Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen. Wolfgang Nairz

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Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen - Wolfgang Nairz

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aber auch in den Medien ein großes Echo ausgelöst. Hat sie auch für euch Folgen gehabt?

      Zunächst hat sie körperliche Spuren hinterlassen. Franz hatte sich die Zehen erfroren, ein paar davon mussten amputiert werden. Im Innsbrucker Krankenhaus lag zur gleichen Zeit Reinhold Messner mit seinen Erfrierungen von der Rupalwand des Nanga Parbat. Bald waren wir uns einig, gemeinsam auf eine Expedition zu gehen. Josl Knoll und Horst Fankhauser sollten ebenfalls dabei sein, und Oswald Oelz war als Expeditionsarzt vorgesehen.

       Warum war gerade der Manaslu das Ziel?

      Das hat wieder mit Hias Rebitsch zu tun. Der hat uns einerseits eine Schiene gelegt zu Paul Bauer, dem legendären, politisch nicht unumstrittenen Expeditionsleiter der 1930er-Jahre, der während des Nationalsozialismus die zentrale Figur des organisierten Bergsports war, und andererseits zum Alpenvereinskartografen Erwin Schneider, der wiederum den Nazis offen ablehnend gegenüberstand und – was besonders wichtig war – gute Beziehungen zur Regierung des Königreichs Nepal hatte.

      So kam es, dass wir zuerst eine Genehmigung für den Kangchendzönga erhielten, die aber aufgrund des Indisch-Pakistanischen Kriegs wieder gestrichen wurde, und dann, wieder mit Hilfe von Erwin Schneider, eine Bewilligung für den Manaslu. Allerdings nur von der Südseite, von der niemand wusste, wie sie aussah, wie man dort hingelangte und welche Schwierigkeiten uns erwarteten. Wir studierten die einschlägige Literatur und besuchten voller Respekt den legendären „Himalayaprofessor“ Günter Oskar Dyhrenfurth in der Schweiz. Ein einziges Foto und eine Kammverlaufsskizze kramte er aus seiner Schublade hervor, das war alles, was wir von der Südseite des Manaslu zu sehen bekamen.

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       Vor der Laliderer-Nordwand: Wolfgang Nairz, Hias Rebitsch, Darshano L. Rieser, Reinhard Schiestl

      BARA SAHIB WOLFI

       Von Reinhold Messner

      26 Jahre alt, entschied Wolfgang Nairz 1970, eine Expedition in den Himalaya zu führen, und schon zwei Jahre danach ging es zum Manaslu, einem Achttausender in Nepal. Der Berg, erst zweimal – von Nordosten und von Westen – bestiegen, sollte von Süden angegangen werden.

      Es gab damals weder Fotos noch Karten von der Südseite dieses achthöchsten Gipfels der Erde, keine Satellitenbilder und auch keine Trekkingrouten in unmittelbarer Nähe. Nach der Eroberung der Achttausender-Gipfel zwischen 1950 und 1964 ging es jetzt um neue Zugänge zu den höchsten Bergen der Welt, um neue Routen und einen anderen Stil als noch zehn Jahre zuvor. Hatten bei der Erkundung und Erstbesteigung der Achttausender noch nationale Emotionen und daher auch nationales Back-up eine wichtige Rolle gespielt, sah sich Wolfgang Nairz jetzt als Organisator einer Expedition ins Ungewisse. Weder die zu erwartenden Schwierigkeiten und Gefahren waren voraussehbar, und schon gar nicht das Zusammenspiel der Mannschaft, die aus lauter eigenständigen Persönlichkeiten bestand.

      Wolfi führte seine Expedition nicht autoritär, alle wichtigen Entscheidungen wurden in der kleinen Gruppe diskutiert und wenn auch nicht demokratisch abgestimmt, so doch nach der Haltung der Mehrheit umgesetzt. So trugen wir alle Wolfis Leadership mit und respektierten ihn als Expeditionsleiter. Ich hatte das Glück, als Südtiroler bei der vornehmlich aus Tiroler Bergführern zusammengesetzten Mannschaft dabei zu sein und mit ihnen zwei Monate „am Ende der Welt“ zu operieren.

      Das Expeditionsbergsteigen im deutschen Sprachraum unterlag damals großteils noch den Prämissen aus der Zwischenkriegszeit – Führerprinzip und militärisch geprägtes Kameradschaftsideal. Die Skepsis in Alpenvereinskreisen zu der so ganz anderen Nairz-Expedition war unüberhörbar: vor der Abreise zwar leise, nach der Tragödie am Gipfelplateau des Manaslu, bei der Franz Jäger und Andi Schlick zu Tode kamen, aber umso anklägerischer und lauter. Wolfi aber stand fest zum Geschehen am Berg und zu seiner Mannschaft.

