Adressen mit Geschichte. Georg Markus

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Adressen mit Geschichte - Georg Markus

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Schauspielers. Werner Krauß, der in einer ihm vom Burgtheater zur Verfügung gestellten Wohnung in der Porzellangasse lebte, starb ein Jahr später, am 20. Oktober 1959, im Alter von 75 Jahren.

      FASSUNGSLOS ÜBER DEN IFFLANDRING

      Josef Meinrad

      Wien 23.,

      Anton-Krieger-Gasse 92–94

      Josef Meinrad und seine Frau Germaine hatten im Jahre 1955 ein Haus in Wien-Mauer gekauft, in dem nach dem Krieg ein russischer General einquartiert war. Vier Jahre nach dem Einzug in die geräumige Villa wurde Meinrad durch die höchste Ehrung überrascht, die einem Schauspieler zuteil werden kann: Der verstorbene Werner Krauß hatte ihm den Ifflandring, den der Überlieferung nach der bedeutendste Schauspieler deutscher Zunge erhalten soll, hinterlassen. Neben Meinrad selbst war auch ein großer Teil der Öffentlichkeit ob dieser Wahl fassungslos, die Krauß in einem Brief mit der »Einfachheit, Schlichtheit und Wahrhaftigkeit« des Burgschauspielers begründet hatte. »Ich habe diesen Brief immer wieder gelesen«, erklärte Meinrad damals, »um zu verstehen, warum Werner Krauß diese Entscheidung getroffen hat. Vielleicht wollte er das Land ehren, das ihm zur zweiten Heimat geworden ist … und ich bin dabei gar nicht so wichtig.«

      In der deutschen Presse erschienen böse Kommentare, die hinterfragten, warum die Auszeichnung nicht einem »wirklich großen« Schauspieler wie Gustav Gründgens, Ernst Deutsch oder Ewald Balser übergeben worden war. Auch Meinrad hatte »dem deutschen und dem schweizerischen Theaterpublikum gegenüber eine gewisse Sorge«, wie er später sagte. »Ich hatte bis 1959 nur ganz wenige Theatertourneen durch Deutschland und in einigen Städten der Schweiz absolviert. Die Menschen kannten mich dort nur von einigen Fernsehaufzeichnungen und Filmen her, und die haben sicher nicht dazu beigetragen, auf mich aufmerksam zu machen. Dazu kam, dass die deutsche Presse die Ring-verleihung von Werner Krauß an mich mit Verwunderung, ja mit großer Reserviertheit aufnahm. Ich war in diesen Ländern eher ein unbekannter, in manchen Kreisen sogar ein unbedeutender Schauspieler.«

      Ein Jahr später konnte Meinrad diesen Eindruck durch eine große Burgtheatertournee abschütteln. Nachdem er mehrere Monate als Theodor in Hofmannsthals Der Unbestechliche durch Deutschland, Luxemburg und die Schweiz unterwegs gewesen war, stellten Theaterfreunde in einem offenen Brief an den Künstler fest: »Ehrlich gesagt, als wir hörten, dass Werner Krauß Ihnen den ehrwürdigen Ifflandring zuerkannt hat, haben wir uns etwas gewundert. Seien Sie nicht böse darüber. Wer von uns kannte Sie schließlich näher als aus den dummen und dümmlichen Röllchen, die man Ihnen bisher im Film gab? Jetzt wissen wir es besser. Und wir haben begeistert Szenenapplaus geklatscht; immer wieder, als Sie uns Hofmannsthals Unbestechlichen vorspielten, und wir sahen, dass Sie unbestechlich durch Ihren jungen Ruhm, wirklich der liebenswürdigste Mensch und einsatzfreudige, eisern an sich arbeitende Schauspieler sind, als den Sie die Fama gepriesen hat. Sie haben uns begeistert! Wir haben Sie lieb gewonnen! Vielen Dank für Ihr Gastspiel.«

      Erst jetzt im Zuge dieser Tournee auch von der deutschen Presse fast einhellig gelobt, hatte Meinrad das Gefühl, sich den Ifflandring wirklich verdient zu haben.

      Und doch behielt er seine sprichwörtliche Bescheidenheit. Er arbeitete in der in seinem Keller etablierten Tischlerwerkstatt und in der Holzschnitzerei. Obwohl das Haus in Mauer sehr groß war, begnügte sich Meinrad mit einer winzigen Kammer, in der er völlig abgeschirmt seine Texte lernte. Die übrigen Räume wurden mit den von den Meinrads gesammelten Antiquitäten eingerichtet. Am Sonntagvormittag lud das Ehepaar regelmäßig zum »Jour«, dem Freunde wie Hugo Gottschlich, Inge Konradi, Hans Olden und Gusti Wolf angehörten.

