Elfenzeit 4: Eislava. Verena Themsen
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»Das Problem wird die junge Dame hier nicht haben«, sagte der weißhaarige ältere Mann, der hinter Rian an der Kasse des kleinen Dorf-Supermarktes wartete. Seine Stimme hatte erstaunlich wenig von der üblichen Brüchigkeit des Alters. »Siehst du nicht, dass sie eine Andersweltliche ist?«
»Lass mal, Mats.« Die Frau winkte lachend ab. »Nicht jede schöne Frau ist gleich von drüben!«
»Die hier ist es«, wiederholte der Mann im Brustton der Überzeugung, und sein Lächeln ließ seine blauen Augen hell in dem von gutmütigen Falten gezeichneten Gesicht aufstrahlen. »Warte nur, Linda, du lernst auch noch, die Zeichen zu erkennen.«
Die Kassiererin zwinkerte dem alten Mats zu und wies dann abwehrend auf das Schild über ihrer Kasse, als Rian ihr Geldscheine reichen wollte.
»Kortkassa, nur Karte! – Also, Mats, wenn ich dafür so alt werden muss wie du … dann soll es mir recht sein! Du musst mir gelegentlich einmal erklären, ob du da drüben auch einen Jungbrunnen kennst, so gut wie du dich hältst.«
»Der einzige Jungbrunnen, den ich brauche, sind frische Luft, Bewegung und meine Sauna.«
Rian zog eine goldene Kreditkarte aus ihrem paillettenbesetzten Portemonnaie. »Entschuldigung, ich bin noch nicht so sehr damit vertraut, dass man in Schweden kaum noch mit Bargeld zahlt.«
»Ja, oder mit dem Handy …«
»Das erinnert mich an etwas«, murmelte Rian. Darum hatte sie sich gleich nach der Rückkehr in die Menschenwelt kümmern wollen. Dann musste sie eben einen weiteren Laden aufsuchen, in dem es Prepaid-Handys gab, um hier nicht noch mehr als bereits geschehen aufzufallen.
Linda gab ihr die Karte zurück, nachdem Rian die PIN eingegeben hatte. »Bleibt ihr länger hier, du und dein Bruder?« Immerhin war das Du weiterhin gang und gäbe in Schweden.
»Nein, wir sind nur auf der Durchreise«, antwortete Rian, während sie eine der Pralinentüten öffnete und den obersten Nougattrüffel herausfischte. »Unser Boot liegt ein Stück den Fluss runter an einem Anlegesteg.«
»Falls ihr über Nacht bleibt, solltet ihr euch ein paar von Mats’ Geschichten anhören. Er sitzt jeden Abend unten im Röda Thor, und da gibt es die einzigen Gästezimmer im Dorf. Bist du heute Abend da, Mats?«
»Heute ganz bestimmt, insbesondere wenn dieser bezaubernde Gast bleiben sollte. Allerdings fürchte ich, dass keine meiner Geschichten sie sonderlich beeindrucken könnte, denn für sie sind sie nichts als das normale Leben.«
»Oh, ich höre gern Geschichten, egal worüber«, entgegnete Rian. Selbst die von Alberich. »Und ich denke, wir werden diese Nacht hierbleiben.«
»Prima.« Mats hielt Linda seine Zeitschrift zum scannen hin. »Dann freue ich mich auf heute Abend. Willkommen in Svanby!«
»… und als sie die Blumen an seinem Mantel gesehen hat, da hat die Frau aufgestampft und geschrien: ›Tibast und Vandelrot sind unsrer Liebe Tod!‹ – Dass sie immer nur in Reimen gesprochen hat, hätte Großvater ja schon früher misstrauisch machen müssen, aber ihr wisst ja, wie Männer sind, wenn sie eine schöne Frau sehen …«
Leises Lachen klang auf, vor allem von der weiblichen Zuhörerschaft. Mats grinste und fuhr mit seiner sonoren Stimme fort: »Jedenfalls hat sie sich von ihm weggedreht, und da hat er sie zum ersten Mal von hinten gesehen – ja, damals ist man beim Liebesspiel noch nicht so vielseitig gewesen wie heute, die kannten noch kein Kamasutra! –, und da war sie doch tatsächlich hohl wie eine Backform! Wenn ihr so was von euren Frauen behaupten würdet, dann würden sie euch die Rüben einhauen, und mit Recht, aber bei dieser hier, da war es wahr wie die Tagesnachrichten, denn sie war in Wirklichkeit eine Skogsra. Da war ihr Geheimnis gelüftet, und vom Geruch der Blumen vertrieben hat sie sich dann, puff, in Luft aufgelöst.« Der Erzähler unterstrich die Wortmalerei mit einer Geste.
