Das gibt's nur bei uns. Georg Markus
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Mit 44 Jahren in den Ruhestand versetzt
Der Kammerdiener wurde nach Rudolfs Tod, obwohl erst 44 Jahre alt, vom kaiserlichen Hof in den Ruhestand versetzt und erhielt eine Abfindung in Höhe von 2600 Gulden1. Gleichzeitig musste er sich verpflichten, solange er lebte, mit niemandem über die Vorgänge im Jagdschloss Mayerling zu sprechen.
Der Kammerdiener will die Schilderung »nicht in das Grab nehmen«
Johann Loschek hielt sich an dieses Versprechen. Allerdings diktierte er am 19. Jänner 1928 seinem Sohn Johann Loschek jun. seinen Lebenslauf, dessen spannendster Teil den Titel Die richtige Darstellung des Dramas von Mayerling trägt. Die achtseitige Handschrift befand sich bei meinem Besuch auf dem ehemaligen Gut Johann Loscheks in Kleinwolkersdorf bei Wiener Neustadt und somit im Besitz von Rotraut Witetschka, die mir das Original zur Veröffentlichung in diesem Buchkapitel zur Verfügung stellte.
»Als einziger noch lebender Zeuge des Dramas von Mayerling«, notierte der damals 83-jährige Loschek, »will ich es nicht in das Grab nehmen sondern habe es meinem Sohn Johann Loschek diktiert. Einfach und wahr.«
Und das ist der Bericht des Kammerdieners über die Tragödie von Mayerling:
Auch Graf Hoyos und Prinz Coburg sind in Mayerling
Rudolf spricht über die Jagd des nächsten Tages
Eine makabre Prophezeiung
Ich fuhr mit meinem Hofwagen am 29. Jänner 1889 um ¾ 9 h Vorm. zum Südbahnhof um nach Baden einzusteigen. Ab Baden fuhr ich mit meinem Fiaker Rosensteiner nach Mayerling, welches ich nach dem Geschmack eingerichtet hatte. Nachmittags kam der einzige Jagdgast Graf Hoyos an. Rudolf schickte Prinz Coburg zum Kaiser, er könne nicht kommen, da er Halsschmerzen2 habe. Ich selbst musste dem Prinzen Coburg mündlich die Post übermitteln. Rudolf selbst kam erst am Abend mit seinem Leibfiaker Bratfisch mit Mary Vetsera an und begaben sich beide in das Zimmer. Gleich abends als Forstmeister Hornsteiner über die Jagdeinteilung mit Rudolf gesprochen hatte und er die morgige Jagd mit dem Hinweis, er habe keine Zeit, absagte, kam sofort Jagdmeister Hornsteiner zu mir und sagte: »Du, was ist’s mit dem Kronprinzen, er hat jetzt mit mir gesprochen und hat aber an ganz etwas anderes gedacht.« Ich selbst bemerkte auffallenderweise, wie er mich beim Abendessen, welches nur Rudolf und Hoyos allein einnahmen, vom Kopf bis zu Fuß groß ansah, als wollte er sagen, Du bist es, welcher bald seinen guten, aber unglücklichen Herrn tot finden wird.
Verpflichtete sich, niemals über die Vorgänge von Mayerling zu sprechen: Kronprinz Rudolfs Kammerdiener Johann Loschek
Johann Loschek ging an diesem 29. Jänner 1889 erst spätabends zu Bett. Und erinnerte sich in seinem Lebenslauf an eine unruhige Nacht:
Für Rudolf und Vetsera gab es keinen Schlaf mehr. Ich schlief wie gewöhnlich im Nebenzimmer und Rudolf sagte mir beim Schlafengehen: »Sie dürfen Niemanden zu mir lassen und wenn es der Kaiser ist.« Vetsera erwartete Rudolf im Zimmer, wo sie auch das letzte Nachtmahl eingenommen hatte. Ich hörte die ganze Nacht über Rudolf und Vetsera in sehr ernstem Tone sprechen. Verstehen konnte ich es nicht.
