Wie die Zeit vergeht. Georg Markus

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Wie die Zeit vergeht - Georg Markus

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Königin Isabella I. beim Ausritt vom Pferd glitt, blieb sie mit einem Fuß im Steigbügel hängen und wurde von dem weitertrabenden Tier mitgeschleift. Der Erste Stallmeister, der als Einziger das Recht hatte, den königlichen Fuß zu berühren, war nicht zugegen, weshalb keiner der 43 anwesenden Aristokraten es wagte, der Königin zu helfen. Endlich befreite ein hoffremder Herr die Monarchin aus ihrer misslichen Lage. Die ritterliche Aktion zerstörte sein Leben: Weil er die Königin unerlaubterweise berührt hatte, wurde der Kavalier mit lebenslanger Verbannung aus Spanien belegt!

      Besagte Isabella von Kastilien hat aber in erster Linie deshalb Geschichte geschrieben, weil sie Kolumbus den Auftrag zu jener Reise gab, die zur Entdeckung Amerikas führte. Ihre Tochter Johanna wurde im Alter von 16 Jahren – nach Austausch der auf Porzellan gemalten Miniaturen und ganz im Sinne der Habsburgischen Heiratspolitik – mit Kaiser Maximilians Sohn, Philipp dem Schönen, verlobt.

      Als der seine Braut zum ersten Mal sah, bestand er darauf, augenblicklich getraut zu werden. Jegliches Zeremoniell außer Acht lassend, zog sich das Paar ins nun eheliche Schlafgemach zurück. Johanna war ihrem schönen Gemahl dermaßen verfallen, dass sie von zunehmend krankhafter Eifersucht geplagt wurde. Zeitweise war sie intensiv damit beschäftigt, alle weiblichen Wesen aus seiner Umgebung zu verbannen.

      Dem Haus Habsburg fielen durch diese Heirat Spanien und Territorien in Italien zu.

      Als der schöne Philipp – inzwischen König von Spanien geworden – nach zehnjähriger Ehe starb, verfiel Johanna dem Wahnsinn. Sie weigerte sich, den Sarg mit den sterblichen Überresten ihres Mannes herauszugeben, schleppte ihn auf Reisen mit sich und öffnete ihn regelmäßig, um sich zu vergewissern, dass Philipp tatsächlich tot war. Die Unglückliche überlebte ihren Mann um 48 Jahre und wird heute noch Johanna die Wahnsinnige genannt.

      Ein gutes Jahrhundert später wurde Karl VI., der nicht nur als Vater der Kaiserin Maria Theresia Bedeutung erlangte, geboren. In seine Ära fällt die Entfaltung der Barockkunst und damit einer der kulturellen Höhepunkte des Landes. Der als Komponist wie als Dirigent überaus begabte Karl VI. ließ es sich nicht nehmen, die Oper »Elisa« seines Hofkompositeurs Joseph Fux persönlich aus der Taufe zu heben. Fux war von der Wiedergabe durch den kaiserlichen Maestro so angetan, dass er nach der Uraufführung ausrief: »Wie schade, dass Eure Majestät kein Virtuose geworden sind!«

      Worauf der Kaiser erwiderte: »Macht nichts. Mir geht’s auch so ganz gut!«

      Da Karls einziger Sohn früh starb, drohte das Haus Habsburg auszusterben. Allerdings hatte der Monarch durch Erlass der »Pragmatischen Sanktion« dafür gesorgt, dass die Erbfolge auch auf weibliche Mitglieder der Dynastie übergehen konnte. Dadurch wurde seine ältere Tochter Maria Theresia Thronfolgerin. Durch ihre Heirat mit Franz Stephan von Lothringen erhielt das österreichische Herrscherhaus den Namen Habsburg-Lothringen.

      Karl VI. war ein strenger Verfechter des Hofzeremoniells, dessen Einhaltung er persönlich überwachte. Er kritisierte seine Umgebung sogar noch, als er im Herbst 1740 in seinen letzten Zügen lag. Angeblich, weil um sein Sterbebett herum nicht genug Kerzen aufgestellt wurden.

      Maria Theresia, die »Kaiserin Maria Theresia«, wie sie von aller Welt genannt wird, trug eigentlich den Titel Erzherzogin – Kaiser war ihr Mann. Doch sie, die volkstümliche Frau des Kaisers, hatte »die Hosen an«. Obwohl es ihr von Anfang an nicht leicht gemacht wurde. Maria Theresia saß erst acht Wochen auf dem Thron, als Friedrich der Große mit seinen Truppen ohne vorherige Kriegserklärung über das österreichische Schlesien herfiel. Ausgerechnet jener Preußenkönig Friedrich, der in seiner Jugend von ihr geschwärmt und sie hatte heiraten wollen. In späteren Zeiten sagte die Kaiserin oft: »Es war besser, Schlesien verloren, als den geheiratet zu haben!«

      Die junge und unerfahrene Regentin wurde auch von anderen Nationen auf eine harte Probe gestellt. Erst nach dem Ende des »Erbfolgekriegs« sollte es Maria Theresia gelingen, Österreichs Machtposition in Europa zu festigen. Nun konnte sie ihre historische Reformtätigkeit beginnen. Die parallel dazu geförderte Einheirat ihrer Kinder in andere regierende Häuser trug ihr den Titel »Schwiegermutter Europas« ein.

      Die Kaiserin führte ihr Reich in ähnlicher Weise wie ihre Familie, und beide waren von beachtlicher Größe. Hatte sie in der Monarchie 19 Millionen Untertanen, so waren es zu Hause 16 Kinder. Nach drei Töchtern kam der sehnsüchtig erwartete Thronfolger Josef, der entsprechend verhätschelt wurde. »Die Kaiserin vergöttert den Erzherzog und lässt ihm viele Fehler hingehen, um derentwillen sie ihn lieber strafen sollte«, ist überliefert. Josef war – würde man heute sagen – ein Problemkind.

      Maria Theresias Alltag zwischen Regieren und Kindererziehen war in ein strenges Korsett gedrängt, da blieb für philosophische Diskussionen keine Zeit. Als ihr ein Gelehrter erklärte, das einzig Richtige sei es, in vollkommener Einsamkeit zu leben, da man sich nur in diesem Zustand sammeln und konzentrieren könne, meinte die Kaiserin: »Einsamkeit ist gewiss etwas Schönes. Allerdings macht’s erst den rechten Spaß, wenn man jemanden hat, dem man diese kluge Erkenntnis auch mitteilen kann!«

      Zu ihren Verdiensten zählen die für ganz Europa richtungweisende Einführung der Schulpflicht, die Verwaltungs-, Heeres- und Justizreform, sie förderte Industrie und Handel, baute Verkehrswege und trat für eine Angleichung der Stände ein: »Ein Fürst besitzt keine andere Berechtigung als jeder Privatmann«, teilte sie ihrem Staatskanzler Kaunitz mit, der selbst Fürst gewesen ist.

      Bei all ihrer Bedeutung ähnelten Maria Theresias Sorgen innerhalb der eigenen vier Wände jenen, die viele andere Frauen hatten. Sie litt unter der Untreue ihres Mannes und gab sich schon aus diesem Grund sittenstreng. Als Maria Theresia erfuhr, dass eine ihrer Hofdamen eine nicht ganz einwandfreie Ehe führte, war sie derart empört, dass sie auf der so genannten Hofrangliste neben ihrem Namen eine tadelnde Bemerkung setzte. Daraufhin intervenierte deren Verwandtschaft gegen die Herabsetzung, worauf Maria Theresia Milde zeigte. Nicht ohne hinzuzufügen: »Meinetwegen, streich ich die Sache weg. Aber ich will es so machen, dass man gleich merkt, dass hier radiert wurde.«

      Maria Theresia hatte die Zeichen der Zeit erkannt und die dringend notwendige Modernisierung des Reichs in die Wege geleitet.

      So mächtig sich Österreich jetzt präsentieren konnte, so klein hatte alles angefangen. Vor der sechshundert Jahre währenden Herrschaft der Habsburger war das Land von Kelten, Römern, Hunnen, Goten, Langobarden, Awaren, Merowingern und Karolingern besetzt. Bis der erste Babenberger an die Macht kam. Er hieß Leopold – der Erste natürlich – und residierte in Pöchlarn, einem kleinen Ort an der Donau, der aufgrund seiner günstigen Lage ein wichtiges Handelszentrum und damit die ideale Hauptstadt war. Man schrieb, als besagtem Leopold der Titel Markgraf verliehen wurde, den 21. Juli 976. Und erklärte dieses Datum später zur Geburtsstunde Österreichs.

      Der Mann, der am Anfang Österreichs stand, fand ein schreckliches Ende: Als Leopold am 10. Juli 994 Gast einer Festmesse des Bischofs von Würzburg war, wurde auf seinen Vetter Heinrich ein Mordanschlag verübt. Der Pfeil des Schützen verfehlte sein Ziel – und traf den armen Leopold, der tot zusammenbrach. Kein besonders guter Start für ein neues Land.

      Aus der 270-jährigen Herrschaftsepoche der Babenberger blieben alle Ortsnamen, die mit -gschwend, -reith, -brand, -schlag enden und die Gründung Dutzender Klöster von St. Florian, Göttweig und Melk bis Heiligenkreuz und Klosterneuburg. Weiters danken wir ihnen den Ursprung der rot-weiß-roten Fahne: Als Herzog Leopold V. während des Dritten Kreuzzugs in der Schlacht bei Akkon im Jahre 1191 schwer verwundet wurde, legte er seinen breiten Gürtel ab. Der blutverschmierte Körper und die Stelle, an der er weiß blieb, führten zu den späteren Landesfarben. Das jedenfalls besagt eine der vielen Überlieferungen, die es zu diesem Thema gibt.

      Auch dass Wien zur Metropole des Landes wurde, ist den Babenbergern zu danken. Leopolds Vater, Markgraf Heinrich Jasomirgott, war es, der nach Pöchlarn, Melk und Klosterneuburg

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