      1970 erwarb Meinrad in der Salzburger Gemeinde Großgmain eine ehemalige Scheune, die er zu seinem Zweitwohnsitz umbauen ließ. Als er sich achtzehn Jahre später vom Theater zurückzog (weil er bei einer Aufführung zum ersten Mal in seinem Leben auf den Souffleur angewiesen war) übersiedelte er mit seiner Frau ganz in das Landhaus, in dem er dann seine letzten Lebensjahre verbrachte. Er starb hier am 18. Februar 1996 im Alter von 83 Jahren.

      DAS WEIHNACHTSWUNDER

      Walther Reyer

      Wien 5.,

      Leopold-Rister-Gasse 5

      Wien, am 24. Dezember 1958. Eine Maschine vom Typ Super Constellation der Air France verpasst in dieser stürmischen Regennacht die Landebahn des Flughafens Schwechat und stürzt in einen angrenzenden Acker. Es folgt eine gewaltige Explosion und das Flugzeug brennt vollkommen aus.

      An Bord der Maschine befanden sich 34 Passagiere, einer von ihnen war der Burgschauspieler Walther Reyer, der in Berlin an der Synchronisation des Films Der Tiger von Eschnapur gearbeitet hatte. »Plötzlich stürzte das Flugzeug in die Tiefe«, beschreibt er den Vorfall in seinen Lebenserinnerungen. »Gleichzeitig begann alles wie irrsinnig zu schwanken. Ein gigantischer Krach, als die Maschine auf dem Boden aufschlug – in der Kabine wurde es stockdunkel. Ein Lichtschein blitzte an mir vorbei, die Tür flog auf. Angstvolles Gekreisch, dann wurde es ganz ruhig. Nur das Knistern der Flammen war zu hören. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf: ›So ist es also, wenn du stirbst. Jetzt kannst du nur noch beten.‹ Alles drängte zur Tür. Wie ich dorthin fand, weiß ich nicht mehr. An den Sprung ins Freie erinnere ich mich gut. Ich musste mitten durch die Flammen, dann rannte ich, instinktiv ahnend, dass die Maschine gleich explodieren würde … Wenige Minuten nachdem sich der letzte Passagier nach draußen hatte retten können, krachte es dumpf, schossen Stichflammen in die Höhe, explodierte die riesige Constellation. Kein Mensch, der noch an Bord gewesen wäre, hätte diese Gluthölle überstanden.«

      Walther Reyer wird ab diesem Tag an jedem Heiligen Abend um 22 Uhr nicht nur Weihnachten, sondern auch – zum zweiten Mal im Jahr – seinen Geburtstag feiern. Die Tatsache, dass am 24. Dezember 1958 kein einziger Passagier zu Schaden kam, ging als »Weihnachtswunder« in die Geschichte des Schwechater Flughafens ein.

      Dem Schauspieler hat es mehr als vierzig Lebensjahre geschenkt. Er starb im Herbst 1999 im Alter von 77 Jahren.

      Zum Zeitpunkt des Unglücks hatte Reyer mit seiner damaligen Frau Gretl Elb im vierten Stock des Matzleinsdorfer Hochhauses in der Leopold-Rister-Gasse gewohnt, später ließ er sich in der Hanselmayergasse, in der Nelkengasse und in der Reisnerstraße/Ecke Rennweg nieder, ehe er 1982 seine letzte Wohnung in der Schadekgasse 16 bezog. Wobei er zwischendurch immer wieder in seine Tiroler Heimat zurückkehrte.

      »DIE PROBE IST BEENDET«

      Raoul Aslan

      Wien 9., Strudlhofgasse 13

      Raoul Aslan war als Kind aus seiner Heimatstadt Saloniki nach Wien übersiedelt, wo er nach seiner Schauspielausbildung ans Burgtheater engagiert wurde und diesem bis zu seinem Tod im Jahre 1958 angehörte. Egal, ob als Nathan, als Torquato Tasso oder als Franz Moor – Aslan faszinierte sein Publikum nicht zuletzt dank seiner außergewöhnlichen Sprechtechnik und seiner eindrucksvollen Persönlichkeit. Was er nicht mochte, waren intensive Proben, in denen jedes Wort, jede Geste zerpflückt und tausendfach analysiert wurden. Besonders lächerlich empfand er es, sich auf eine Lesung vorzubereiten. Als er einmal bei einer karitativen Veranstaltung Gedichte und Balladen deklamieren sollte, stellten die Organisatorinnen des Komitees die Bedingung, dass der Herr Kammerschauspieler am Nachmittag davor eine Probe abhalten müsste. Aslan erschien zur angesetzten Stunde vor dem versammelten Komitee und sagte: »Meine Damen, wir nehmen jetzt die Probe vor. Ich betrete den Saal. Das Publikum begrüßt mich begeistert. Ich nehme am Vortragstisch Platz. Ich beginne zu lesen. Nach der ersten

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