Elfenzeit 4: Eislava. Verena Themsen

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Elfenzeit 4: Eislava - Verena Themsen Elfenzeit

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Crain. Als Kinder Fanmórs gehört es darum meiner Meinung nach zu unseren Pflichten, sie zu schützen, wenn wir es können.«

      David nickte. »Natürlich.«

      »Nareva wird schnell schwächer«, meldete sich wieder einer der Nöcks. »Ihre Kräfte sind fast aufgebraucht. Verzeiht, dass wir so unvermittelt vorgegangen sind, aber …«

      »… wir fürchten, dass der Schatten sie jeden Moment ins Totenreich ziehen könnte.«

      »Und wenn Nareva stirbt, stirbt Nöck-Nareva. Wir haben Angst.«

      »Das sagtet ihr bereits, und ich verzeihe euch. Also vergessen wir den Teil.« David erhob sich aus dem Sitznetz. »Ich denke, wir sollten uns näher ansehen, was wir für Nareva tun können, oder, Rian?«

      Rian nickte und stand ebenfalls auf. Die beiden Nöcks stießen Luftblasen aus, in denen sich das schimmernde Licht fing, warfen ihre Arme hoch und und stießen sich dann direkt zum Lager ihrer Mutter ab. David und Rian folgten ihnen mit langsameren Schwimmbewegungen.

      Je näher sie dem Lager Narevas kamen, desto klarer spürte David, dass dort etwas verkehrt war. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass bei den beiden vor ihnen schwimmenden Nöcks an einigen Körperstellen die Schuppen matt und fleckig wirkten. An anderen hatten sie sich sogar gelöst, sodass die dünne weiße Haut durchschimmerte, unter der die Adern dunkles Blut trugen. War es das, was sie gemeint hatten, als sie sagten, mit Nareva würden auch die Nöck-Nareva sterben? Waren sie alle krank? Die Haut der Schwarmmutter wirkte matt und fleckig unter den schwarzen Schleiern, selbst aus der Entfernung. Ihr Zustand schien sich tatsächlich direkt auf den ihrer Kinder auszuwirken.

      Rian verharrte plötzlich.

      »Was ist los, Schwester?«, fragte David mit gedämpfter Stimme.

      »Ich spüre es. Den Schatten von Annuyn«, antwortete sie. »Sie haben Recht. Etwas von dort ist hier. Es ist … kalt. Formlos. Und es giert nach dem Leben, ohne sich zu erinnern, was es überhaupt ist.«

      David sah zu Nareva. Die schwarzen Schlieren, die sie umgaben, waberten in ihre Richtung, wie ausgreifende Finger. Die Nöcks hatten Recht gehabt mit ihrer Vermutung. Hastig ergriff er Rians Hände.

      »Ich bin bei dir. Ich lasse nicht zu, dass du noch einmal durch das Tor gehst.«

      »Aber das muss ich vielleicht, um Nareva zu retten«, flüsterte sie. »Um einen Todesschatten zurückzubringen, muss das Tor nach Annuyn geöffnet werden – und ich habe noch genug Verbindung, um das tun zu können. Sobald es offen ist, muss jemand den Schatten hinüberbringen.«

      David zog Rian an sich. »Dann lassen wir es. Sagen wir ihnen, dass es nicht geht, und ziehen weiter.«

      Rian schüttelte den Kopf. »Nein. Es muss einen Grund haben, warum ich hier bin. Auf dieser Reise geschieht nichts zufällig.«

      David wurde nachdenklich. »Jemand muss den Schatten hierher gerufen haben, und sobald er sein Werk hier verrichtet hat, wird er sich das nächste Ziel vornehmen. Das müssen wir verhindern, ich stimme zu. Aber wie sollen wir herausfinden, wer den Schatten gerufen hat?«

      »Ich werde den Schatten zu mir ziehen, ehe ich ihn durch das Tor bringe. In dieser Zeit kann ich auf seine Erinnerungen zugreifen.«

      David musterte seine Schwester. »Es könnte gelingen«, gab er zögernd zu. »Aber fühlst du dich stark genug dafür?«

      »Du musst mich halten, David, über unser Band. Unser Band muss stark genug dafür sein. Das ist es doch, oder?«

      Wieder stand dieser Zweifel im Raum, diese Angst, dass ihre besondere Verbindung Schaden genommen haben könnte. Der Beweis, dass sie verändert war, war durch Davids Überleben bei Rians Tod gegeben … aber war sie dabei geschwächt worden?

