Wolfgang Nairz - Es wird schon gut gehen. Wolfgang Nairz
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In einer steilen Rechtsquerung führt Franz hinüber zu dieser Terrasse. Er muss jetzt Stufen schlagen, da weder Schrauben noch Haken halten. Die Sonne ist weg. Wir klettern noch zwei Seillängen, dann finden wir eine große, zugewehte Spalte. Nach kurzer Zeit haben wir eine nicht sehr geräumige, aber doch einigermaßen bequeme Schlafhöhle fertig. So gut es geht, richten wir uns gemütlich ein. Überschuhe und Gamaschen werden ausgezogen, die ganze Schlosserei an der Eiswand der Spalte aufgehängt. Wir kriechen in unsere Schlafsäcke, bald schnurrt der Kocher – endlich gibt es etwas Heißes zu trinken. Franz klagt über seine Zehen. Andi und ich massieren sie, bis wir vor Müdigkeit einschlafen.
Kaum zu glauben, dass man bei einem Biwak mit Außentemperatur von minus 30 bis 35 Grad gut schläft. Wir haben gut geschlafen. Wir haben sogar verschlafen! Es war schon taghell, als wir aufwachten. Ein neuer Tag, ein wolkenloser, aber genauso kalter Tag begann. Wir hofften, heute den Gipfel zu erreichen, aber es sollte anders kommen.
Vier Seillängen in steilem, schlechtem Eis führen hinauf bis zu den Felsen. Hier gilt es, einen geeigneten Durchstieg zu finden, den wir auch bald entdecken. Sehr langsam kommen wir weiter, die schweren Rucksäcke lassen uns ganz schön schnaufen, dabei haben wir wirklich nur das Allernotwendigste eingepackt. Heute ist es unangenehmer als gestern, zur Kälte kommt ein starker Wind, laufend rieseln Schneefontänen über uns hinweg. Um ein Uhr mittags haben wir Funkkontakt mit Freunden am Gornergrat: „Grüße aus Innsbruck, man ist sehr besorgt um euch, viele haben angerufen.“ – „Uns geht es so weit gut, bis auf die große Kälte …“
Man glaubt nicht, was ein paar vertraute Worte von „außen“ ausmachen. Man ist doch nicht allein! Das gibt Auftrieb! Seillänge um Seillänge geht es weiter. Der Höhenmesser zeigt 4200 Meter; es wird bereits wieder Abend, wir haben uns mit einem zweiten Biwak abgefunden. Es wird schon dunkel, doch wir können keinen geeigneten Biwakplatz finden. Im Mondlicht steigen wir noch ein paar Seillängen weiter bis zum Gipfelhang unter einem großen Eiswulst. Hier hat der Wind viel Schnee hereingeweht. Im Mondschein und beim Licht der Taschenlampen graben wir uns ein Loch in den etwa 50 Grad steilen Hang, aber sehr weit und tief kommen wir nicht, bald stoßen wir wieder auf Eis. Es ist sehr eng in diesem kleinen Loch. In der Nacht weht es immer wieder Schnee auf unsere Schlafsäcke, und es ist viel kälter als in der letzten Nacht.
Am Morgen sind wir bald beim Eiswulst. Wir wissen, darüber ist der Gipfel – und die Sonne. Andi probiert es rechts – unmöglich! Sehr schlechtes, senkrechtes Eis verwehrt den Durchstieg. Wir klettern nach links in die Felsen. Von hier quert Andi dann unter dem Eiswulst entlang noch weiter nach links. Immer noch versperren überhängende Eiswände den Ausstieg. Endlich findet Andi einen geeigneten Durchstieg. Meisterhaft bewältigt er dieses letzte Problem, seinen Rucksack seilen wir auf.
Die Schwierigkeiten liegen hinter uns – vor uns der Gipfel, die Sonne, nach drei Tagen endlich wieder Sonne! Überglücklich!
„IM STRASSENGRABEN SCHLAFEN WIR, DANN RENNEN WIR ZUM EINSTIEG“
Die erste Winterbegehung der Nordwand des Lyskamms in den Walliser Alpen zusammen mit Andi Schlick und Franz Jäger war zweifelsohne ein Meilenstein deiner Kletterkarriere. Das wird schon klar an der Intensität, mit der du dieses Unternehmen beschreibst. Da ist nichts mehr von der Unbekümmertheit deines Berichts über den Bazanellapfeiler, jetzt geht’s um Ernsteres. Was ist dazwischen geschehen?
