Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen. Wolfgang Nairz
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Der Berg als Studienobjekt: Beim Gletschervermessen am Hintereisferner in den Ötztaler Alpen
Für mein bergsteigerisches Leben war die Uni schon sehr wichtig, da ich mich ja für ein Studium entschieden hatte – Meteorologie und Glaziologie –, das sich auf den Bergen abspielt. Unser Klubbruder Herfried Hoinkes war der Institutsvorstand und hat immer wieder gefordert, in die Berge zu gehen und dort zu forschen. Die Studenten sind ja auch nicht, wie manchmal gelästert wurde, nur für ein „Skisemester“ nach Innsbruck gekommen, sondern weil sie hier ein Zentrum alpiner Forschung vorgefunden haben mit hervorragenden Professoren, wie eben Herfried Hoinkes oder den Geografen Hans Kinzl und Franz Fliri.
Und das hat sich in deiner Generation fortgesetzt.
Ja, und zwar auf mehreren Gebieten: einmal in der Höhenmedizin mit Oswald Oelz, dann in der Meteorologie mit Karl Gabl, in der Gletscherforschung mit Gernot Patzelt oder in der Chirurgie mit Raimund Margreiter, der sich mit den Verletzungen durch das Anseilen auseinandergesetzt hat und auf unserer Everest-Expedition unter schwierigsten Bedingungen Sherpas operiert hat, also lauter Disziplinen, die eng mit dem Bergsteigen zu tun haben.
Die 1950er-Jahre in Tirol kannten neben Hermann Buhl oder Sepp Jöchler vor allem ein sportliches Idol, und das war Toni Sailer, der 1956 bei den Olympischen Spielen von Cortina im alpinen Skilauf alles gewann, was zu gewinnen war. Wie hast du als gebürtiger Kitzbüheler und sportbegeisterter Bub ihn wahrgenommen?
Neben den Bergsteigern haben wir als Buben natürlich vor allem die Skifahrer bewundert, und der am meisten bewunderte war klarerweise Toni Sailer. Ich habe ihn später persönlich kennen und schätzen gelernt. Als Skilehrer musste er für die Skiführerausbildung einen Alpinkurs abschließen und ich war zu dieser Zeit Lehrer in der österreichischen Berg- und Skiführerausbildung. Toni Sailer wurde meiner Gruppe zugeteilt und wir machten großartige Hochgebirgstouren in der Silvretta. Toni war trotz seiner Berühmtheit ein bescheidener Mensch mit viel Humor und fügte sich wie jeder andere in die Gruppe ein. Den Skiführerkurs hat er mit Auszeichnung bestanden – wie konnte es anders sein.
In meiner Tätigkeit als Presse- und Werbechef der Tirol Werbung traf ich Toni Sailer wieder bei einer Veranstaltung anlässlich der Skiweltmeisterschaft 1993 in Morioka in Japan. Franz Klammer und Karl Schranz waren auch dabei, aber das Interesse der japanischen Medien galt nur dem „Toni“. Ein ganzes Skigebiet, das Sailer Valley, war nach ihm benannt worden.
In Kitzbühel lud ich Toni dann zu einer Ballonfahrt ein. Wir schwebten über die Berge der Kitzbüheler Alpen und er war begeistert, seine Heimat aus der Vogelperspektive zu betrachten. Die meisten Gipfel kannte er und fasziniert schaute er auf „seine Streif“ hinunter. Anschließend lud er die ganze Crew in sein Haus in Gundhabing zwischen Kitzbühel und Reith ein, wo dann in seinem Weinkeller die traditionelle Ballonfahrertaufe stattfand. Mit „Land der Berge“, der Sendung des ORF unter Manfred Gabrielli und Lutz Maurer, planten wir mit Toni Sailer und einigen jungen Skirennläufern ein Trekking in Nepal, da Sailer von den großen Himalaya-Bergen, wie er sagte, immer geträumt hatte. Leider kam es aus Termingründen nicht dazu.
Zu Toni Sailers 70. Geburtstag im November 2005 schenkte ich ihm mein Nepalbuch sowie eine Ansichtskarte, die ich beim Golden-Everest-Jubiläum von vielen Everestbesteigern, darunter auch Edmund Hillary, unterschreiben hatte lassen. In meinem Fundus fand ich noch einen kleinen Stein, den ich 1978 vom Gipfel des Mount Everest mitgebracht hatte, sowie die Everest-Jubiläums-Medaille, die anlässlich des 50-Jahre-Jubiläums der Erstbesteigung in Nepal geprägt worden war. All das schickte ich Toni Sailer. Eine Zeitlang hörte ich nichts, doch dann kam sein Antwortschreiben; ein Brief, den ich als wertvollen Schatz in meiner Sammlung halte. Toni Sailer verstarb am 24. August 2006.