      »Es ist stärker denn je«, antwortete David.

      Sie lächelte ihn an und nickte dann in Richtung der Schwarmmutter, wo die Nöcks geduldig warteten. »Dann sollten wir ans Werk gehen.«

      Die schwarzen Schleier umflorten Rian, als wollten sie sie liebkosen. Mit geschlossenen Augen saß die Elfe im Netz neben der Schwarmmutter und streckte die Hände nach ihr aus. David stand hinter ihr, beobachtete jede ihrer Bewegungen und öffnete sich jeder Empfindung, die er von Rian empfing.

      Vorsichtig näherten sich Rians Hände der fleckigen Schuppenhaut. Sie war gelassen, und David spürte ruhige Gewissheit in ihr.

      »Ich spüre es«, flüsterte Rian. »Es ist verwirrt. Alles, was es weiß, ist, dass die Lebenswärme es anzieht. Es versucht, über die Schwarmmutter wieder zu leben. Aber das geht nicht. Es kann keinen fremden Körper übernehmen. Nicht so.«

      Seltsam, dachte David. Warum sollte jemand einen Schatten aus Annuyn holen und dann ohne Auftrag loslassen? Er sprach seine Gedanken nicht aus, weil er Rians Konzentration nicht unterbrechen wollte. Außerdem vermutete er, dass sie dieselben Gedanken verfolgte wie er. Vielleicht hat derjenige, der den Schatten geholt hat, die Kontrolle über ihn verloren? Vielleicht war es sogar die Schwarmmutter selbst?

      Aber nein. Wesen wie die Nöcks beschäftigten sich nicht mit der Nekromantie, und nur diese konnte den Zugriff auf Elfenschatten ermöglichen.

      Rians Hände glitten über den massigen Körper der Nöckmutter. Sie tastete die Stellen ab, an denen der Schatten sichtbar daraus hervordrang, und David sah Gänsehaut über ihre Arme laufen. Dennoch zuckte sie nicht zurück, sondern lehnte sich vor und breitete ihre Arme aus, um so viel vom Körper der Nöckmutter zu umfassen wie möglich.

      »Jetzt«, sagte sie.

      David trat dicht zu ihr und legte seine Arme um Rian, ehe er die Augen schloss und sich auf das Band zwischen ihnen konzentrierte. Er spürte ihre unterdrückte Angst, aber auch Neugier. Sie wollte wissen, woher der Schatten kam, und ob sie das erreichen konnte, was sie sich vorgenommen hatte.

      Ich halte dich, Rian, dachte er konzentriert. Ich lasse dich nicht noch einmal gehen.

      Rian bewegte sich nicht mehr, und er spürte Kälte über sie kriechen. Langsam hoben sich die feinen Härchen an ihren Armen, die Schauer krochen weiter über ihren Körper, während sie immer heftiger zu zittern begann. Davids Arme prickelten von der Kälte, die sich auf ihn übertrug, und unter anderen Umständen wäre er versucht gewesen, loszulassen. So aber zog er sie enger an sich, mit seinen Armen und über das geistige Band zwischen ihnen. Er spürte auch darin die Kälte. Sie berührte Rians Geist und versuchte, ihn zu lähmen. Doch die Prinzessin zog sich zurück, kapselte sich ein gegenüber dem Schatten und blieb nur dort offen, wo sie mit David verbunden war. Langsam ging das Beben in eine Starre über, und der Prinz spürte, wie sie das Leben in ihrem Körper bewusst immer weiter eindämmte und zugleich mit der Kraft, die er ihr gab, den Schatten an der Oberfläche ihres Geistes hielt.

      Überraschtes Murmeln und Gurgeln klang auf, und David öffnete die Augen. Was er sah, ließ Erinnerungen auf ihn einstürzen, die ihn lähmten. Ein goldenes Wabern hing neben Rian und der Schwarmmutter in der Luft. Er hatte dieses Leuchten schon einmal gesehen. Nicht mit den Augen, nein … seine Augen waren vor Erschöpfung geschlossen gewesen. Doch sein eigener Schatten war davon angezogen worden, und er verspürte den Sog auch jetzt. Er spürte hinter dem goldenen Leuchten, das immer mehr von seinem Blickfeld einnahm, die Verlockung des Loslassens, der Erlösung von allem, was ihm Sorgen machte.

       Geh nach Annuyn, dorthin kann dir keine

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