Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi Zietsch
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Mit verdoppelter Anstrengung ließ er seinen Willen in das Schloss der Fußfessel fließen, schob die darum gelegte Magie beiseite und schuf eine Schutzblase um sich. Es war kein Bann, nur ein einfacher Schließzauber. Die magischen Fühler tasteten nach dem Riegel, prüften ihn rundum. Nichts außer dem passenden Schlüssel konnte dieses Schloss erreichen. Und der Wille des Seelenlosen. Nein, er war ganz und gar kein Zombie, er war ein Zauberer, und zwar ein wahrer! Er tastete und fühlte, kroch immer tiefer hinein, und dann bekam er endlich den Riegel mit seinem Geist zu fassen und ließ ihn aufschnappen.
Für einen Moment fühlte er sich fast wieder lebendig, als sich die Fußfessel mit einem klickenden Geräusch von seinem Knöchel löste und zu Boden fiel. Doch er hielt sich nicht lange auf, sondern setzte die gewonnenen Erkenntnisse umgehend bei der zweiten Fußfessel ein. Diesmal ging es bedeutend schneller, da er den Mechanismus nunmehr kannte. Auch die Armfesseln waren kein Problem, der Halsring allerdings stellte eine echte Herausforderung dar. Doch auch er war schließlich besiegt, und zum ersten Mal seit seiner Gefangennahme richtete der Seelenlose sich wieder gerade auf. Seine Beine hatten keine Mühe, ihn zu tragen, und er fühlte auch keine Erschöpfung, zitternde Muskeln oder ähnliches. Das alles war vorbei. Sein Wille würde den Körper tragen, solange er untot war, egal in welchem Zustand.
Noch einmal spürte er die Erinnerung an Leben, als er aufrecht stand, frei von allen Fesseln, und sich triumphierend umsah. Endlich war er frei, und niemand konnte ihn mehr aufhalten. Er fühlte sich von der Magie des Schattenlands durchpulst, als wären sie Verwandte. Sie stärkte ihn und baute ihn auf. Eine große Wandlung hatte stattgefunden. Nachdem er die Fesseln der Sterblichkeit ebenso wie die der Gefangenschaft abgestreift hatte, konnte er nun seine ganze Macht entfalten, die schon seit seiner Geburt in ihm schlummerte, die er jedoch nie in der Lage gewesen war, gänzlich zu wecken.
Was sollte er also unternehmen? Die Herrschaft über dieses Land antreten, mit dem er sich so verbunden fühlte?
Nein. Das war zu wenig. Womöglich war niemand mehr da, den er beherrschen konnte. Er wollte zurück in die Menschenwelt und dort Rache üben. Und … dann herrschen, auf subtile Weise, langsam und schleichend. Bei den Sterblichen gab es viel mehr zu tun als hier. Und er könnte sein Leid und die Erinnerung an den Schmerz auf die Menschen übertragen. Das würde selbst einem seelenlosen Untoten wie ihm Befriedigung verschaffen!
Sein Entschluss stand fest. Es gab dorthin nur einen einzigen Weg – denjenigen, der ihn auch hierher gebracht hatte.
Kurz entschlossen schritt der Seelenlose auf die Tür zur verbotenen Kammer zu, legte die Hand auf den Griff und ließ in sich einwirken, wer ihn zuletzt berührt hatte. Die Königin, kein Zweifel. Sie war aus dem Raum hierher gekommen, hatte seine Seele getrunken und war dann wieder dorthin zurückgekehrt.
Sie hatte die Tür nicht magisch gesichert, wie dumm von ihr. Oder Plan? Falls dem so war, spielte er darin sicher keine geplante Rolle. Doch das würde er ändern. Der Untote ließ seine Levitationsmagie ein weiteres Mal wirken, und kurz darauf tat sich die Tür vor ihm auf.
Als Lebendem hätte ihm das Herz jetzt bis zum Hals geschlagen, ein Tabu zu brechen und damit einem Wesen, das mächtiger als Götter war (es gab Götter an diesem Ort, die ihr dienten), die Stirn zu bieten.
Doch in seinem jetzigen Zustand fühlte er lediglich Befriedigung seiner Macht, dass er durch nichts aufgehalten werden konnte.
Für die Einrichtung des Raums interessierte er sich nicht, er nahm sie nicht einmal wahr.
