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in agrar heute, um den Erhalt einer »flächendeckenden, multifunktionalen heimischen Landwirtschaft«.

      Wie wird diese gigantische Massenproduktion in Deutschland zu Lasten der Umwelt und der Menschen, die in ihr arbeiten, ökonomisch reflektiert? Die zuständigen Agrarökonom*innen reagieren in althergebrachten Mustern der angeblich unausweichlichen Konkurrenz. Zudem herrscht eine bemerkenswerte nationalistische Konnotation, wenn es beispielsweise heißt, in diesem Wettbewerb ginge »die größte Gefahr von den europäischen Wettbewerbern Spanien und Dänemark aus«, wie sich Achim Spiller und Kolleg*innen zu dem Konkurrenzkampf im Bereich Schweinefleisch ausdrücken. Die Parallele zur Situation im Spargelanbau ist auffällig, denn auch hier redete etwa die Bayerische Landanstalt für Landwirtschaft 2016 davon, dass die Anteile des »griechischen, französischen und spanischen Angebots erfolgreich vom Markt verdrängt« wurden.

      Selbst in der aktuell andauernden Krise wird dabei auch die Gleichmacherei aller Wirtschaftsakteure, die im ständigen Kampfmodus gezeichnet werden, fortgesetzt – in gewohnter Manier eines Einheitsbreis aller Wirtschaftsakteure in einem Topf, lediglich perspektivisch in »Anbietende« und »Nachfragende« aufgeteilt. Im »Corona-Krieg« forderte zum Beispiel Hans-Werner Sinn in Project Syndicate am 16. März in üblichem Denkschema, dass in der jetzigen Situation dringend angebotsfördernde Maßnahmen erfolgen müssten:

       »Eine heftige Rezession ist nicht mehr zu vermeiden. Manche Ökonomen schlossen daraus, dass man dagegen nun mit nachfragestimulierenden Maßnahmen angehen solle. Diese Position überzeugt nicht wirklich, denn die Weltwirtschaft leidet nicht unter einem Nachfrage-, sondern unter einem Angebotsmangel. […N]achfragestimulierende Maßnahmen könnten sogar kontraproduktiv sein, denn sie würden dem gesundheitspolitisch Gebotenen entgegenwirken, weil sie die Kontaktaufnahme der Menschen fördern.«

      Kann diese Herangehensweise weiter überzeugen? Wer genau wurde damit adressiert? Deutsche Nachfrager*innen? Europäische? In Italien, wo etwa fünf Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben, hatten jedenfalls am gleichen Tag die ersten »Nachfrager*innen« in Süditalien und Neapel versucht, Lebensmittelmärkte zu plündern, wie Voce Spettacolo berichtet – weil sie hungerten.

      Der unsinnige Streit um das althergebrachte Schema von Angebot und Nachfrage wird so zu Lasten der Betroffenen fortgesetzt. Das ist ebenso eine Folge der nach wie vor üblichen Annahme, dass Zusammenhänge mittels Funktionsgleichungen ermittelt werden können, aber der ewige Streit um die Frage, ob das Angebot vor der Nachfrage oder die Nachfrage vor dem Angebot priorisiert werden soll – aufgrund der mathematisch gegenseitigen Abgängigkeit der beiden Variablen dabei –, letztlich gar nicht beantwortet werden kann. Das verwendete Vokabular verschleiert zudem, um welche Abhängigkeitsverhältnisse es dabei geht. Denn »Anbietende« bieten nicht nur an, sondern müssen andere Waren innerhalb der Konkurrenzökonomie sprichwörtlich um jeden Preis unterbieten, also die eigenen loswerden. Und »Nachfragende« »fragen« nicht nur – egal in welcher Ökonomie –, sondern haben letztlich einen existenziellen Bedarf. Zu diesem grundsätzlichen Bedarf gehörten laut Walter Eucken nach dem Zweiten Weltkrieg Nahrungsmittel, Wohnen, Energie und Verkehr, welche daher subventioniert wurden. Sie waren der »Preis der Marktwirtschaft«, so Irmgard Zündorf. Die Corona-Pandemie zwingt dazu, wenigstens über diese Bereiche neu nachzudenken, während für alle anderen Bereiche gehofft wird, in alter Manier bald wieder »durchstarten« zu können. Ermöglichen soll dies nun der »Staat« mit Milliarden Euro Finanzhilfen, wiewohl gerade eben jener Staat seitens der Ökonom*innen, die diese Hilfen nun fordern, über Jahrzehnte diskreditiert wurde.

       ZUR ROLLE DES STAATES

      Von den »führenden Ökonom*innen« wird die Regierung aktuell in der Corona-Krise aufgefordert, »man müsse schnell handeln, um jetzt durch die Bereitstellung von Milliarden-Mitteln […] Vertrauen zu schaffen«, so etwa Clemens Fuest, Chef des Münchner ifo-Instituts im Interview der Deutschen Welle. In einer Ökonomie, die von vornherein gedacht wird als »economy in which decisions about production and consumption are made by individual producers and consumers«, wie Paul Krugman und Robin Wells es formulieren, kommt ein Staat als ökonomischer Akteur gar nicht vor.