KLETTERHEIMAT KALKKÖGEL: „ES HAT SO SCHÖN GEPLUMPST“
Im Mondlicht sehen sie noch imposanter aus, die Türme, Zacken und Wände der Kalkkögel. Die Wasserstreifen, die die Wände hinunterrinnen, glänzen dann und die Schotterhalden, die von den Scharten und Wandfüßen bis ins Grün hinunterziehen, sehen aus wie fahle, silberne Bäche. Wir stehen beim Gedenkstein des Akademischen Alpenklubs am Sonntagsberg. Die Spitze des Steins ist mit einem Kranz von Almrosen und Latschen geschmückt, im Kupferkessel brennt ein Feuer. Heute ist das Stiftungsfest des AAKI, nach der Festrede wird das Klublied angestimmt:
Den ersten Preis dem Alpenland, dem Lande unsrer Liebe,
den Bergeshöh’n im Firngewand, hoch überm Weltgetriebe.
Wenn wieder sich im hellen Grün die Alpenmatten zeigen,
fühl ich in mir ein seltsam Glühn, denn jetzt gilt’s flott zu steigen.
Wie wird mir da der Sinn so klar, versenkt in all die Wunder,
seh ich der Eisgiganten Schar, getaucht in Flammenzunder.
Drum Brüder auf, den Sang erhebt zum Preis der Zauberlande.
Es haben ja nur halb gelebt, die nie da droben standen …
Es läuft mir über den Rücken hinunter und ich bekomme einen Knödel im Hals, als wir dieses Lied singen, aber ich finde, sein Pathos passt in diese großartige Landschaft. Wir wollen nicht „halb“ leben, wir wollen das Leben in vollen Zügen genießen, besonders in den Bergen.
Die Kalkkögel und die Adolf-Pichler-Hütte des Akademischen Alpenklubs Innsbruck haben mich mein ganzes Bergsteigerleben begleitet. Als die Hütte im Winter bewirtschaftet war, habe ich von Grinzens aus, das lange Senders tal hinein, als Träger gearbeitet. Mit 50, 60 Kilo am Rücken bin ich hineinmarschiert zur Kemater Alm und weiter zur Hütte. Ich habe dies als Training gesehen, auch wenn ich dabei gut verdient habe: zweieinhalb Schilling pro Kilo. Das war ein ordentlicher Verdienst! Als die Hütte dann erweitert und ausgebaut wurde – unser Alter Herr Hans Pircher hat dem abgerissenen „Häusl“ mit dem Satz „es hat so schön geplumpst“ einen würdigen Nachruf gehalten –, war ich als Baugehilfe den ganzen Sommer dort oben. Jeden Tag um vier Uhr nachmittags haben die Maurer die Kellen auf die Seite gelegt und wir sind zu irgendeinem Einstieg gerannt, um bis zum Dunkelwerden noch die eine oder andere Klettertour zu machen. Feste wurden gefeiert, manchmal bis ins Morgengrauen, und wir sind nicht nur einmal nach so einem Fest direkt zum Einstieg gegangen. Fridolin „Puti“ Purtscheller hat einmal gesagt, nach so einer Nacht sei es viel einfacher zu klettern. Man müsse nur warten, bis sich die Wand zurücklehnt, und dann schnell klettern, bis sie sie sich wieder nach vor lehnt.
Kalkkögel (Standort Seisenalm), Öl auf Leinwand, 40 × 170 cm (Foto Maria Peters)
Im Tourenbuch der Adolf-Pichler-Hütte zu blättern, ist ein Vergügen. Akribisch sind alle Neutouren eingetragen und nicht weniger akribisch die Bemerkungen der Wiederholer. Das erste Tourenbuch reicht von 1904 bis 1964, darin finden sich lauter berühmte Namen: Auckenthaler, Schmidhuber, Buhl, Rebitsch, Mariner, bis herauf zu den Kletterern meiner Generation: Walter Spitzenstätter, Otti Wiedmann oder Kurt Schoißwohl. Hias Rebitsch war es, der einmal gesagt hat: „Wer in den Kögeln klettern kann, kann überall klettern.“ Hier in den Kalkkögeln habe ich das Klettern gelernt. Und so erinnere ich mich oft an besondere Erlebnisse zurück: Wie wir im Schneetreiben