Adressen mit Geschichte. Georg Markus
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WO DER KAISER GERADE WAR
Katharina Schratt
Wien 13., Gloriettegasse 9
Die Damen und Herren Hofschauspieler verdienten schon sehr gut, damals. Aber so gut auch wieder nicht, dass sie sich gleich mehrere Villen und ein Palais auf der Ringstraße hätten leisten können. Dieser Luxus blieb der Hofschauspielerin Katharina Schratt vorbehalten, die drei Wohnsitze aufrechterhalten musste, um dem Kaiser stets nahe zu sein. Wenn er während der Wintermonate in der Hofburg residierte, besuchte er die Seelenfreundin am Kärntner Ring. Residierte er in Schönbrunn, nahm er das Frühstück bei ihr in der Gloriettegasse ein. Und in den Monaten Juli/August, wenn er in Bad Ischl weilte, musste sie Quartier im Salzkammergut nehmen.
Das prachtvolle Palais am Kärntner Ring 4 war 1862 vom Bankier Jonas Freiherr von Königswarter errichtet worden (von dem der snobistische Satz stammt: »Jeder Prolet, der heutzutag eine Million besitzt, glaubt schon, er ist ein Millionär.«) und ging 1908 in den Besitz der Katharina Schratt über.
Finanziert wurden das Palais Königswarter, die Villa in Hietzing und die (gemietete) Villa Felicitas in Bad Ischl freilich von Seiner Majestät dem Kaiser. Denn der wollte, dass seine »Seelenfreundin«, wie sie offiziell genannt wurde, immer in seiner Nähe war.
Die Adresse Gloriettegasse 9 liefert den Beweis, dass Katharina Schratt mehr als nur Seelenfreundin war. »Dieses ist mein letzter Brief vor dem ersehnten, endlichen Wiedersehen«, schreibt der Kaiser im Juni 1896. »Da ich am 19. ungefähr um 6 Uhr Früh in Schönbrunn eintreffen werde, so werde ich mir erlauben um 8 Uhr oder etwas später, in der Gloriette Gasse zu erscheinen mit der Hoffnung, Sie, den Zeitumständen entsprechend, endlich wieder einmal zu Bett zu finden, was Sie mir auch halb und halb versprochen haben. Früher kann ich nicht kommen, da ich mich nach der Eisenbahnfahrt reinigen und rasiren muss.«
Die in einem großen Park ebenerdig gebaute Schratt-Villa in Hietzing war, passend zum benachbarten Schloss, in noblem »Schönbrunnergelb« gehalten. Die Schauspielerin wusste die Sekunde, in der der Monarch – frühmorgens punkt sieben Uhr – einzutreffen pflegte und wartete bereits an der Gartentreppe, um ihn zu begrüßen. Sie geleitete den hohen Besuch dann in das dunkel getäfelte Raucherzimmer, das ausschließlich diesen Begegnungen vorbehalten blieb. Hier nahm Franz Joseph sein zweites Frühstück – Kaffee und Guglhupf – ein und ließ sich von der Schratt den geliebten neuesten Tratsch aus dem Burgtheater erzählen.
Peter Schratt, der seine Großtante als Kind oft besucht hatte, erinnerte sich an »viele große Salons mit kostbaren Möbeln. Im Hintergrund die Stimme eines Papageis. Tante Kathi war eine maßlose Frau. Wenn sie Tiere hielt, hatte sie gleich sieben Hunde und drei Papageien und einen großen Affen. Trieb sie Mundhygiene, benützte sie sieben Zahnbürsten, für jeden Tag eine. Sie hatte auch sieben Kirchen, die sie in einem festen Turnus besuchte. Die Bettler kannten den Turnus und erwarteten sie jeden Morgen vor der richtigen Kirche, um dort von ihr gar nicht unbedeutende Beträge, Kuchen und Brot in Empfang zu nehmen«.
Obwohl der Kaiser alles bezahlte, war die Schratt immer in finanziellen Schwierigkeiten, da sie als leidenschaftliche Spielerin am Roulettetisch ein Vermögen verlor. Als sie einmal aus Geldnot die Villa in der Gloriettegasse verkaufen wollte, flehte Franz Joseph in einem Brief inständig, dies nicht zu tun, weil die dortigen Treffen »zu den wenigen Lichtblicken meiner trüben Existenz« zählten.
