Der Ethikunterricht in Österreich. Anton A. Bucher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Ethikunterricht in Österreich - Anton A. Bucher страница 5
Wie reagierte der Staat, speziell das von der ÖVP geführte Unterrichtsministerium? Zurückhaltend. Beim Symposium „Religionsunterricht mit Zukunft“, das vom 13. bis 14. März 1995 in St. Virgil bei Salzburg stattfand – kurz bevor die Affäre Groër alles überschattete –, verlautbarte Ministerialrat Jonak, Ethikunterricht sei für das BMUK „derzeit kein Thema. Solange die Bischofskonferenz nicht einstimmig entsprechende Forderungen erhebt, wird das BMUK nicht von sich aus tätig werden.“35
Die verfahrene Pattsituation demonstriert, wie sehr die ÖVP diesbezüglich auf die Kirche hörte, ja ihr geradezu hörig war. Freimütig bekannte Erhard Busek, der zwischen 1994 und 1995 Unterrichtsminister war, damals sei die Partei kurz davor gestanden, den Ethikunterricht in ihr Grundsatzprogramm aufzunehmen. Doch dann brach die Affäre Groër über die Kirche herein, nachdem der frühere Hollabrunner Internatszögling Josef Hartmann glaubwürdig berichtet hatte, wie sehr er von seinem früheren Religionslehrer sexuell missbraucht worden war, der ihn angeblich in Intimhygiene instruieren wollte. Auf dem Höhepunkt der Diskussion – an der sich einer nicht beteiligte: Kardinal Groër – „wurden diese Fragen – so Busek – gestrichen, um nicht eine weitere innerkirchliche Diskussion zu eröffnen“.36
Liberale haben es in Österreich schwer, aber trieben Ethik voran
Das Liberale Forum intensivierte die politische Diskussion über Ethik, allen voran Heide Schmidt: „Ich möchte, dass man dem jungen Menschen in einem Ethik- und Religionenunterricht verschiedenste Werte, verschiedenste Religionen vermittelt“, so in einem Streitgespräch mit Schulbischof Krätzl. Die Linie des Liberalen Forums war nicht ganz eindeutig. Gemäß dem Parteiprogramm des Steirischen Liberalen Forums aus dem Jahre 1997 sei „eine Art Wahlpflicht zwischen dem konfessionellen Religionsunterricht und einem konfessionell neutralen Ethikunterricht einzuführen (in den übrigens Religionslehrer durchaus eingebunden werden können)“.37 Ein Zugeständnis, um den Nimbus der Kirchenfeindlichkeit loszuwerden? Im Handout „Die Liberalen und der Religionsunterricht“ wurde befürwortet, dass sich SchülerInnen mit religiösen Inhalten auseinandersetzen. Christian Allesch, für den Inhalt verantwortlich, hielt aber dafür, konfessioneller Religionsunterricht solle „kein Pflichtfach“ sein, und stellte die Vision in den Raum: „Langfristig ist anstelle des konfessionellen Religionsunterrichts die Einrichtung eines Unterrichtsfaches anzustreben, in dem Fragen der Lebensgestaltung, Ethik und Religion unter Mitwirkung der Kirchen behandelt werden.“38 LER hat sich ja im Bundesland Brandenburg ausgezeichnet bewährt.39 Ab Herbst 1998 stand die offizielle Parteilinie fest: „Die Installierung des Ethikunterrichts fordert die liberale Bundessprecherin Heide Schmidt. Konfessioneller Unterricht sollte als Freifach angeboten werden.“40 Ein Jahr später scheiterte das Liberale Forum bei der Nationalratswahl. Liberalismus findet in Österreich nach so langer Prägung durch katholische Kirche und Monarchie kaum fruchtbaren Boden.
