Wie die Zeit vergeht. Georg Markus

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Wie die Zeit vergeht - Georg Markus

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den wenigen Monaten, die er an der Donau verbrachte, zeugte der Korse zwei Söhne. Mit den österreichischen Gebräuchen dürfte er sich jedenfalls schnell zurecht gefunden haben, ließ es sich Napoleon doch nicht nehmen, den Stiefvater einer seiner Geliebten zum Hofrat zu ernennen!

      Apropos: Selbstverständlich ist auch dem österreichischen Beamten ein Kapitel gewidmet, in dem ich der Frage nachgehe, warum es in keinem anderen Land der Welt so viele Amts- und Ehrentitel gibt wie in diesem. Nicht, dass es keine Reformversuche gegeben hätte: Der Titel Hofrat sollte bereits im Jahre 1850 abgeschafft werden, aber dann …

      Jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich nicht das ganze Buch schon im Vorwort erzähle. Nur so viel noch: »Wie die Zeit vergeht« will Geschichte durch Geschichten erzählen. Es will informieren und vor allem: in keiner Zeile langweilig sein, denn langweilige Geschichtsbücher gibt es schon mehr als genug.

      GEORG MARKUS

      Wien, im September 2009

      Der Autor dankt den folgenden Personen, die ihn bei der Arbeit zu diesem Buch unterstützten: Victoria Bauernberger, Peter Broucek, Julia Holzschuh, Maria Hutter, Carina Kerschbaumsteiner, Christoph Lechner, Peter Marboe, Stefan Raynova-Lintl, Dietmar Schmitz, Susanne Schoberberger und Thomas Schreiner.

      MAJESTÄT RASIERTE SICH GANZ ALLEINE

       Wer aller dieses Land regierte

      Dem künftigen Kaiser lag ein riesiges Reich zu Füßen. Was ihm noch fehlte, war eine passende Frau. Nicht, weil er das dringende Bedürfnis nach Zweisamkeit verspürte, sondern weil das Haus Habsburg andernfalls bankrott zu gehen drohte. Da erfand Maximilian I. die Formel, dass Österreich lieber heiraten als Kriege führen sollte.

      Wie aber kam so ein Prinz an eine »gute Partie« heran, die noch dazu aus erster Familie zu stammen hatte?

      Nun, es gab damals einen richtigen Heiratsmarkt, auf dem man junge Damen von königlichem Geblüt besichtigen konnte. Freilich wäre es unter den Reisebedingungen des 15. Jahrhunderts zu beschwerlich gewesen, alle in Frage kommenden Bräute Europas persönlich in Augenschein zu nehmen – und die Fotografie war noch lange nicht erfunden.

      Maximilian, auch als letzter Ritter bekannt, bekam durch einen reitenden Boten eine auf Porzellan gemalte Miniatur überreicht, mit der er sich ein Bild von der Auserwählten machen konnte. Dafür waren an jedem Hof Künstler engagiert, die keine anderen Aufgaben hatten, als Porträts der Königstöchter und -söhne anzufertigen. Es konnte allerdings zu bösen Überraschungen kommen, zumal die Hofmaler den Auftrag hatten, die Kinder ihrer Herrschaft möglichst idealisiert darzustellen.

      Der durch seinen prunkvollen Lebensstil mehrfach an den Rand des Ruins geratene Maximilian konnte mit seiner ersten Gemahlin Maria von Burgund eine glückliche, wenn auch nur kurze Ehe führen. Sie starb 1482 an einer Fehlgeburt, die sie als Folge eines Jagdunfalls erlitten hatte. Aber dafür erbten die Habsburger jetzt das blühende Burgund, das von Frankreich bis in die Niederlande reichte. Die Heirat hatte Österreichs Finanzen gerettet.

      Wie’s der Zufall wollte, entstammte auch Maximilians Gattin Nummer zwei, Bianca Sforza, einem der reichsten Häuser Europas. Und eine Schönheit war sie obendrein.

      Das mit dem Aussehen der Habsburger war so eine Sache. Während Kaiser Maximilian eine durchaus respektable Erscheinung war und sein Sohn Philipp sogar den Beinamen »der Schöne« trug, durfte sich dessen Sohn Karl V. keineswegs einer edlen Physiognomie erfreuen. Noch schlimmer erging es Kaiser Leopold I., einem hässlichen, fast zwergenhaften Mann, der mit einer besonders ausgeprägten Form der so genannten Habsburger-Lippe ausgestattet war.