      In Krisenzeiten allerdings wird wie selbstverständlich nach ihm gerufen. Schon 2009 konstatierte der damalige deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dass »in der Krise eine Renaissance des Staates« als selbstverständlich thematisiert wird, aber Ökonom*innen diesen Staat sonst »weitgehend als Störfaktor in der Wirtschaft« sehen, »den man möglichst weit heraushalten wollte«.

      Eine Institution, die von allen Arbeitnehmer*innen sowie allen Unternehmen eines Landes einen beträchtlichen Anteil an Steuern einnimmt – sofern sich diese dem nicht auf illegale Weise entziehen – als ökonomisch irrelevant zu erklären, gehört nicht nur zum fehlenden Reflexionsvermögen der herrschenden Ökonomik, sondern gleicht auch einem antistaatlichen Framing. Das stärkste Argument im politischen Kampf um die vorherrschende Wirtschaftsordnung gegen eine »Planwirtschaft« lieferte Adam Smith schon 1779:

       »Ein Staatsmann, der es versuchen sollte, Privatleuten vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihr Kapital investieren sollten, würde sich damit […] eine Autorität anmaßen, die man nicht einmal einem Staatsrat oder Senat, geschweige denn einer einzelnen Person getrost anvertrauen könnte […].«

      Doch inwieweit gilt diese Warnung vor einer – in den Worten Friedrich von Hayek – »Anmaßung von Wissen« noch, wenn in allen relevanten Wirtschaftsbereichen nur noch eine Handvoll Großkonzerne existieren? Wenn sich in Deutschlands Lebensmitteleinzelhandel Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe und Aldi 85 Prozent des Absatzmarktes teilen? Beziehungsweise wenn nur ein Unternehmen eine ganze Branche beherrscht, wie Google 90 Prozent des deutschen Suchmaschinenmarktes? Oder wenn es sogar um die weltweite Beherrschung eines Marktes geht – Beispiel Saatgutmarkt, der zu zwei Drittel durch die Chemiekonzerne Bayer-Monsanto, Syngenta und Dupont kontrolliert wird?

      Diese Marktbeherrschung wird in der Ökonomik ebenso ungenügend problematisiert, wie die realen Entwicklungen der Wirtschaftsakteure nicht reflektiert werden. Angesichts solcher Konzentrationen wird die in der Ökonomik bis heute bemühte »invisible hand« als »unplanned economy«, wie es von Paul Krugman und Robin Wells heißt, schlichtweg obsolet. Auch diese Auffassung gehört zum unreflektierten Grundrepertoire der herrschenden Ökonomik. Allzu bekannt ist sie als Rhetorik von der angeblichen Selbstlenkung der »Märkte«, die als sich selbst regulierende »Koordination« angepriesen wird, wie Paul A. Samuelson und William D. Nordhaus dies in ihrem Lehrbuch 2007 tun. Sie sprachen 2016 sogar den »Markt« als handelndes Wesen an und fragten enthusiastisch: »Wer löst die drei Grundfragen wirtschaftlicher Organisation, nämlich was, wie und für wen produziert wird?«

      Ja – wer löst diese Grundfragen wirtschaftlicher Organisation? Organisationen sind von Menschen gemachte Institutionen. Kein »Markt« existiert »an sich« oder reguliert sich selbst. Märkte sind organisiert. Sie sind, laut Reinhard Pirker, Regulierungsformen des sozialen Lebens. Daher ist jede Marktökonomie eng mit der Legislative, Exekutive und Judikative eines Staates verbunden. Ohne diese Verwobenheit wären weder unternehmensfreundliche Gesetzgebungen erklärbar noch umgekehrt politische Entscheidungen gegen Unternehmensinteressen.

      Auch in diesem Punkt wird die Corona-Pandemie zeigen, inwieweit die Politik sich im Zuge der Krisenbewältigung emanzipieren kann oder – wie in der Finanzkrise ab 2008 – nur von Unternehmensinteressen getrieben agiert und »Staatsschulden« anhäuft, ohne das Reglement wirksam neu zu gestalten. Seitens der aktuell zur Tagespolitik befragten und zitierten »führenden Ökonom*innen« beobachten die Medien derzeit zwar mehrheitlich eine »Abkehr von der reinen Lehre«, wenn das Aufkündigen der »Schwarzen Null« im Bundeshaushalt, massive Staatshilfen sowie sogar Staatsbeteiligungen für Unternehmen gefordert werden. Weit wesentlicher für die Zukunft aber wird sein, diese »reine Lehre« endlich umzustellen auf eine realistische

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