Maigret und die Schleuse Nr. 1. Georges Simenon

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Maigret und die Schleuse Nr. 1 - Georges Simenon страница 6

Maigret und die Schleuse Nr. 1 - Georges  Simenon Georges Simenon

Скачать книгу

nichts zu sagen?«

      »Nein, nichts.«

      Maigret stand auf und stellte sich, in die Sonne blinzelnd, ans offene Fenster.

      »Mathilde! Mathilde!«, rief Ducrau. »Erstens, versuchen Sie doch beim nächsten Mal sofort zu kommen, wenn ich rufe. Zweitens, binden Sie sich eine saubere Schürze um. Und jetzt holen Sie mir eine Flasche Champagner. Eine von den acht Flaschen hinten links.«

      »Ich trinke keinen Champagner«, sagte Maigret, als das Dienstmädchen gegangen war.

      »Den werden Sie trinken. Es ist ein Brut nature 1897. Der Besitzer der größten Kellerei in Reims hat ihn mir geschickt.«

      Er war milder geworden, zeigte sogar den Hauch eines Gefühls, wenn auch kaum wahrnehmbar.

      »Was betrachten Sie?«

      »Gassins Schiff.«

      »Wissen Sie, Gassin ist ein alter Kumpel von mir, der einzige, der mich noch duzt! Wir haben unsere ersten Fahrten zusammen gemacht. Ich habe ihm eins meiner Schiffe anvertraut, das vor allem nach Belgien fährt.«

      »Er hat eine hübsche Tochter.«

      Es war eigentlich mehr ein Eindruck, denn aus der Entfernung konnte Maigret kaum mehr als eine Silhouette erkennen. Trotzdem war er sicher, dass die junge Frau hübsch war. Eine schlichte Erscheinung, aber trotzdem. Ein schwarzes Kleid, eine weiße Schürze und nackte Füße in Holzpantinen.

      Ducrau antwortete nicht, und nach einem Moment des Schweigens sagte er, als würde er bald die Geduld verlieren:

      »Also, legen Sie los, fragen Sie! Die Dame oben, das Dienstmädchen und so weiter! Ich warte …«

      Die Küchentür öffnete sich einen Spaltbreit. Madame Ducrau blieb auf der Schwelle stehen, hüstelte und fragte:

      »Soll er auf Eis serviert werden?«

      Wütend entgegnete er:

      »Warum lässt du den Champagner nicht gleich in Reims holen?«

      Sie verschwand wortlos, und die Tür blieb halb offen, während Ducrau fortfuhr:

      »Also, ich habe im zweiten Stock genau über diesem Zimmer noch eine Frau einquartiert. Sie heißt Rose und war Animierdame im Maxim’s.«

      Er senkte die Stimme nicht, im Gegenteil. Seine Frau sollte es hören. In der Küche klirrten Gläser. Das Mädchen kam in einer sauberen Schürze und mit einem Tablett herein.

      »Wenn Sie noch weitere Einzelheiten wissen wollen: Ich gebe ihr monatlich zweitausend Franc und bezahle ihre Kleidung. Aber sie näht sich fast alles selbst. Ist gut so, stellen Sie alles hin und verschwinden Sie … Übernehmen Sie es, die Flasche zu entkorken, Herr Kommissar?«

      Maigret hatte sich inzwischen an den Lärm gewöhnt. Er hörte den Krach des Steinbrechers nicht mehr und auch nicht die Geräusche von der Straße, in die sich das Brummen zweier dicker Fliegen im Zimmer mischte.

      »Wir sprachen von vorgestern. Meine Tochter und ihr idiotischer Ehemann haben hier zu Abend gegessen, und ich bin wie immer nach dem Dessert gegangen. Ich kann Nervensägen nicht ausstehen, und mein Schwiegersohn ist eine Nervensäge. Auf Ihr Wohl!«

      Er schnalzte mit der Zunge und stieß einen Seufzer aus.