»Jetzt war es also vorbei mit den lustigen Nächten. Aber Großvater war’s grad recht, denn wie es ihm ergangen war, das wissen nur die von euch, die von ihren Frauen gezwungen werden, jeden Abend Viagra zu nehmen. Aber so was braucht ja keiner von euch, oder?«
Mats zwinkerte, und Gelächter und Beifall brandeten auf. Rian klatschte ebenfalls und sie lächelte dem alten Mann zu, der auf so amüsante Art Geschichten erzählte, die Rian durchaus wahrscheinlich vorkamen, den anderen hier aber als reine Erfindungen erschienen. Sie prägte sich die Namen der Wesen ein, die er nannte – die Skogsra aus dem Wald, die Sjöra der Flüsse, und natürlich die allgegenwärtigen Trolle, die in diesen Geschichten in allen Größen, Formen und Gesinnungen vorzukommen schienen. Die Wesen des Nordens waren allgemein scheuer als die anderer Regionen, und so hatte Rian kaum einmal jemanden von dort zu Gesicht bekommen, und früher hatte sie auch keine Veranlassung gesehen, sich allzu genau über sie zu informieren. Meist reichte es zu fragen, wenn man das Wissen brauchte – so wie jetzt.
Rian sah sich um, während sie darauf wartete, dass sich der Kreis auflöste, der sich um Mats’ bequemen Sessel am Kamin gebildet hatte. Die Holzverklinkerung der Außenfront des Röda Thor war zwar vor kurzem neu in kräftigem bordeauxrot mit weiß abgesetzten Fensterrahmen gestrichen worden, und sein Inneres war durchaus an modernere Zeiten angepasst, doch zugleich hatte es sich den Charakter bewahrt, den es vermutlich schon vor hundert Jahren und länger aufgewiesen hatte.
Zwischen dem hellen Holz der Trägerbalken waren Wände und Decke weiß gestrichen, wodurch das gedämpfte Licht der klassischen Kandelaber reflektiert und der Raum angenehm hell wurde. Hier und da, vor allem in der Nähe des Kamins, wies die Decke Rußflecken auf, denn der Kamin fand heute noch Anwendung, ein fröhliches Feuer flackerte in ihm.
Neben dem Kaminabzug hatte irgendwann jemand mit roter Farbe in groben Strichen einen markanten Wikinger an die Wand gemalt, der bedrohlich einen großen Hammer schwang. Mats saß genau unter diesem Bild, und sein schmaler, vom Alter gezeichneter Körper mit den lustig blitzenden Augen bildete eine krassen Gegensatz zu dem martialischen Kämpfer an der Wand. Er hatte eine fleckige Lederweste über sein kariertes Hemd und die Jeans gezogen, die er schon am Tag getragen hatte. Während seiner Erzählung war seine Hand gelegentlich über die ausgebeulte Westentasche geglitten, und Rian fragte sich, was darin war.
Ihr Blick wanderte weiter. Der Raum war ausgestattet mit einfachen Tischen und Stühlen aus hellem Holz, die an diesem Abend nahezu alle besetzt waren, mit Leuten aus jeder Altersklasse. Auf den Tischen standen auf rot bestickten Mitteldecken bunte Gläser mit Teelichten und kleine Topfblumen, die in der warmen Zimmerluft erstaunlich gut überlebten.
Eine Seite des Raums wurde dominiert von einem Tresen, an dessen Holz man noch die Äste und Verwachsungen des Baumes erkennen konnte, aus dessen Holz er gebaut war. David saß auf einem Barhocker und unterhielt sich angeregt mit einer schlanken Frau mit hochgestecktem dunkelblondem Haar. Sie war schön, stellte Rian fest, auf eine Art, die sie ein wenig an andere Elfen erinnerte. Dennoch beachteten die menschlichen Männer sie kaum, vielleicht aufgrund ihres schlichten, gedeckten Kostüms und der nur dezent aufgetragenen Schminke.
Ob David versuchen wird, sie zu verführen?, fragte sich Rian, während sie die beiden beobachtete. Früher wäre das völlig normal für ihn gewesen, aber jetzt … Müsste er so etwas im Moment eigentlich gar nicht wollen?
So war es zumindest in all den Liebesgeschichten, die Rian kannte. Frisch verliebte Männer sahen andere Frauen gar nicht mehr – außer sie wurden von böswilligen Rivalinnen der Geliebten durch Lügen verführt. Aber diese Frau hier würde ja wohl kaum Anlass haben, Nadja