Denn an der Wand am anderen Ende, fast gegenüber der Tür, strahlte ein leuchtender Bogen, und dahinter lag ein Weg, der durch die Wand führte.
Dahin war die Königin also verschwunden. Sie war gegangen und hatte ihr Reich, ihre Untertanen im Stich gelassen.
Das Wunder allerdings war die Stabilität des Portals. Wie mochte das geschehen sein? – Es war nicht wichtig. Der Weg führte in die endgültige Freiheit, weg von faulem Elfenzauber, schalen Genüssen und schwüler Dekadenz.
Langsam schritt er auf das Portal zu, zögerte nur noch einmal kurz. Möglicherweise verlor er sich endgültig, wenn er jetzt hindurchging und die Verbindung zum Schattenland riss. Doch dann mochte es eben so sein.
Der seelenlose Untote trat durch das Portal ins gleißende Licht, und er fühlte augenblicklich, wie gewaltige Kräfte an ihm zerrten und mit sich zu reißen versuchten. Und während er voranschritt, spürte er, wie sein Körper in Flammen aufging und heißer Wind um ihn wirbelte.
Doch es war kein verzehrendes, sondern ein reinigendes Feuer. Anstatt ihn zu einem Klumpen Asche zu verbrennen, nahmen die Flammen ihm die Last der Erinnerung, den Schmerz und alles andere, und sie verjüngten ihn, bis er sich fühlte wie ein Dreißigjähriger, fast, ja, wie neugeboren, auch wenn ihm nach wie vor die Seele fehlte. Doch sein Körper erinnerte sich an Fleisch und Blut und Menschlichkeit, schuf eine Aura, die ihm eine perfekte Illusion gab. Damit konnte er unter den Menschen wandeln, ohne dass sie erkannten, wer er wirklich war. Eine Larve, wie sie die Elfen trugen, doch weitaus effektiver.
Während er lachend den Pfad zu Ende schritt, sah er schon die andere Seite auf sich zukommen, die Welt der Menschen. Er sah einen schwarz dräuenden Berg, aus dem Qualm und Lava floss, und erkannte ihn, denn es gab nur einen, der so eine Verbindung schaffen konnte.
Wunderbares Sizilien, heiße mich willkommen.
In weiter Ferne sah er drei winzige Punkte nahen. Also sollte er sich beeilen. Noch war es nicht an der Zeit, sich der Welt zu zeigen.
Das Licht floss von ihm weg, je näher er der anderen Welt kam, bald waren es nur noch zwei Schritte, und er fühlte sich großartig. Nicht lebendig, nicht tot, doch mit allem ausgestattet, was ein Mann brauchte, der ein Zauberer war.
Alles, was ihm noch fehlte, war ein Name, denn sein früherer Name war mit der alten Hülle verbrannt.
Er lächelte, denn das war einfach, es gab nur einen einzigen Namen, der der seine war.
Cagliostro.
1.
Der Getreue: Fort
Ätna, Sizilien: Nach dem Setzen des Stabs
»Es ist nicht mehr weit, Meister«, versprach der Kau und stützte die Hand seines Herrn. Zu mehr war er aufgrund seiner geringen Größe nicht in der Lage, aber er wollte auch nicht nutzlos erscheinen. Der Spriggans hingegen hatte sich aufgeblasen und sich den anderen Arm des Getreuen um die haarigen Schultern gelegt, allerdings ächzte er unter der Last.
Die Schultern des Hünen waren nach vorn gesunken, seine Beine schleiften über den Boden. Die Kälte war fast vollständig von ihm gewichen.
»Ihr seid aber wirklich durch nichts umzuhauen, Meister, was?«, plapperte der dürre Elf weiter. »Stimmt’s nicht, Cor?«
»Und ob«, bekräftigte der Spriggans, wobei er aufpassen musste, dass er nicht zu viel Luft verlor und schrumpfte. »Keiner sonst hätte das überlebt.«
Eine Weile lauschten die beiden, dann schielte der Kau am Getreuen vorbei zu dem Spriggans hoch. »Das ist ziemlich ernst«, fistelte er besorgt.
»Viel zu ernst«, zischelte Cor.
»Und was machen wir jetzt?«
»Ich weiß auch nicht … zum Tor gehen?«