Rudolf und Mary liegen tot auf ihren Betten
Vieles über Mayerling ist laut Loschek frei erfunden
Fünf Minuten vor ½ 7 Uhr früh kam Rudolf vollständig angezogen zu mir in das Zimmer heraus und befahl mir, (die Pferde, Anm.) einspannen zu lassen. Ich war noch nicht im Hofe draußen, als ich 2 Detonationen hörte, und lief sofort zurück, der Pulvergeruch kam mir entgegen. Ich stürmte zum Schlafzimmer, doch es war entgegen der Gewohnheit Rudolfs zugesperrt (sonst sperrte er das Zimmer nie ab). Was nun machen. Ich holte sofort Graf Hoyos und mit einem Hammer bewaffnet, schlug ich die Türfüllung ein, dass ich gerade mit der Hand hinein konnte, um die Türe von innen aufzusperren. Welch grauenhafter Anblick. Rudolf lag entseelt auf seinem Bette, ganz angezogen, Mary Vetsera ebenfalls auf ihrem Bette vollständig angekleidet. Rudolfs Armeerevolver lag neben ihm. Beide haben sich überhaupt nicht schlafen gelegt. Beiden hing der halbe Kopf hinunter. Gleich beim ersten Anblick konnte man sehen, dass Rudolf zuerst Mary Vetsera erschossen hatte und dann sich selbst entleibte. Es fielen nur 2 wohlgezielte Schüsse. Von der Anwesenheit einer dritten Person und dass Glasscherben am Kopfe Rudolfs steckten, ist wie so vieles über den Tod frei erfunden.
Loschek informiert Rudolfs Leibarzt und die Adjutanten
Der unter Schock stehende Kammerdiener informierte sofort nach Auffinden der beiden Leichen telegrafisch den kaiserlichen Leibarzt Hermann Widerhofer und die beiden Adjutanten des Kronprinzen. Loschek setzt seinen Bericht fort:
Dr. Widerhofer war bereits gegen ½ 9 Uhr hier. Ich sperrte alles ab und bettete Rudolf und Vetsera in ihre Betten. Die Betten standen nicht wie Ehebetten nebeneinander, sondern an beiden Wänden. Auf dem Nachtkästchen Rudolfs war ein einfacher Zettel (des Kronprinzen, Anm.) an mich adressiert und darauf stand:
»Lieber Loschek, holen Sie einen Geistlichen und lassen Sie uns in einem gemeinsamen Grabe in Heiligenkreuz beisetzen. Die Pretiosen meiner teuren Mary nebst Brief von ihr überbringen Sie der Mutter Marys. Ich danke Ihnen für Ihre jederzeit so treuen und aufopfernden Dienste während der vielen Jahre, welche Sie bei mir dienten. Den Brief an meine Frau lassen Sie ihr am kürzesten Wege zukommen. Rudolf.«
Der Kammerdiener erfasst das Ausmaß der Tragödie
Als er diese Zeilen las, wurden dem Kammerdiener das volle Ausmaß und die Dimension der Geschehnisse bewusst.
Rudolfs Sarg wird nach Wien gebracht
Jetzt erst brach auch ich zusammen, ich kniete nieder, meinen Kopf auf Rudolfs Arm legend und weinte bitterlich. Wie lange, das weiß ich nicht. Ein Klopfen scheuchte mich auf, es war bereits Dr. Widerhofer und ein Sekretär, welche den Tatbestand nach meinen Angaben aufnahmen. Denselben Tag noch brachten wir die Leiche Rudolfs nach Baden, wo wir circa um 9 Uhr abends ankamen. Lakaien trugen den Sarg in einen Salonwagen und nur Dr. Widerhofer und ich begleiteten unseren guten Herrn nach Wien.
»Die richtige Darstellung des Dramas von Mayerling«: Die Erinnerungen, die Johann Loschek seinem Sohn diktierte
Eine große Menschenmenge erwartete uns. Ich fuhr dem Leichenwagen hinterher noch bis in die Burg, das Weitere ist ja aus den Zeitungen schon längst bekannt. So lautet einfach und ohne Romantik das Drama von Mayerling, worüber schon so Vieles von nicht eingeweihten Personen geschrieben wurde.
Mit diesen Worten beendet Loschek das wohl traurigste Kapitel seines Lebens. Gezeichnet: »Kleinwolkersdorf, 19. I. 1928, Johann Loschek, Kammerdiener weiland Kronprinz Erzherzog Rudolf«, bestätigt von zwei Zeugen.
Abschiedsbriefe, die nie geschrieben wurden
Es war auch bisher schon bekannt, dass Rudolf in Mayerling mehrere Abschiedsbriefe verfasst hat: den oben erwähnten an seine Frau Stephanie, einen an seine Mutter Kaiserin Elisabeth, einen weiteren an seine Schwester Marie Valerie, einen an seinen Freund, den Bankier Baron Moritz Hirsch, einen an seine Geliebte Mizzi Caspar und den ebenfalls erwähnten an Kammerdiener Loschek. Was bisher nicht bekannt war, ist, dass Rudolf noch einige Briefe schreiben wollte. Die Kuverts dazu fand ich in Loscheks