Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi Zietsch

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Elfenzeit 5: Trugwandel - Uschi Zietsch Elfenzeit

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versichert, dass das Spiel mit der Zeit strengen Regeln unterlag. Ein Blick in die Zukunft beispielsweise war absolut untersagt – Fabio hatte am eigenen Leib die Folgen der Übertretung zu spüren bekommen. Und die meisten Elfen hielten sich davon fern; während ihrer Unsterblichkeit hatte Zeit ohnehin keine Rolle gespielt, und jeder von ihnen wusste, dass schon ein kleiner Eingriff den Untergang herbeiführen konnte. Die Erinnerungsmagie wurde gleichfalls nur sehr selten durchgeführt, da sie erhebliche Risiken barg.

      Aber es wäre nicht das erste Mal, dass der Getreue alles riskierte. Bisher wussten sie ja noch nicht einmal, welche genauen Auswirkungen das Setzen des Stabes am Ätna haben würde, es war alles möglich.

      Als der Wegweiser Brú na Bóinne kam, setzte Fabio den Blinker, und sie bogen nach links Richtung Westen ab. Schon kurz darauf wurde die Straße schmaler und zog sich zwischen Steinmauern, kleinen Gehöften, Wäldchen und über Hügel hinweg. Das Gebiet war hier leicht sumpfig, es gab viele Birken auf torfreichem, mit Heidekraut bewachsenen Grund. Das Land wirkte gleich weitläufiger, nachdem das Meer hinter ihnen zurückblieb, und einsamer.

      »Wir erreichen jetzt eine der fruchtbarsten Gegenden Irlands«, erklärte Nadja, die sich noch gut von ihren vergangenen Reisen daran erinnerte und sich außerdem vorbereitet hatte. »Schon quasi seit Urzeiten ist diese Region Anbaugebiet. Deswegen finden sich hier auch überall uralte Hinterlassenschaften wie Melagithbauten, Cairns, Hochkreuze, jahrhundertealte Abteien und so weiter.«

      Kurz darauf passierten sie ein Schild, das Reisende im Tal des Flusses Boyne willkommen hieß.

      »Das ist wohl was besonderes hier, nicht wahr?«, rief der Pixie und hüpfte aufgeregt auf und ab.

      »Ja«, antwortete Nadja lächelnd. »Ich war fasziniert.« Sie holte Atem und führte aus: »Der Fluss Boyne ist sehr geschichtsträchtig, auch in mythologischer Hinsicht. Sein Name rührt wahrscheinlich von Bóinn oder auch Boann her, der irischen Muttergöttin und Königin. Deshalb wurde hier einst Tara gebaut, der Hochsitz der irischen Könige. Der Boyne ist so um die hundertzehn Kilometer lang, zieht sich durch liebliche Auen, lichte Wälder und fruchtbare Felder. Alte Städte wie Trim mit dem großen Castle und die ehemalige Hauptstadt Drogheda kurz vor der Irischen See finden sich an seinem Lauf, ebenso wie die alten Abteien Monasterboice mit den berühmtesten und schönsten Hochkreuzen Irlands, und natürlich die Mellifont Abbey, zu der das große Ganggrab Newgrange sowie die beiden noch älteren Megalithbauten Knowth und Dowth gehören.«

      Alle hörten ihr aufmerksam zu, und Nadja fuhr, nunmehr selbst begeistert, fort: »Finn Mac Cumal, Anführer der berühmten Fianna, soll den Lachs des Wissens im Fluss gefangen haben, was den Grundstein seiner künftigen Heldentaten darstellte. Im ausgehenden siebzehnten Jahrhundert fand hier eine fürchterliche Religionsschlacht statt, der protestantische Wilhelm von Oranien gegen den katholischen Jakob den Zweiten, beides Engländer, die jeder für sich Irland als Provinz beanspruchten. Jakob verlor, konnte aber mit den meisten Soldaten fliehen, und so dauerte der zerstörerische Krieg ein weiteres Jahr an. Zahlen mussten die Iren, wie meistens.«

      »War Finn ein Elf?«, fragte Pirx dazwischen.

      »Das müsst ihr besser wissen als ich.«

      »Was meinst du, Grog?«, wandte der Pixie sich an den Älteren.

      »Ich kann es nicht sagen«, antwortete der alte Kobold. »Zu den Zeiten damals waren die Grenzen noch weit offen, alles vermischte sich. Schon möglich, dass Finn ein Elf war, aber er gab sich stets als Mensch.«

      »Mit Zauberkräften«, wandte Nadja ein.

