Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi Zietsch
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Das Blut in seinen Adern wurde eiskalt, und er fing an zu zittern. Sie wollte ihn töten, einfach so? Warum würde sie es tun, wenn sie es im Vorfeld schon bereute? Flehend sah er sie an, mit feuchten Augen. Das brauchte er nicht zu spielen, er bettelte um sein Leben.
»Du bist ein hübsches, manchmal auch artiges Bürschlein«, stellte die Königin lächelnd fest. »Du hast dich hier gut gemacht, so gefällst du mir. Aber siehst du, um das Portal dauerhaft zu öffnen, brauche ich Kraft … sehr viel Kraft. Da muss ich alles nehmen, was sich mir bietet, und ich glaube, was du zu geben hast, wird das größte Geschenk sein …«
Er besaß doch nichts mehr. Nichts hatte er zu geben, gar nichts, außer Ketten und Leid. Noch blieb er stumm, obwohl alles in ihm um Vergebung schrie. Sein Leben ging endgültig zu Ende, und nichts konnte es verhindern.
Die Finger der Königin strichen über seine feuchte Wange, und ihr Lächeln vertiefte sich. In ihre wie grüner Kristall funkelnden Augen trat ein beängstigender Ausdruck. »Du brauchst nicht zu weinen, Hündchen, dir wird eine große Ehre zuteil.«
Diese Ehre wollte er nicht. Er wollte Frieden. Genug gebüßt und bereut, genug von all dem hier. Wenn es der Tod sein sollte, dann schnell, ohne weitere Verpflichtungen.
Aber natürlich war ihm das nicht vergönnt.
Die Augen der Königin wurden kälter als Eis und füllten sich mit undurchdringlicher Schwärze. Bevor der Mann zurückweichen konnte, packte ihre Hand ihn unnachgiebig am Hals, genau über dem Ring, und zwang ihn, in ihre Augen zu sehen. Als er die Lider schließen wollte, war er nicht dazu in der Lage. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Er war zu keiner Regung mehr fähig, konnte nicht einmal mehr die Hände zur Abwehr heben.
Und dann entriss sie ihm seine Seele. Der Mann konnte jetzt nicht mehr anders, er schrie seine Qual hinaus, die über jeden denkbaren körperlichen Schmerz weit hinausging. Speichel rann ihm aus dem Mund, und er hatte das Gefühl, ihm würden die Augen ausgebrannt.
Die Dunkle Frau sog ihm die Seele Stück für Stück heraus und trank sie, ihr Kehlkopf bewegte sich, als würde sie schlucken.
Es nahm und nahm kein Ende. Die Stimme des Mannes war längst zu einem heiseren Wimmern herabgesunken, obwohl die Pein nicht geringer worden war.
Erst als der letzte leuchtende Funken, der an einem dünnen Faden hing, ihn verließ, war es endlich vorbei, und er starb.
Doch er wachte wieder auf und fand sich allein. Die Königin war fort, und zwar so sehr fort, dass ihre Abwesenheit fast schmerzhaft zu spüren war.
Der seelenlose Untote versuchte, sich zurechtzufinden. Seinen neuen Zustand zu verstehen. Der Schmerz der Erinnerung brannte in ihm. Seine Haut war kühl. Er fühlte keinen Puls mehr. Das Blut in seinen Adern schien gestockt zu sein. Seine Eingeweide schrumpften zusammen, das konnte er spüren. Was einst sein Herz gewesen war, war nun schwarz und vertrocknet. Ab und zu schlug es noch, in Erinnerung an sein früheres Leben, und um das Untotendasein aufrecht zu erhalten. Es war ein Zwischendasein, begriff er nach und nach. Das untot bedeutete, dass er nicht mehr am Leben war – aber auch noch nicht ganz tot, sondern irgendwo dazwischen. Damals auf seiner Insel hatte einer seiner Gäste, der viel nach Afrika und in die Karibik gereist war, von seelenlosen Untoten erzählt, die Zombies genannt wurden. Allerdings besaßen sie keinen eigenen Willen mehr, und das traf auf den ehemaligen Conte nicht zu. Er war also etwas anderes, für das es vielleicht einen Begriff gab, den er nicht kannte. Es hätte ihn beruhigt, wenn er den Begriff gewusst hätte, denn das hätte bedeutet, dass er nicht der Einzige seiner Art war, und dass jemand, der so war wie er, ihm vielleicht weiterhelfen könnte. Zum Beispiel, wie man seine Seele wiederbekam. Oder endgültig starb.