      Meine Erfahrungen beim Expeditionsbergsteigen – ich hatte nach der Erstbegehung der Rupalwand am Nanga Parbat meinen Bruder in einer Lawine verloren – waren bis dahin mehr als traurige gewesen. Der Expeditionsleiter Herrligkoffer hatte uns Teilnehmern bei diesem Unternehmen 1970 nicht nur Verträge unterschreiben lassen, die jede eigene Berichterstattung unmöglich machen sollten, er hatte auch alle eingespielten Seilschaften nach dem Prinzip „divide et impera“ auseinanderdividiert. Er war als Nichtbergsteiger zwar nicht in der Lage, vernünftige Entscheidungen für das Fortkommen am Berg zu treffen, formte aber jenen unmöglichen Satz, „wer sich meinen Befehlen entzieht, entzieht sich auch meiner Verantwortung“, der mich für alle weiteren Zeiten von autoritären Expeditionen fernhalten sollte.

      Leadership hat mit Einfühlungsvermögen in die Mannschaft, mit Verantwortungsgefühl und mit der Fähigkeit zu tun, sich auf eine Stufe mit seinen Mitstreitern zu stellen. Für diese Leadership stand Wolfi.

      Die Hilfe der Sherpas, die 1972 auf eine mehr als 50-jährige Trägerkultur aufbaute, war auch bei unseren Expeditionen eine Basis für den Erfolg. Obwohl wir Sahibs alle Absicherungsarbeiten beim Aufbau der Hochlager selbst erledigten, bewältigten sie auch über die schwierigen Passagen den Nachschub.

      Es waren die Sherpas, die dem jungen Wolfgang Nairz den Titel Bara Sahib – übersetzt der große weiße Mann – gaben, und ihn damit adelten: für seine überlegte und überlegene Führung, für seine bergsteigerische Leistung, für sein Einfühlungsvermögen. Kurz für seine Leadership. Seit damals ist Wolfi unser Bara Sahib. Ich habe mit ihm ein halbes Dutzend Expeditionen zu den Bergen der Welt – Manaslu, Makalu, Mount Everest, Ama Dablam, Dhaulagiri – mitgemacht, und immer hat er seine Leadership bewiesen. Nicht immer waren wir erfolgreich, immer aber sind wir in Frieden nach Hause gekommen.

      „EIN HUND NAMENS KARL MARIA“

       An der Spitze der beiden sehr erfolgreichen Himalaya-Expeditionen von 1953, die du als Kind sehr bewusst wahrgenommen hast, standen zwei starke Expeditionsleiter, am Everest der britische Armeeoffizier John Hunt und am Nanga Parbat der deutsche Arzt Karl Maria Herrligkoffer. Wann wurde dir die Bedeutung des Expeditionsleiters für eine Expedition bewusst?

      Sehr früh. Nicht nur durch die beiden genannten Expeditionen, sondern auch durch die Literatur. Ich habe alles gelesen, von einem Paul Bauer oder einem Norman Dyhrenfurth, bei denen die Wichtigkeit eines starken Expeditionsleiters betont wird. Ich wollte ja anfangs nicht selbst Expeditionsleiter sein, aber dann hat mich vor allem Hias Rebitsch darin sehr bestärkt, diese Rolle selbst zu übernehmen. Ich wollte einfach in die Weltberge hinausfahren, aber der Hias hat gesagt, du musst das selbst machen, einer muss die Entscheidungen treffen, und einer muss die Verantwortung haben, und einer muss schließlich auch die ganze Organisation machen, also „spiele“ den Expeditionsleiter!

       Hast du als Expeditionsleiter Vorbilder gehabt?

      Diese 1930er-Jahre-Expeditionen, die ich aus der Literatur gekannt habe, waren natürlich völlig anders geführt worden als dann unsere Expeditionen, auch die 1953er-Everest- und Nanga-Parbat-Expeditionen waren andere. Bei den Briten und bei den Deutschen ist es um den Nationalstolz gegangen. Bei den Engländern ist es darum gegangen, den „dritten Pol“, also den höchsten Punkt der Erde zu erreichen, nachdem sie am Nord- und Südpol gescheitert waren. Und der Nanga Parbat war eben der deutsche Schicksalsberg, wie man ihn immer bezeichnet hat.

       Hias Rebitsch hat das dann später relativiert, indem er vom sogenannten deutschen Schicksalsberg gesprochen hat. Hermann Buhl ist ja gegen den Befehl Herrligkoffers zum Gipfel gegangen. Weißt du, ob er nach seiner Rückkehr darüber gesprochen hat?

      Ich

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