      Es war die polnische Prinzessin Cimburga von Masowien, die im 15. Jahrhundert durch Einheirat die wenig vorteilhaften Gesichtszüge in die Dynastie gebracht hatte. Von ihrer herabhängenden Unterlippe und ihrem vorspringenden Kinn waren mehrere Generationen betroffen, bei manchen Habsburgern war die Deformation so ausgeprägt, dass sie kaum in der Lage waren, den Mund zu schließen. Wie eben Kaiser Leopold, der sich nur »stockend und brummend« verständigen konnte, da ihn die Lippe sogar am Sprechen hinderte. »Man möchte fast bezweifeln, dass mit ihm der Herrgott wirklich einen Menschen erschaffen wollte«, beschreibt der türkische Gesandte Evliya Çedlebi die Erscheinung des Kaisers. »Seine Lippen sind wulstig wie die eines Kamels, und in seinen Mund würde ein ganzer Laib Brot auf einmal passen. Die Pagen wischen ihm mit riesigen roten Tüchern ständig den Geifer ab. Während die Pagen dieses armen Teufels von einem Kaiser allesamt lieblich und schön sind, ist er garstig anzusehen.« Leopold war dreimal verheiratet und hatte 16 Kinder.

      Sein aus der Spanischen Linie der Habsburger stammender Vorfahre Karl V. hatte es zuwege gebracht, das ehemals bedeutungslose Geschlecht als einflussreichste Dynastie der Welt zu etablieren. Die Habsburgergebiete reichten im 16. Jahrhundert von Österreich über die Niederlande, Spanien, Portugal und Italien bis zu den überseeischen Besitzungen in Amerika, Afrika und Asien – tatsächlich schien in Kaiser Karls Reich immer irgendwo die Sonne. Die Allmacht wurde freilich nicht nur durch Heirat, sondern sehr wohl auch durch Kriege und unvorstellbare Brutalität erreicht, mit der die Konquistadoren Cortés und Pizarro Amerika in einen Kontinent des Blutes verwandelten.

      Neben Heirat und Kriegsführung gab es noch einen dritten Weg, an die Macht zu gelangen oder sie zu behalten. Man konnte sie kaufen – durch Bestechung. Um von den Kurfürsten zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gewählt zu werden, mussten diese jedes Mal mit »Geschenken« bedacht werden. Dabei ging es um so hohe Beträge, dass die Monarchen gezwungen waren, sich Geld zu leihen. Erste Adresse für Kredite in dieser Größenordnung waren die Fugger, die zu den reichsten Bank- und Handelsherren Europas zählten. Als Karl V. im Jahre 1530 nicht in der Lage war, seine zur Erlangung der Kaiserwürde längst fällig gewordenen Schulden zu begleichen, stattete er, von einer Reise aus dem Süden kommend, Jakob Fugger in Augsburg einen Besuch ab. Kaiser und Handelsherr nahmen gemeinsam das Frühstück ein, bei dem Karl um Verständnis dafür bat, das offene Darlehen nicht zurückzahlen zu können. Dann wechselte er das Thema: »Es ist kalt in Deutschland«, sagte der Kaiser, »wenn man aus Italien kommt.«

      Jakob Fugger verstand den Wink. Er ließ das Kaminfeuer anmachen, zog die Schuldverschreibung aus der Jackentasche, warf sie ins Feuer und sprach: »Weil Eure Majestät mir die Ehre antun, Gast in meinem Hause zu sein, sind alle Eure Schulden beglichen.«

      Als Karl V. regierte, übernahm der Wiener Hof das »Spanische Hofzeremoniell« der Habsburger, dessen Wurzeln von burgundischen Herzögen am Beginn des Mittelalters stammen. Es sollte vor aller Welt das Gottesgnadentum, aber auch Macht, Glanz und Würde des jeweiligen Herrschers dokumentieren. Wie streng die Vorschriften waren, zeigen schon die Tischsitten, denen zufolge es der Kaiserin untersagt war, gemeinsam mit ihrem Mann zu speisen. Doch es kam noch schlimmer. Dem Monarchen war es nicht gestattet, seiner Gemahlin einen »spontanen Besuch« abzustatten. Ein Tête-à-Tête musste lange davor, auf Tag und Stunde vorausgeplant, bekannt gegeben werden. War’s dann endlich soweit, legte der Kaiser das schwarze Hofkleid mit Mantel an, um vom Obersthofmeister in den Wohntrakt seiner Frau geleitet zu werden. Dort empfingen ihn deren gesamtes Gefolge sowie eine Abteilung von Hellebardieren, die den lüsternen Liebhaber durch eine Flucht von Vorräumen in das Schlafgemach der Kaiserin führten. Jetzt erst trat das Gefolge, streng nach Rängen geordnet, den Rückzug an und das Hohe Paar durfte sich – so noch ein Rest von Leidenschaft vorhanden – der Liebe hingeben. Damit’s nicht allzu intim wurde, wartete der gesamte Hofstaat in einer den Schlafgemächern angrenzenden Kemenate.

      Laut Zeremoniell stand allein dem Kaiser das Privileg zu, seine Gemahlin völlig nackt erblicken zu dürfen. Das führte dazu, dass der Hofarzt, wenn sie medizinischer Hilfe bedurfte, darauf angewiesen war, sich bei den Hofdamen nach dem Befinden Ihrer Majestät zu erkundigen.

      Zu

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