Es war eine bittere Erfahrung und die schlimmste Bestrafung, denn nun würde er nie Erlösung finden. Was konnte er von nun an tun? Er war ein aus allen Welten Verbannter, Verstoßener, der nie mehr Freude verspürte. Nur das Leid war ihm geblieben, unveränderlich.
Ob die Königin das gewusst hatte? Vermutlich nicht, denn sie hatte davon gesprochen, dass er sterben würde, dass er sie künftig nicht mehr als Hündchen begleiten konnte. Und sie hatte Erfahrung damit, Menschen die Seele zu entreißen und zu verschlingen. Also … war er doch anders. Wie schon seit seiner Geburt, nichts hatte sich geändert. Selbst jetzt, da er kein Mensch mehr war, stach er aus der Masse hervor.
Lange saß der seelenlose Untote nur da und dachte nach. Versuchte die Erinnerungen festzuhalten, die immer flüchtiger wurden. Sie zerrannen wie Sand, flossen in die leeren Abgründe, in denen einst seine Seele geruht hatte, und erstarrten zu Schlacke.
Ablenkung gab es keine. Die Königin war fort, und niemand erinnerte sich an ihr Hündchen. Wenn er noch gelebt hätte, wäre er längst verhungert, oder zumindest verdurstet. Zeitgefühl besaß man in diesem Land nicht, ein Herzschlag konnte sich zur Ewigkeit dehnen, und die Ewigkeit nicht länger als ein Wimpernschlag dauern. Sein Magen erinnerte sich noch daran, wie er früher einst Speise und Trank genossen hatte und nörgelte ab und zu, während er immer mehr zusammenschnurrte.
Wo waren alle nur hin? Warum kam niemand hierher? War er etwa der Letzte, der zurückgeblieben war? Sollte er jetzt bis ans Ende aller Tage hierbleiben müssen, angekettet, untätig, zur ewigen Langeweile verdammt? Oder konnte er wenigstens wahnsinnig werden?
… wenn er es nicht schon längst war. Seine Gedanken waren manchmal wie zäher Brei, manchmal wie eine Springflut. Zwischendurch war er gar nicht bei Bewusstsein, wobei man dies nicht als »Schlaf« bezeichnen konnte. Es war ein Zustand, in dem er »nicht war«, und wenn er wieder zu sich kam, war es ein Sein, das »ein bisschen war«.
Es ist doch absurd, dachte das einstige Menschenhündchen verbittert, dass es überhaupt kein Ende finden soll. Ich muss dagegen etwas unternehmen.
Und damit kam endlich die Erleuchtung.
Dies war ein magisches Land, und er besaß die Anlage zur Magie. Die Königin, die hier alles unter Kontrolle gehabt hatte, war fort. Wer sollte ihn jetzt noch hindern?
Zuerst die Fußfesseln, damit er sich frei bewegen konnte. Der Seelenlose hatte keine Ahnung, was er machen musste. Die meisten menschlichen Zauberer übten Entfesselungstricks. Das war nicht nur wichtig, um die Zuschauer zu beeindrucken, sondern unter Umständen auch, um so einer Verhaftung zu entkommen. Sein Vater hatte sich gut darauf verstanden, und dem Sohn lag es ebenfalls im Blut. Geschickte Finger und Ruhe waren das einzige, was man dazu brauchte. Schlösser, Öffnungsmechanismen – darin hatte der Seelenlose sich schon als Jüngling geübt, denn er hatte damals bereits viele Feinde.
Er ließ die Ketten durch die Hände gleiten, prüfte die Fußringe. Das Metall war Bronze, keinesfalls Eisen, doch sehr gut gearbeitet, mit einem äußerst geschickten Verschluss. Und … er spürte ein seltsames Kribbeln unter der Fingerspitze, das Einzige, was zu fühlen er noch in der Lage war: Magie.
Ich bin ein Magier, dachte er. Wenn nicht hier, wo dann?
Verlieren konnte er nichts. Und er hatte so viel Zeit, wie er brauchte. Allmählich glaubte er nicht mehr daran, dass jemals wieder jemand kommen würde, um nach ihm zu sehen. Sie waren alle zu sehr mit sich beschäftigt, oder fort, genau wie die Königin.
Der Seelenlose konzentrierte sich. Er konnte sich kaum daran erinnern, was für faule Künste er auf seiner