerade war fertig, sie spürten, dass es beim Publikum ankommen würde, aber sie hatten noch keine Hauptdarstellerin für die Rolle der schüchternen Gesellschaftsdame Leopoldine Dur. Gewiss, eine Schauspielerin namens Paula Wessely war die beste von allen, die zur Auswahl standen. Aber sie kam vom Theater und verkörperte keineswegs das Schönheitsideal, das im noch jungen Tonfilm gefragt war. Wie konnte man den Zuschauern im Kino glaubhaft machen, dass sich der blendend aussehende Adolf Wohlbrück – der für die Rolle des Malers Heideneck gewonnen werden konnte – ausgerechnet in diese als »unfotografierbar« geltende junge Frau verliebt?
Autor und Regisseur saßen am Beginn des Jahres 1934 beisammen und dachten darüber nach, wie der Film zu retten wäre. Plötzlich hatte Walter Reisch die zündende Idee, er riss eine Seite aus dem Drehbuch und fügte eine neue Szene ein. Leopoldine Dur steht darin vor einem Spiegel, sieht in ihr Gesicht und fragt: »Warum gerade ich? Er kann doch ganz andere Frauen haben.« Sie läuft weg, kommt wieder zurück, schaut noch einmal in den Spiegel und sagt: »Warum nicht gerade ich!«
Die paar Worte waren ausschlaggebend für den unvergleichlichen Erfolg von Maskerade und für den kometenhaften Aufstieg der Paula Wessely. Millionen Frauen identifizierten sich mit ihr, kleideten sich wie sie, trugen das Haar wie sie, wollten »erobern« wie sie. Die 27-jährige Wienerin wurde über Nacht zum Idol.
1935 kaufte die Wessely von ihrer ersten Filmgage ein altes Winzerhaus in der Grinzinger Himmelstraße, das sich einst im Besitz der Industriellenfamilien Schoeller und Krupp befunden hatte. Im selben Jahr noch heiratete sie Attila Hörbiger. Er bewohnte das Erdgeschoss, sie den ersten Stock. Heute betreibt Maresa Hörbiger in dem Biedermeierhaus den Kultursalon Hörbiger.
FAST EIN FUSSBALLER
Attila Hörbiger
Wien 19., Himmelstraße 24
Das wirklich Mühsame am Beruf des Schauspielers ist das Textlernen. Und der Albtraum heißt, auf der Bühne »hängen zu bleiben«. Attila Hörbiger bereitete sich 1958 auf die Rolle des alkoholkranken Majors Cornelius Melody in Eugene O’Neills Schauspiel Fast ein Poet vor. Zu Hause in Grinzing warf seine älteste Tochter Elisabeth Orth während der schwierigen Probenzeit am Akademietheater einen Blick in Vaters Textbuch und sah neben den gedruckten Zeilen ein Fußball spielendes Männchen, das der Papa hingekritzelt hatte. Zuerst dachte sie, aha, das war heut eine langweilige Probe, dem Regisseur ist nichts eingefallen, da hat der Papa in seiner Langeweile einen Fußballer in sein Textbuch gezeichnet, Fußball ist schließlich sein Lieblingssport.
Sie fragte ihn, an welches Match er gedacht hätte, während der faden Probe.
Attila Hörbiger sah seine Tochter – die selbst gerade ihre ersten Auftritte hinter sich gebracht hatte – mit großen Augen an, zog eine Schulter hoch und sagte: »Schau doch nach, neben welchem Wort der Fußballer hingezeichnet ist.«
Sie sah, dass dort das Wort »grausam« stand.
»Na, und weil mir das Wort auf der Probe immer wieder nicht eingefallen ist, hab ich an den Fußballer Grausam* gedacht, und wenn ich beim Textlernen jetzt zu dem Wort komme, denke ich schnell an den Spieler, und mir fällt’s ein, das Wort.«