      »Das ist alles. Es war vielleicht zehn Uhr. Ich bin den Gehweg entlanggegangen und habe bei Catherine, der das Tanzlokal ein Stück weiter unten gehört, einen Schnaps getrunken. Dann bin ich weitergegangen, bis zur Straßenecke dort hinten, wo die Straßenlampe steht. Ich trinke lieber mit den Mädchen da ein Bier als mit meinem Schwiegersohn.«

      »Haben Sie, als Sie das Haus verlassen haben, nicht bemerkt, dass Ihnen jemand gefolgt ist?«

      »Ich habe überhaupt nichts bemerkt.«

      »Welche Richtung haben Sie eingeschlagen?«

      »Keine Ahnung.«

      Das war deutlich. Die Stimme wurde wieder aggressiv. Ducrau verschluckte sich nach einem zu großen Schluck Champagner, hustete und spuckte auf den verblichenen Teppich.

      Im ärztlichen Bericht hieß es, die Verletzung am Rücken sei nur oberflächlich, der Reeder habe nicht länger als drei oder vier Minuten im Wasser gelegen und sei vielleicht ein- oder zweimal aufgetaucht.

      »Sie verdächtigen natürlich niemanden?«

      »Ich verdächtige alle!«

      Er hatte ein seltsames Aussehen. Der Kopf war breit, fleischig und grob geschnitten, doch man spürte, dass dieser Schädel von großer Härte war, ein außergewöhnlich solider Kopf. Wenn Ducrau auf Maigrets Reaktionen lauerte, erinnerte sein Blick an den eines alten Bauern beim Feilschen auf dem Markt, doch gleich darauf spiegelte sich in seinen blauen Augen eine verblüffende Naivität.

      Mal drohte, brüllte und fluchte er, dann wieder fragte man sich, ob er das alles nicht bloß zu seinem Vergnügen tat.

      »Das vor allem wollte ich Ihnen sagen! Denn ich habe das Recht, jeden zu verdächtigen: meine Frau, meinen Sohn, meine Tochter, ihren Mann, die Rose, das Dienstmädchen, Gassin …«

      »Seine Tochter …«

      »Auch Aline, wenn Sie wollen!«

      Doch das klang ein wenig anders.

      »Und ich möchte noch etwas sagen. Ich gebe Ihnen die Erlaubnis, all diese Leute, die mir gehören, so lange in die Zange zu nehmen, wie Sie wollen. Ich kenne die Polizei. Ich weiß, sie wird selbst noch in den Mülleimern der Leute herumschnüffeln. Wir können sogar gleich damit anfangen. Jeanne! Jeanne!«

      Seine Frau erschien, erstaunt und ängstlich.

      »Komm schon rein, verflucht noch mal! Wie soll man dich jemandem vorstellen, wenn du dich wie ein Dienstmädchen benimmst? Trink ein Glas. Aber ja doch! Stoß mit dem Kommissar an. Und nun rate mal, was der Kommissar wissen will.«

      Sie war blass und nichtssagend, schlecht angezogen und schlecht frisiert, schlecht gealtert wie die Möbel im Wohnzimmer. Die Sonne blendete sie. Und nach fünfundzwanzig Jahren Ehe zuckte sie immer noch zusammen, wenn ihr Mann die Stimme erhob.

      »Er möchte wissen, worüber wir beim Abendessen mit Berthe und ihrem Mann gesprochen haben.«

      Sie versuchte zu lächeln. Die Hand mit dem Champagnerglas zitterte, und Maigret sah die von der Küchenarbeit rissigen Finger.

      »Antworte. Aber trink zuerst.«

      »Wir haben über alles Mögliche gesprochen.«

      »Das ist nicht wahr.«

      »Entschuldigen Sie, Herr Kommissar, ich weiß wirklich nicht, was mein Mann meint.«

      »Oh doch, oh doch! Komm, dann helfe ich dir auf die Sprünge …«

      Sie stand aufrecht neben dem roten Sessel, in dem Ducrau so tief versunken war, dass er beinahe damit verschmolz.

      »Berthe

Скачать книгу