Eine Zeitlang hat sich am Stil meiner Bergfahrten nicht viel geändert, außer dass sie immer schwerer wurden. Immer noch sind wir beispielsweise bei Dunkelheit um vier Uhr früh mit dem Fahrrad von Innsbruck in den Wilden Kaiser gefahren, bis auf die Wochenbrunner Alm. Über die Gaudeamushütte sind wir aufs Stripsenjoch und weiter zum Einstieg der Fleischbank oder des Predigtstuhls gerannt. Nach der Tour ging sich noch ein schnelles Bier aus, bevor wir uns wieder aufs Rad geschwungen haben und beim Dunkelwerden in Innsbruck ankamen. Müde, aber glücklich.
1966 steht die Direkte Nordwand der Lalidererspitze, die Rebitsch-Spiegl-Route im Karwendel, in meinem Tourenbuch, die damals zu den ganz schwierigen Touren zählte. Mein Partner ist Gernot Wersin vom Akademischen Alpenklub Innsbruck, der schon ein Auto hatte. Wir fahren am Nachmittag in die Eng, schlafen bis drei Uhr früh im Straßengraben und rennen dann zum Einstieg. Um sieben Uhr steigen wir ein, nach zwölf Stunden Kletterzeit haben wir die Wand geschafft. „Bis jetzt meine schwerste und vor allem gefährlichste Tour. Abstieg und langer Hatscher nach Scharnitz“ steht in meinem Tourenbuch.
Apropos „gefährlichste Tour“: Bist du von Unfällen verschont geblieben?
1969, bei einem 40-Meter-Sturz in der Goldkappl-Südwand, hatte ich – ähnlich wie Hias Rebitsch mehr als 30 Jahre zuvor – Glück im Unglück. Andi Schlick und ich gingen das erste Mal mit Doppelseil. Beim Sturz riss ein Seil, das zweite war zwar auch angeschlagen, aber es hielt. Glücklicherweise konnten wir noch aussteigen.
Du warst inzwischen auch mit neuen Partnern unterwegs.
Lalidererwände (Standort Mahnkopf), Öl auf Leinwand, 50 × 70 cm (Foto Maria Peters)
Mit den Innsbruckern Georg Wurm und Sepp Strickner gelangen schwerste Dolomitentouren. Mit Georg und Günter Wurm habe ich in nur acht Stunden die Matterhorn-Nordwand durchstiegen.
Du hast in der Zwischenzeit die Bergführerprüfung gemacht. Wolltest du dir tatsächlich als Bergführer deinen Lebensunterhalt verdienen?
Nein. Es hat mich einfach interessiert und ich konnte dabei viel lernen. Kursleiter waren Kuno Rainer, Ernst Senn und der legendäre Rudl Steinlechner. Die Ausbildung, die ich 1967 abschloss, war höchst anspruchsvoll, von ganz Österreich kamen die besten Bergsteiger, die Stars darunter waren Walter Almberger und Kurt Diemberger. Von Anfang an verstand ich mich bestens mit Andi Schlick, Franz Jäger und Hansjörg Hochfilzer, meinen späteren Partnern im Himalaya. Dieses Einverständnis betraf nicht nur das Bergsteigerische. Auch abends beim Glasl Wein, beim Singen und Gitarrespielen waren wir auf einer Wellenlänge. Manchmal sind wir erst in der Früh vom Hüttentisch aufgestanden und gleich auf Tour gegangen. Die Lehrer haben das toleriert, weil wir konditionell immer gut mithalten konnten.
Habt ihr damals schon an den Himalaya gedacht?
Zwangsläufig. Wir haben natürlich erfahren, dass Reinhold Messner und sein Bruder Günther zu einer Nanga-Parbat-Expedition eingeladen waren, ebenso die beiden Tiroler Felix Kuen und Werner Haim. Waren die um so viel besser? So reifte im Hinterkopf von Andi, Franz, Hansjörg und mir der Gedanke, das Glück in den Weltbergen einmal selbst zu versuchen. Dazu brauchten wir aber noch Erfahrung.
Nach der Bergführerausbildung arbeiteten wir für eine Bergsteigerschule, von der wir uns in die Westalpen einteilen ließen, sodass wir durchgehend sechs Wochen in Zermatt und Chamonix verbrachten. Am Sonntag trafen wir unsere Gäste, die wir eine Woche betreuen sollten. Von Anfang an legten wir ein solches Tempo vor, dass das Wochenprogramm schon am Mittwoch erledigt war und die Gäste, erschöpft, aber glücklich, am Donnerstag heimfuhren. Wir aber hatten ein überlanges Wochenende ganz für uns zur Verfügung.
Wie war zu dieser Zeit dein Kontakt zu Hias Rebitsch?
Der hat uns immer bestärkt, uns höchste Ziele zu setzen, wir haben aber gewusst, dass uns noch einiges fehlte, nämlich schwere Winterbegehungen in den Westalpen,