Der Ethikunterricht in Österreich. Anton A. Bucher

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Der Ethikunterricht in Österreich - Anton A. Bucher

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Zukunft von Ethikunterricht: Wofür die Schüler votieren

       8.Das Zukunftsmodell „Ethik und Religionen“

       Ethik für alle (Claudia Schmied): Ein „Anschlag“?

       Ein Fach „Ethik und Religionen“, verpflichtend für alle

       „Ethik und Religionen“: In Kooperation von Staat und Kirchen?

       Ethische Standards und Kerninhalte von „Ethik und Religionen“

       Wer „Ethik und Religionen“ zu unterrichten hätte

       Vorteile eines solchen Faches

       9.Ethikunterricht: Worum es wirklich ging und geht

       Ethische Bildung für alle? Oder Wertemonopol der Kirchen?

       Die politische Diskussion um Ethikunterricht: Indiz für dessen Notwendigkeit

       10. Jüngste Entwicklungen

       Anmerkungen

      Dank

      Dank gebührt gleich zu Beginn dieser Schrift allen Frauen und Männern, die sich für die ethische Bildung aller jungen ÖsterreicherInnen eingesetzt haben und dies weiterhin tun. Insbesondere den engagierten EthiklehrerInnen, die seit 16 Jahren in einem Provisorium unterrichten, sich dafür aufwändigen Zusatzausbildungen unterzogen und oft im Ungewissen gelassen wurden, ob die Schulversuche überhaupt fortgeführt werden. Spezieller Dank gebührt allen SchülerInnen, die uns bereitwillig und aufrichtig anvertrauten, wie sie dieses Fach erleben – mehrheitlichst positiv – und was sie von ihm zu profitieren glauben: so viel, dass die Überleitung ins Regelschulwesen ein Gebot der Stunde und der Ausbau in die Sekundarstufe 1 mehr als zu empfehlen ist.

      Frau Mag. Jensy Meindl tippte viele Fragebögen ein, bereinigte die Dateien, assistierte bei den Analysen und gab viele Anregungen für das Manuskript. Mag. Sigrid Hofer, Elisabeth Ehn-Debus und Mag. Martina Vetter tippten tausende Zahlen ein und transkribierten die Antworten auf die offen gestellten Fragen.

       Anton A. Bucher

      Ein demokratiepolitischer Skandal und eine Vorschau auf das Buch

      Der 4. Mai 2011. Ein frühsommerlicher Himmel spannte sich über Wien, auch über das Parlament mit der im Wind flatternden rotweiß-roten Flagge. Um die Mittagszeit schritten zahlreiche Männer und Frauen zu dessen Eingang, dazwischen auch Personen in religiösen Gewändern, besonders auffallend zwei Priester der koptischorthodoxen Kirche in einem knöchellangen schwarzen Zostikon. Auch sie waren unterwegs zu der um 13 Uhr beginnenden parlamentarischen Enquete, nicht etwa über Kirchen oder Religionen, sondern über Werteerziehung an den staatlichen österreichischen Schulen, insbesondere den Ethikunterricht, mit dem 1997 als Schulversuch begonnen wurde und der aktuell (Schuljahr 2012/13) an 234 Standorten geführt wird.

      Im Nationalratssaal begannen sich die Reihen zu füllen: 28 Repräsentanten der 14 staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften, Abgeordnete der Parlamentsparteien und der Landesschulräte, zwölf Bundesräte, Vertreter von Gewerkschaft und Kammern, Familienbünden, Schülerorganisationen. Aufmerksam und kopfnickend registriert wurde der Eintritt des Wiener Kardinals Christoph Schönborn an der Seite von Frau Dr. Christine Mann, die verantwortlich ist für die ReligionslehrerInnen in Wien. Auch die Regierungsbank füllte sich: Unterrichtsministerin Claudia Schmied, neben ihr Karlheinz Töchterle, Wissenschaftsminister, die Impuls- und Koreferenten, sechs Männer und eine Frau.

      Dieser Enquete vorausgegangen war eine mehrfache Berichterstattung, allerdings weniger über die an Österreichs Schulen faktisch praktizierte oder wünschenswerte Werteerziehung. Am meisten schrieben die Journalisten darüber, was als ein demokratiepolitisch bedenklicher Skandal in der endlosen Geschichte der (Noch-nicht-)Einführung von Ethikunterricht bewertet werden muss. Am 31. März 2011 konstatierte die „Standard“-Journalistin Lisa Nimmervoll unter der Überschrift „In Gottes Namen Ethik“ einen „Affront“.1 Und zwar gegenüber dem österreichischen Zentralrat der Konfessionsfreien, der – eigenen Angaben zufolge – mehr als zwei Millionen MitbürgerInnen repräsentiert.2 Gerade deren Kinder müssten ein verpflichtendes Alternativfach Ethik besuchen. Aber auf der offiziellen Einladungsliste suchten sie einen Vertreter vergebens. „Alle dürfen mitreden, nur die Betroffenen müssen schweigen“, beschwerte sich, aus verständlichen Gründen, der pensionierte Physikprofessor Heinz Oberhumer, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien.3 Dafür aber standen bspw. zwei Repräsentanten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) auf der Liste, die im Hohen Hause für 5000 Mitglieder reden durften. Offiziell bereinigt wurde diese eklatante Ungleichbehandlung nicht. Doch der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, ermöglichte Oberhumer, als ein von seiner Partei nominierter Experte zu sprechen: „Kirchenkritischer Professor darf doch über den Ethikunterricht mitreden.“4 Ein Konfessionsfreier saß in der Nationalratsbank für zwei Millionen Mitbürger, ein Mormone für 2500.

      Mittlerweile hatte die Präsidentin des Nationalrats, Barbara Prammer, vor dem fast bis auf den letzten Platz besetzten Nationalratssaal die Enquete eröffnet.5 Als Erste sprach Unterrichtsministerin Claudia Schmied und betonte, einen der größten Ethiker des 20. Jahrhunderts, Albert Schweitzer, zitierend, wie wichtig Ethik sei. Ohne eine solche gerate die Gesellschaft ins Wanken. Auch stellte sie die zentrale – strittige – Frage: „Soll Ethik ein Ersatzfach für den Religionsunterricht werden oder ein eigener Gegenstand, der für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich ist, oder ist es ein Querschnittsthema, das in vielen Fächern erarbeitet werden kann?“6 Sodann ergriff Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle das Wort, den im Plenum sitzenden Kardinal eigens als „Exzellenz“ begrüßend, und plädierte für ein „Miteinander von Religions- und Ethikunterricht“, wobei letzterer ein „Ersatz“ sein soll für die religiöse Unterweisung, wenn Schüler diese nicht zu brauchen meinen.

      Im Anschluss hatte der Verfasser dieses Buches zehn Minuten Zeit, wesentliche Ergebnisse der offiziellen, ministeriell beauftragten Evaluation des Schulversuches auszubreiten, die anderthalb Jahre in Anspruch nahm. Abgeschlossen wurde sie vor mehr als zehn Jahren mit einem 330 Seiten umfassenden Bericht.7 Dieser gipfelte in der dringenden Empfehlung, Ethikunterricht, weil er sich bewährte und wünschenswerte Effekte zeitigte (bspw. weniger Ausländerfeindlichkeit), ins Regelschulwesen zu überführen. Wie unterschiedlich die folgenden RednerInnen auch argumentierten – Ethikunterricht für jene, die nicht in Religion sind (so mittlerweile auch die ÖVP), oder verpflichtend für alle (Grüne, Aktion kritische Schüler, Arbeiterkammer, Teile der SPÖ) –, ein weitgehender

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