Sie behielt ihre beiden Wiener Häuser auch dann noch, als der Kaiser nicht mehr am Leben war. Um die feudalen Wohnsitze weiterhin finanzieren zu können, ließ sie Teile ihrer wertvollen Schmucksammlung versteigern, die sie in besseren Tagen ebenfalls von ihrem großen Gönner erhalten hatte.
Nach Katharina Schratts Tod im April 1940 verkaufte deren Sohn Anton Kiss sowohl das Palais Königswarter als auch die Villa in der Gloriettegasse. Am Kärntner Ring 4 ist heute das Karajan Centrum untergebracht, die im Zweiten Weltkrieg durch Bomben stark beschädigte und wieder aufgebaute Villa in Hietzing befindet sich in Privatbesitz.
EIN TRAGISCHER SEITENSPRUNG
Lina Loos
Wien 19.,
Sieveringer Straße 107
Es war Liebe auf den ersten Blick. Fünf Minuten nachdem der 32-jährige Architekt Adolf Loos im Jahre 1902 die bildschöne Schauspielerin Lina Obertimpfler im Literatencafé Löwenbräu zum ersten Mal gesehen hatte, fragte er sie, ob sie seine Frau werden wollte. Die zwanzigjährige Schauspielerin sagte ja – und eine Tragödie nahm ihren Lauf.
Lina knüpfte bald nach der Hochzeit zarte Bande mit dem Studenten Heinz Lang, worauf ihre Ehe in Brüche ging. Die Wiener Gesellschaft hatte ihren Skandal, zumal sich schnell herumsprach, dass Linas Treffen mit dem Liebhaber ausgerechnet in ihrem von Adolf Loos extravagant gestalteten Schlafzimmer stattfanden.
Und dann das schreckliche Ende: Als der Student erkennt, dass Lina nicht bereit ist, mit ihm nach England zu gehen – wie er sich das erträumt hat –, nimmt er sich das Leben.
Lina Loos wird nach der Katastrophe in Wien geächtet und geht nach Amerika, um dort ein neues Leben zu beginnen. Sie kehrt noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zurück, ist am Raimund- und am Volkstheater engagiert, wird aber nur in kleinen Rollen eingesetzt.
Sie stirbt im Juni 1950 im Alter von 67 Jahren in Wien, ohne je wieder geheiratet zu haben.
ZU FUSS NACH DÖBLING
Josef Kainz
Wien 19., Lannerstraße 24
In jungen Jahren hatte Kainz, wenn er zu kleineren Engagements nach Wien kam, eine Wohnung in der Josefstädter Straße gemietet. Später, als berühmtester Charakterdarsteller seiner Zeit, wohnte er in Döbling. Dass er seinen Wohnsitz schließlich ganz nach Wien verlegte, hatte einen dramatischen Grund: Als seine Frau 1893 in Berlin starb, hielt er es dort nicht mehr aus und beschloss, die Stätte seiner Triumphe zu verlassen. Burgtheaterdirektor Max Burckhard holte den Sohn eines ungarischen Bahnbeamten zunächst nur für ein Gastspiel.
Einige Zeit später sollte der Star als festes Ensemblemitglied nach Wien kommen, doch dem stand ein unlösbar scheinendes Problem gegenüber: Der neue Burgtheaterdirektor Paul Schlenther war früher Kritiker der Vossischen Zeitung in Berlin gewesen, in der er Kainz fürchterlich verrissen hatte.
Jetzt fand man einen – sehr teuren – Weg der Versöhnung. Er bekam die höchste Gage, die man am Burgtheater je bezahlt hatte, doch sie amortisierte sich schnell, denn Wien stand Kopf, sobald er die Bühne betrat. Insgesamt war Kainz hier in 28 Rollen zu sehen, u. a. als Franz Moor, als Cyrano und als Torquato Tasso. Seine Kollegin Hedwig Bleibtreu musste »jedes Mal nach der Vorstellung den weiten Weg nach Döbling zu Fuß gehen. Es war einfach unmöglich, in der Straßenbahn zu sitzen, so aufgeregt hat einen dieser Mann«.
Sein größter Wunsch, Regisseur des Burgtheaters zu werden, blieb unerfüllt. Direktor Schlenther verweigerte den Vertrag, weil er Angst hatte, mit dem Regisseur Kainz den Schauspieler Kainz und damit sein größtes Zugpferd zu verlieren. Als Schlenthers Nachfolger, Alfred Freiherr von Berger, dem schwerkranken Mimen das Ernennungsdekret