      »Viele verfügten damals über Magie, Nadja, und vieles wurde in den Legenden hinzugedichtet. Wir werden es nicht herausfinden.«

      Rian verstand es nicht. »Aber warum denn nicht? Das könnte uns von Nutzen sein! Fragen wir die Iren!« Sie runzelte die Stirn, als Fabio und Nadja grinsten. »Was ist daran so witzig, eine Frage an jemanden zu stellen?«

      »Eines Nachts«, begann Fabio, »es war sehr finster, und kein Leuchtturm wies den Weg, strandete ein Schiff an dieser Küste. Es hatte wegen eines Sturms die Orientierung völlig verloren. Die Schiffbrüchigen wussten also nicht, wo sie waren. Der Kapitän ging mit seinem Steuermann an Land und suchte nach einer Straße. An einer Kreuzung trafen sie einen Mann und fragten ihn, wo es zur nächsten größeren Ortschaft ginge. Der Mann deutete wortlos nach links. Der Kapitän ging daraufhin nach rechts. Der Steuermann staunte, sagte aber nichts. Kurz darauf kamen sie an einen Wegstein, der die Grenze einer Stadt markierte, und der Steuermann staunte noch mehr. Dort bei dem Stein stand wiederum ein Mann, der seinen Hund Gassi führte. Der Kapitän fragte ihn, ob die Stadt für hiesige Verhältnisse groß sei. , sagte der Mann. Sie gingen weiter und begegneten einem dritten Mann, der sich gerade die Schnürsenkel band. Der Kapitän fragte ihn, ob man hier auf der Straße sicher vor Räubern sei. Yo, sagte der Mann. Der Kapitän nickte und ging weiter. Nach ein paar Schritten blieb er stehen und bat den Steuermann um ein paar Geldstücke, weil er selbst vergessen habe, die Börse mitzunehmen. Der Steuermann suchte alle Taschen ab und stellte erschrocken fest, dass er bestohlen worden war. ›Das genügt‹, sagte der Kapitän, ›wir können zurück.‹ Er drehte um. Der Steuermann folgte ihm, verlangte aber Aufklärung. Der Kapitän antwortete: ›Wortkarge Leute, die nicht die Wahrheit sagen und prahlen, und die einen schneller bestehlen, als man ausspucken kann – wir sind in Irland, und die Stadt da hinten ist Dublin.‹«

      Verblüfftes Schweigen herrschte im Wagen, während Nadja und Fabio Mühe hatten, nicht laut zu lachen.

      »Die Iren sind Elfen?«, fragte Pirx schließlich, und da konnte Grog nicht mehr an sich halten. Er lachte, dass sein haariger Bauch wackelte. »Also, was nun?«, hakte der Pixie nach, erhielt aber keine Antwort. Es gab wohl auch keine.

      Kurz darauf bog Fabio erneut von der Straße ab, diesmal nach rechts. Er hatte ein B&B-Schild entdeckt, das zur »View Lodge« einlud. Sie fuhren eine einspurige Straße entlang, die immerhin geteert war und zwei Ausweichbuchten aufzuweisen hatte, bis sie auf dem Ende eines Hügels herauskamen, wo malerisch gelegen ein großes Steinhaus sein Fundament gegründet hatte, mit zwei Anbauten für Garage und Landwirtschaft. Links und rechts vom Hof gingen steinumzäunte Weiden ab, auf denen schwarzköpfige Schafe und zumeist braune Pferde friedlich grasten. Es ging auf achtzehn Uhr zu, und das Land zeigte sich von seiner besten Seite: Blauer Himmel hinter schnell abziehenden Wolken, eine rötliche Sonne, die sich auf den Weg in den Westen machte, und weiches, farbintensives Licht, das sich tausendfach in Regentropfen an Zweigen brach. Die Luft war mild und roch nach Ginster, nassem Torf, Rosen und Meer.

      »Fast wie daheim«, flüsterte Pirx, als sie ausstiegen – die beiden Kobolde natürlich unsichtbar.

      Nadja und Fabio gingen gemeinsam zum Eingang und drückten auf die Klingel. Auf dem Schild daneben stand »O’Sullivan«. Nur wenig später öffnete eine kleine, schlanke Mittfünfzigerin die Tür, die sie freundlich anlächelte und begrüßte: »Wie geht es Ihnen heute, an diesem wunderbaren Abend?«

      Fabio schien ein wenig irritiert, aber Nadja kannte dies bereits. »Bestens, bei so einem Wetter«, antwortete sie. »Haben Sie zwei Zimmer für eine Nacht?«

      »Nun, Sie haben Glück, ich habe gerade eine Absage bekommen, sonst wäre ich voll belegt gewesen. Zu dieser Jahreszeit ist es besser, zu reservieren.«

      »Ach, wir wissen meistens nicht, wo wir heute oder morgen sind«, meinte Nadja leichthin. »Aber hier gefällt es uns so gut … die Aussicht aufs Boyne Valley …«

      »Oh ja, wir haben die beste!«, sagte die Frau eifrig und deutete über den Hügel. »Wenn Sie ein Stück nach vorn sehen, können Sie zwischen den Bäumen rechts Newgrange erkennen. Haben Sie das schon besichtigt?«

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