Was die anderen Parteien anstrebten
Wie positionierten sich, als die ersten Schulversuche vorbereitet und gestartet wurden, die anderen Parteien?41 Die ÖVP stellte sich entschieden hinter den konfessionellen Religionsunterricht und lehnte Ethik anfänglich grundsätzlich ab, um sich dann aber doch dazu durchzuringen, sie als „Ersatzfach“ zu dulden. Am 3. Juli 1997 war in der Presse zu lesen, Ministerin Gehrer zufolge werde Ethik Religionsunterricht nicht ablösen. „‚Nicht, solange ich Ministerin bin.‘ Sonst würden die Kinder in ‚Pseudo-Liberalität‘ aufwachsen. Außerdem vermittle der Religionsunterricht die Kultur eines Landes, meinte die gebürtige Tirolerin.“42 Eine an Optimismus kaum mehr zu überbietende Sicht, was Religionsunterricht bewirke. Und: Haben Schüler ohne dieses Fach keine Landeskultur? Ethisch nicht hochstehend war, wie ÖVP-Bildungssprecherin Gertrude Brinek Ethikunterricht verulkte: Eine „großteils verführerische und antiaufklärerische Mischung aus Psycho-Fragmenten, schwammigen Ganzheitsansichten, Solidaritäts-Nötigungen, kognitionslosen Bekenntnissen … weder Unterricht noch Erziehung, sondern Ideologie in einem zeitgeistigen Gewande“.43
Für Ethik als Ersatzfach machte sich Andreas Khol stark, der felsenfest hinter dem Religionsunterricht stand. Sollte dieser, wie vom Liberalen Forum gefordert, abgeschafft werden, „höre ich mit der Politik auf und wandere aus“.44 Aber er gab zu bedenken: „Bis zum Jahr 2010 müsse man damit rechnen, dass 40 Prozent der Schüler keinem religiösen Bekenntnis angehören. Auch ihnen sollten gemäß den Zielen des Schulunterrichtsgesetzes gesellschaftliche Werte vermittelt werden“45, allerdings ohne dem Religionsunterricht Konkurrenz zu machen. Aber war und ist die stärkste Konkurrenz eines jeden Unterrichtsgegenstandes nicht eine Freioder Kaffeehausstunde?
Zurückhaltender äußerte sich die SPÖ, möglicherweise weil die Jungsozialisten mit ihrer Forderung, konfessionellen Religionsunterricht abzuschaffen, immer wieder für Verärgerung in der kirchennahen Wählerschaft gesorgt hatten. Bildungssprecher Dieter Antoni wandte sich gegen Ethikunterricht, weil die SchülerInnen „schon jetzt überlastet“ seien.46 Kurt Niederwieser war es wichtig, SchülerInnen nicht in ein solches Fach zu zwingen, aber auch, dass dessen LehrerInnen universitär und nicht bloß in Fortbildungsveranstaltungen Pädagogischer Institute ausgebildet werden.
Wehrhaft hinter den Religionsunterricht stellte sich die FPÖ. Im Parteiprogramm von 1997 heißt es in Kapitel 5, Artikel 2: „Die Bewahrung der geistigen Grundlagen des Abendlandes erfordert ein Christentum, das seine Werte verteidigt.“ Verständlich, dass einem „hinsichtlich seiner philosophischen und weltanschaulichen Grundlagen fragwürdigen ‚Ethikunterricht‘ … eine klare Absage erteilt“ wird. Der Bildungssprecher Michael Krüger witterte „Gesinnungsunterricht“.47 Ewald Stadler, der seine Kinder aus dem scheinbar zu wenig katholischen Religionsunterricht abgemeldet hatte und mit dem damaligen Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, einem entschiedenen Gegner des Ethikunterrichtes48, gut befreundet war, warf der ÖVP vor, dem Religionsunterricht den „Todesstoß“ zu versetzen, wenn ein Ersatzfach eingeführt werde. Abgemeldete seien „besser daheim aufgehoben als in den Händen systemtreuer Sittenwächter“.49
Und die Grünen? Aktuell fordern sie am prägnantesten ein für alle SchülerInnen verpflichtendes Fach „Ethik“ oder „Ethik und Religionen“.50 Vor fünfzehn Jahren noch nicht. Im „Entwurf für ein Grundsatzprogramm vom 29. Mai 1998“ wurde Ethikunterricht nicht erwähnt. Denn es „lägen … noch keine zufriedenstellenden Modelle auf dem Tisch“.51 Dieter Brosz verlautbarte, er möchte Ethikunterricht „nicht haben“, räumte aber ein, „Unterricht über Menschenrechte ist gut, nur das sollten dann alle Schüler hören.“52
Die politische Lobby für Ethikunterricht war nicht stark. Die dafür am meisten engagierte Partei verließ zwei Jahre nach den ersten Schulversuchen das Parlament. Wie aber kam es dennoch zu Ethikunterricht? Wie bei den meisten erfolgreichen Schulreformen: von der Basis her, von engagierten DirektorInnen und LehrerInnen, die den Zielparagraphen 2 (SchOG) ernst nahmen und denen die ethische Bildung aller SchülerInnen ein Herzensanliegen war.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив