Fundstücke. Georg Markus
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Ein Bild aus besseren Tagen: Kaiser Franz Joseph (ganz links), sein Adjutant Adalbert von Spanyi (ganz rechts)
Auch wenn er sich nichts anmerken lässt, scheint der alte Kaiser sein nahendes Ende zu spüren, lässt er doch am 29. Juni 1916 sein Testament ändern. Vier enge Mitarbeiter begeben sich in sein Arbeitszimmer, »die Herren haben als Zeugen das Dokument unterfertigen müssen«.
Otto Fürst Windisch-Graetz, 1873–1952, erster Ehemann der Erzherzogin Elisabeth
Als ich diese Passage in Adalbert von Spanyis Tagebuch las, wurde ich hellhörig. Welche Änderung an seinem Testament hat der Kaiser knapp ein halbes Jahr vor seinem Tod vornehmen lassen, fragte ich mich und begab mich ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv am Wiener Minoritenplatz. Und wurde fündig. Tatsächlich lagert in den weitläufigen Kellerräumen das »Codicill Sr. k. u. k. Apost. Majestät des Kaisers und Königs Franz Joseph I.«, datiert in Schönbrunn am 29. Juni 1916. In dem zweiseitigen Handschreiben findet sich eine Änderung, die den Schluss zulässt, dass sich des Kaisers Enkelin Elisabeth und ihr Mann Otto Windisch-Graetz – ohne Wissen des Adjutanten Spanyi – doch wieder zusammengerauft hatten. Denn der Kaiser bewilligt »dem Gemahle meiner Enkelin Elisabeth Maria, Otto Fürsten zu Windisch-Graetz auf Grund der jüngst geschlossenen ehelichen Versöhnung und auf die Dauer des hiedurch geschaffenen ehelichen Zusammenlebens vom 1. Juli 1916 an eine … Rente jährlich fünfzigtausend Kronen* aus Meiner Privatkassa.« Die großzügige finanzielle Abgeltung dürfte ihre Wirkung nicht verfehlt haben, auf Dauer war die Ehe aber nicht zu retten. Tatsächlich sollten freilich noch 32 Jahre vergehen, bis sie 1948 geschieden wurde.
Katharina Schratt, 1853–1940, Hofschauspielerin und Freundin des Kaisers
Während Kaiser Franz Joseph die Monate Juli und August seit Kindestagen bis ins hohe Alter in Bad Ischl verbrachte, notiert Spanyi am 7. Juli 1916, es sei schon »der dritte Sommer, dass Seine Majestät Wien nicht verlassen hat. Eine kaum ½-stündige Promenade im Kammergarten, die übrige Zeit sitzt Seine Majestät im Zimmer, zumeist am Schreibtisch, ein recht trauriges Leben – stets alleine – nur dienstlicher Verkehr – hie und da die alte Frau Schratt – als einzige Gesellschaft zu einem Plausch.«
Kaiser Franz Joseph änderte sein Testament ein halbes Jahr vor seinem Tod durch eine letztwillige Verfügung zugunsten des Ehemannes seiner Enkelin.
Am 18. August 1916 feiert Franz Joseph seinen 86. Geburtstag – es sollte der letzte sein. »In Schönbrunn«, notiert Spanyi, »war Vormittag Gratulation der Erzherzoge und deren Familien, um 6 Uhr war Familiendiner für Seine Majestät, ein recht ermüdender Tag.«
Erzherzogin Marie Valerie, 1868–1924, die jüngste Tochter des Kaisers
Eben noch fanden sich im Tagebuch immer wieder Worte wie »Seine Majestät fühlen Sich vollkommen wohl«, doch am 11. November 1916 zeigt sich der Adjutant ernsthaft besorgt: »Seine Majestät befindet sich in letzter Zeit nicht gut, klagt über Schlaflosigkeit – Appetit auch nicht gut, kein Wunder – es ist Überanstrengung … Gestern Abend war (der Internist) Prof. Ortner bei Seiner Majestät – diese Schwächezustände sind in so hohem Alter bedenklich … Gottlob ist der Zustand nicht eben schlecht, sonst wäre auch Erzherzogin Marie Valerie nicht abgereist … Hoffentlich wird man alle unnötigen Audienzen einstellen, damit Seine Majestät wieder in Ordnung kommt.«
»Seine Majestät absolviert wieder längere Empfänge«
Am selben Abend noch verschlimmert sich die Situation: »Temperatur 38 Grad, große Schwäche, schwacher Puls. Prof. Ortner fand Zustand bedenklich, unsere Aufregung und Angst war groß, die Nacht auf den Sonntag war alles in Spannung. Glücklicherweise ist die Nacht günstig verlaufen. Sonntag fieberfrei, guter Appetit.« Es scheint neuerlich bergauf zu gehen, »Seine Majestät absolviert wieder längere Empfänge.«
Am 19. November 1916 diagnostizieren die Ärzte eine Rippenfellentzündung, »kein Appetit, wenig Schlaf. Heute wurde im Schlafzimmer Seiner Majestät eine Messe gelesen.« Auch wenn der Kaiser nach wie vor seine engsten Mitarbeiter zu Besprechungen empfängt, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass Franz Josephs letzte Stunde naht.
Der Burgpfarrer überbringt den Segen des Papstes
»Leider hat sich gestern wieder Fieber eingestellt«, notiert Spanyi am 21. November 1916. »Heute weitere Temperaturerhöhung, – zum ersten Frühstück nahm Sr. Majestät nur sehr wenig – Mittag nichts. – Sr. Majestät hat noch (die engen Mitarbeiter) Paar und Bolfras empfangen, um 10 Uhr kam Burgpfarrer Dr. Seydl, überbrachte den Segen des Hl. Vaters – gleichzeitig spendete er Sr. Majestät die hl. Kommunion. Nach 11 Uhr kam Erzherzog Karl und Erzherzogin Zita, ich sollte Beide anmelden.« Das Thronfolgerpaar erklärt dem Adjutanten Spanyi, nur dann das Zimmer des fiebernden Kaisers betreten zu wollen, wenn dieser am Schreibtisch sitzen bleibt. Als Franz Joseph sich weigert, eine Dame sitzend zu empfangen, drohen Karl und Zita wieder wegzugehen. Jetzt erst ist der Kaiser bereit, sitzen zu bleiben. »Seine Majestät ist eben der größte Kavalier unserer Zeit«, schwärmt der Adjutant.
Die Ärzte sagen, »dass keine Rettung mehr möglich«
Am Nachmittag schläft Franz Joseph mit 39 Grad Fieber, an seinem Schreibtisch sitzend, ein. »Ich beobachtete sehr oft aus dem Nebenzimmer unseren Allerhöchsten Herrn, man kann sagen von Stunde zu Stunde machte sich der Kräfteverfall bemerkbar. Um 8 Uhr Abend sagen (die Ärzte) Kerzl und Ortner, die Seine Majestät zu Bett gebracht haben, dass keine Rettung mehr möglich.«
Der Burgpfarrer spendet die Kommunion: der letzte Tag im Leben des alten Kaisers, geschildert im Tagebuch des Adjutanten Adalbert von Spanyi
Der Kaiser stirbt am 21. November 1916 um 21.05 Uhr
Franz Josephs Töchter, weitere Angehörige sowie Regierungsmitglieder werden verständigt. »Gegen 9 Uhr waren bereits viele der Herrschaften anwesend. – Fürst Montenuovo geleitete mich ins Sterbezimmer unseres Allerhöchsten Herrn. Der Burgpfarrer spendete die letzte Ölung und während der Handlung hat Seine Majestät Kaiser Franz Joseph I. seine edle Seele still ausgehaucht. Es war 9 Uhr 5 Minuten Abends.«
Die letzten Zeilen in Adalbert von Spanyis Tagebuch lauten: »So endete meine zweite Flügeladjutantenzeit beim großen Kaiser. Bis zum letzten Tag seines Lebens habe ich ihm gedient … Gott gebe ihm die ewige Ruhe!«
*Adalbert von Spanyi war bereits in den Jahren 1905 bis 1909 Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs.
*Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahr 2017 einem Betrag von rund 72 000 Euro.
»Das Mädchen ist allerliebst« Der frühe Tod von Goethes Enkelin in Wien
Sie war sein Augenstern, Goethe liebte die kleine Alma über alles. In seinen letzten Lebensjahren holte er seine Enkelin oft zu sich und ließ sie in seinem Arbeitszimmer spielen, um ihren Reifeprozess zu beobachten, während er mit dem Abschluss seines Lebenswerks beschäftigt war. Was für ein Glück, dass der Dichterfürst den Tod des Kindes nicht erleben musste. Alma von Goethe starb, noch nicht