Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen. Wolfgang Nairz

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Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen - Wolfgang Nairz

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Willy-Merkl- Gedächtnisexpedition“ zum Nanga Parbat aufbrach. Die Karwendler, unter ihnen mein Großvater, verabschiedeten mit großer Begeisterung ihre Expeditionsmitglieder Buhl, Rainer und Aschenbrenner am Innsbrucker Bahnhof. Ich war acht, es war ein Freitag, ich hatte Schule. Ich konnte nicht dabei sein und war traurig.

      Die Berichte über den Fortschritt der Expedition waren spärlich.

      Doch dann überschlugen sich die Erfolgsmeldungen aus dem Himalaya – aber nicht vom Nanga Parbat kamen sie, sondern vom Mount Everest. Der Neuseeländer Edmund Hillary und der Sherpa Tenzing Norgay hatten den höchsten Berg der Erde, 8848 Meter hoch, bezwungen! Am 29. Mai, dem Tag der Krönung der britischen Königin Elisabeth II., ging diese Nachricht um die Welt, und sie übertrumpfte bei weitem die Krönungsfeierlichkeiten in London.

      Doch was war los am Nanga Parbat? 35 Tage nach dem Gipfelsieg am Everest ist es endlich so weit: Die Meldung über den sensationellen Alleingang Hermann Buhls zum Gipfel des Nanga Parbat erreicht die Welt. Mein Großvater fährt mit einer Abordnung der Karwendler nach München, um beim Empfang Buhls dabei zu sein. Und wenige Wochen später sitzen Hermann Buhl, mein Großvater und ein paar Freunde der Karwendler bei uns am Wohnzimmertisch. Schwarz-Weiß-Fotografien machen die Runde, man hört eine Stecknadel fallen, als Buhl vom Gipfelgang erzählt. Und ganz hinten, im Eck, darf ich dabei sein, darf zuhören und die Bilder in die Hand nehmen.

      Dezember 1953: Julfeier des Alpinen Klubs Karwendler. Hermann Buhl hält einen seiner ersten Vorträge. Mein Großvater nimmt mich mit. Nach dem Vortrag dränge ich mich nach vorne und lass mir eine „Karwendlerkarte“ unterschreiben. Von Hermann Buhl und dazu auch noch von Sepp Jöchler und Kuno Rainer! Wie einen Schatz hüte ich diese Karte bis heute.

      Ein Jahr später, 1954, erscheint Buhls Buch „Achttausend drüber und drunter“. Ich verschlinge es, kann manche Passagen schon auswendig – und mit Bleistift markiere ich alle Touren und Gipfel, die Buhl gemacht hat und die ich auch machen will! Grubreißen-Südturm-Südgrat, Schüsselkar-Spindlerweg, Fleischbank-Südostwand, Mauk-Westwand … Nach und nach werden die mit Bleistift angemerkten Träume Wirklichkeit: Viele der Touren Hermann Buhls konnte ich mit Freunden wiederholen. Nur der Traum vom Himalaya war noch weit entfernt.

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      „DAS KLETTERN IST FÜR MICH IMMER MEHR LEBENSZWECK GEWORDEN“

       Lieber Wolfgang, du bist in Kitzbühel geboren, aber in Innsbruck aufgewachsen. Die eindrucksvolle Schilderung deiner Begegnung mit Hermann Buhl wirft gleich eine Frage auf, die Innsbruck als Bergsteigerstadt betrifft. Buhl war ja nach seiner erfolgreichen Erstbesteigung des Nanga Parbat in der ganzen alpinen Welt ein „Hero“, ein Held, aber nur in Innsbruck konnte man diesem Hero auf der Straße oder im Wohnzimmer des Großvaters begegnen. Wann ist in dieser Stadt das Bergsteigen in dein Bewusstsein getreten?

      Das Bergsteigen ist bei uns in der Familie sehr präsent gewesen, vor allem durch meinen Großvater, der viele Erstbegehungen gemacht hat, speziell in den Kalkkögeln und im Karwendel. Mein Vater allerdings war ein erklärter Bergwanderer und für meine Schwester und mich war es als Kinder ein Horror, wenn es jedes Jahr, sobald der Schnee weg war, geheißen hat, am Sonntag geht’s auf die Kaisersäule: mit der Hungerburgbahn auf die Hungerburg und dann über die Almen bis zur Kaisersäule, von dort weiter aufs Stempeljoch und dann hinunter ins Halltal und das lange, lange Halltal hinaus. Wir haben jede Ausrede gesucht, aber es hat nichts genützt. Der einzige Lichtblick war, dass es in Hall eine große Schüssel Eis gegeben hat als Belohnung. Und mit der Haller Bahn sind wir dann zurück nach Innsbruck gefahren. Jedes Jahr – für uns Kinder war diese Wanderung eine Qual!

       Wie bist du dann zum richtigen Bergsteigen gekommen?

      Natürlich hat uns der Vater nicht nur auf solche „Gewalttouren“ mitgenommen, sondern uns auch behutsam, Sommer wie Winter, in die Berge geführt. Mein Großvater war damals schon in Pension und hat für die Bergrettung die Hüttenkontrollen durchgeführt. Zu diesen Hüttentouren hat er mich dann im Sommer immer mitgenommen, mir dabei viel von seinen Bergtouren erzählt und so das Feuer in mir geweckt.

      Ich habe auch das Glück gehabt, dass es in der Realschule Lehrer gab, die uns das Bergsteigen nähergebracht haben. Die mit uns an den Wandertagen auf die Berge rund um Innsbruck gestiegen sind und in den Ferien von der Franz-Senn-Hütte aus auf Skitouren gegangen sind.

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       Großvater Emil Hensler, in seiner Jugend ein kühner Kletterer, als alter Herr ein Freund der jungen „Karwendler“

      Das ist ungewöhnlich und heute fast undenkbar, schon wegen der Haftungsfrage. Die Lehrer haben uns die Berge auch im Unterricht nähergebracht. Sie sind zum Beispiel mit uns ins Kino gegangen, um den Everestfilm oder den Nanga-Parbat-Film anzuschauen. Als ich so 13, 14 Jahre alt war, bin ich dann mit der Jungmannschaft des Alpenvereins zum Klettern ins Wetterstein gegangen. Ich hab immer mit dem Großvater besprechen müssen, welche Tour wir vorhatten. Und er hat dann gesagt, ob das für uns in Ordnung war, ob die Tour nicht zu schwer war. Wir sind also ins Wetterstein gefahren – von Innsbruck nach Seefeld mit dem Frühzug und dann mit dem Fahrrad weiter. Wir haben zu zweit ein Fahrrad gehabt. Der Erste ist bis auf den Leutascher Sattel gefahren, hat das Fahrrad dort abgestellt und ist zu Fuß weitergegangen. Der Zweite hat das Fahrrad übernommen und ist dann gefahren, bis er den Ersten eingeholt hat. Wir haben natürlich von vornherein geplant, nicht den leichten Leberleweg in der Scharnitzspitze-Südwand zu klettern, sondern eine viel schwerere Tour zu machen. Voll Stolz sind wir dann zurückgekommen und haben gesagt, dass wir die Direkte Südwand, eine Fünfertour, auf die Scharnitzspitze gemacht haben. Und der Großvater hat nur gesagt, das habe er eh erwartet.

       Wie hast du deine ersten Bergfahrten und deine Ausrüstung finanziert?

      Es war üblich, dass man in den Ferien arbeiten ging. Das war selbstverständlich. Aber die Ferien dauerten zehn Wochen, von diesen war ich sechs Wochen als Lattenträger, also als Vermessungsgehilfe, zwischen Außerfern und Osttirol unterwegs. Vor allem Osttirol habe ich sehr geliebt, da sind wir dann am Freitag nicht heimgefahren, sondern dort geblieben und haben übers Wochenende Großglockner, Hochschober und andere Berge bestiegen.

      Beim Vermessen haben wir für damalige Verhältnisse sehr gut verdient. Nach den sechs Wochen habe ich das Geld ausbezahlt bekommen, und mein Vater hätte gern gesehen, dass ich es auf ein Sparbuch lege, ich aber bin gleich in die Maria-Theresien-Straße gegangen, zum Witting, und habe mir Ausrüstung gekauft – ein neues Seil, einen Helm. Das war ja damals eine Sensation, überhaupt einen Helm zu haben oder einen Klettergurt – Sitzgurte hat’s noch keinen gegeben. Aber auch der Brustgurt war eine Sensation, man hat sich normalerweise damals direkt ins Seil eingebunden, mit dem Bulinknoten um die Brust, und vielleicht, wenn es hoch gekommen ist, aus einer Reepschnur noch einen kleinen Sitz gemacht. Aber das war schon alles, was es gab.

      Und mit dem übriggebliebenen Geld bin ich mit einem Freund, dem Peter Neubauer, in die Dolomiten gefahren: mit dem Motorrad, mit dem Zelt, mit zehn Kilo Gulaschdosen und drei Kilo Polenta, den Wein haben wir natürlich drinnen gekauft. Und so haben wir die restlichen Ferienwochen in den Dolomiten verbracht.

      Peter Neubauer war der „Preußen-Peter“ vom Akademischen Alpenklub Innsbruck.

      Genau. Das war der Preußen-Peter, weil er aus Norddeutschland zum Studieren nach Innsbruck gekommen ist. Mit dem habe ich viele schwere Touren gemacht. Er hat ein Motorrad gehabt, was sehr wichtig war.

       Innsbruck, wo du aufgewachsen und in die Schule gegangen bist und später

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